OGH 7Ob220/14z

OGH7Ob220/14z12.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** K*****, 2. H***** K*****, beide: *****, vertreten durch Dr. Walter Solic, Rechtsanwalt in Kaindorf bei Leibnitz, und der Nebenintervenientin U***** Versicherungen AG, *****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wegen 673,56 EUR sA und Feststellung (erstklagende Partei) und 217 EUR sA und Feststellung (zweitklagende Partei), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 11. September 2014, GZ 3 R 92/14t‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00220.14Z.0312.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die geltend gemachte Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2.1. Beim Auftragsvertrag im Sinn des § 1002 ABGB handelt es sich um einen Konsensualvertrag, bei dem sich der Beauftragte zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Besorgung erlaubter Geschäfte auf Rechnung des Auftraggebers verpflichtet (RIS‑Justiz RS0109132). Im Zuge der Erfüllung des Auftrags hat der Beauftragte das Interesse des Auftraggebers wahrzunehmen und alles vorzukehren, was die Natur des Geschäfts mit sich bringt (vgl § 1009 ABGB; RIS‑Justiz RS0019701), womit die Hauptpflicht zur sorgfältigen Besorgung des aufgetragenen Geschäfts angesprochen ist (vgl P. Bydlinski in KBB 4 § 1009 ABGB Rz 1 mit Judikaturnachweisen). Unter anderem schuldhafte Verletzungen dieser auftragsrechtlichen Pflicht lösen nach § 1012 ABGB Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz erlittener Schäden aus.

2.2. Im vorliegenden Fall beauftragten die Kläger eine Mitarbeiterin des beklagten Finanzdienst-leistungsunternehmens mit der Durchführung der Kündigung der Krankenzusatzversicherung ihres Sohnes. Schon auf Grund dieses festgestellten Auftragsverhältnisses bleibt ‑ wie von der Beklagten in ihrer Revision angestrebt ‑ für die Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 1300 ABGB für unentgeltlich erteilte Auskünfte kein Raum. Vielmehr bewegt sich das Berufungsgericht, das die Beklagte am erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB misst, im Rahmen der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, welche diese Haftung an die Übernahme einer besonderen Tätigkeit knüpft (RIS‑Justiz RS0026557), worin jedenfalls die Durchführung einer ordnungsgemäßen Aufkündigung einer Mitversicherung zu sehen ist.

3. Auch im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht angenommenen, von der Mitarbeiterin der Beklagten zu verantwortenden Verletzung der Erkundigungspflicht zeigt die Revisionswerberin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Zwar trugen die Kläger an die Mitarbeiterin der Beklagten ‑ ohne Erteilung näherer Informationen ‑ bloß den Kündigungswunsch betreffend die Krankenzusatzversicherung des Sohnes heran. Spätestens als sie durch Einsichtnahme in den bei der Beklagten (elektronisch) geführten Klientenakt feststellte, dass es sich um eine Fremdpolizze handelte, deren Versicherungsnehmer der Erstkläger war, hätte sie jedenfalls weitere Erkundigungen über die aufzukündigende Krankenzusatzversicherung einholen müssen, wie es auch ihre Vorgänger machten. Sie hätte in die Versicherungsunterlagen schauen oder zumindest beim Erstkläger rückfragen müssen. Es hätte ihr schon auf Grund des Namens des Versicherungsnehmers (= Erstkläger) auffallen müssen, dass von der Polizze ‑ wie es immer wieder im Familienkreis anzutreffen ist ‑ mehrere Personen umfasst sind. Diese Pflichtverletzung führte letztlich zur von den Klägern nicht gewünschten Aufkündigung des gesamten Krankenzusatzversicherungsvertrags und damit zu einem dem Auftragsinhalt zuwider laufenden Ergebnis. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind daher nicht zu beanstanden.

4.1. Fragen des Mitverschuldens und der Verschuldensaufteilung bilden wegen ihrer Einzelfallbezogenheit in der Regel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 ZPO (RIS‑Justiz RS0087606 [T11, T25]). Dies gilt auch für die Frage, ob ein geringes Mitverschulden noch vernachlässigt werden kann (RIS‑Justiz RS0087606 [T7]). Eine erhebliche ‑ und damit vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende ‑ Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen, wenn es dem Erstkläger bloß eine gegenüber dem massiven Fehlverhalten der Mitarbeiterin der Beklagten zu vernachlässigende Sorgfaltspflichtverletzung zur Last legt.

4.2. Es trifft zwar zu, dass die Kläger die Beklagte grundsätzlich darüber informieren hätten müssen, dass sie ebenfalls in der Polizze erfasst sind. Berücksichtigt man jedoch die langjährige - friktionsfreie -Geschäftsbeziehung und den Umstand, dass die „Herauskündigung“ des Sohnes bereits mehrfach mit den Mitarbeitern der Beklagten thematisiert wurde, durften die Kläger von einem entsprechenden Informationsstand der Beklagten ausgehen. Insbesondere konnten sie erwarten, dass bereits gesetzte Schritte im Kundenakt dokumentiert würden. Diesem bei einem Betreuerwechsel durch die fehlende Dokumentation drohenden Informationsverlust hätte die Beklagte durch geeignete Maßnahmen vorbeugen müssen. Deren Unterbleiben hat daher allein die Beklagte zu verantworten.

4.3. Gleiches gilt für die von der Revisionswerberin den Klägern vorgeworfene neuerliche Beauftragung mit der Vertragskündigung. Diese lag nämlich nicht darin begründet, dass die Kläger von sich aus an die Beklagte herantraten. Vielmehr nahm die neue Betreuerin Kontakt mit den Klägern auf und erkundigte sich nach etwaigen Wünschen. Wenn vor diesem Hintergrund die immer noch nicht beendete Mitversicherung des Sohnes in der Krankenzusatzversicherung angesprochen wird, liegt in der Auffassung des Berufungsgerichts, darin kein ein Mitverschulden begründendes Verhalten der Kläger zu erblicken, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4.4. Damit verbleibt als Schuldvorwurf das kritiklose Unterfertigen des von der neuen Betreuerin vorbereiteten Kündigungsformulars. Dazu hat sich das Berufungsgericht darauf bezogen, dass sich die Kläger zur Hilfestellung in Versicherungsfragen gerade an das beklagte Finanzdienstleistungsunternehmen als Profi in diesem Bereich wandten, sie sich daher auf die Beratung verlassen durften. Diese Rechtsansicht ist nicht zu beanstanden.

4.5. Insgesamt wird daher auch im Zusammenhang mit dem Mitverschulden keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

5. Der zuletzt noch vermissten Feststellung, dass die (den Sohn noch beinhaltende) Nachtragspolizze vom 8. 2. 2012 der Beklagten nicht zugegangen sei, kommt vor dem Hintergrund der oben dargelegten Erkundigungspflicht der Beklagten keine entscheidende Bedeutung zu. Im Übrigen ist auch das Berufungsgericht nicht von einer entsprechenden Zustellung ausgegangen.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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