Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Über das Vermögen der R***** GmbH & Co KG (im Folgenden Gemeinschuldnerin) wurde am 7. 3. 2008 der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Die Gemeinschuldnerin hatte ab 1. 1. 2004 bei der Beklagten eine Kreditversicherung (Globalversicherung) abgeschlossen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Globalversicherung-Ausfuhr mit wirtschaftlicher Deckung (AVB-GAW; im Folgenden AVB) zugrundegelegt wurden, die unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:
„ § 1 Gegenstand der Versicherung
Der Versicherer ersetzt dem Versicherungsnehmer Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags durch Zahlungsunfähigkeit versicherter Kunden mit Sitz in den im Versicherungsschein genannten Ländern entstehen.
[…]
§ 4 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes
[…]
3. Der Versicherungsschutz erlischt für alle versicherten Forderungen mit Beendigung des Versicherungsvertrages, sowie nicht der Versicherungsfall eingetreten ist.
[…]
§ 8 Anzeige- und Verhaltenspflichten, Gefahrerhöhung
[…]
6. Bei Gefahrerhöhung oder aus sonstigen ihm berechtigt erscheinenden Gründen kann der Versicherer jederzeit den Versicherungsschutz für den betroffenen Kunden beschränken oder aufheben. Diese Maßnahme des Versicherers wird wirksam mit Zugang der Mitteilung beim Versicherungsnehmer. Der bedingungsgemäß bestehende Versicherungsschutz für die bis zum Eingang der Mitteilung beim Versicherungsnehmer entstandenen Forderungen aus Warenlieferungen und erbrachten Dienstleistungen bleibt unberührt.
[…]
§ 9 Versicherungsfall
1. Der Versicherungsfall tritt ein, wenn der Kunde zahlungsunfähig wird. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn
a) das Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung vom Gericht mangels Masse abgelehnt worden ist oder
[…]
e) infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Konkursantrag oder eine andere gegen einen Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht.
2. Als Zeitpunkt für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gilt
im Falle a) [...] der Tag des Gerichtsbeschlusses,
[…]
im Falle e) der Tag, an dem auf Grund entsprechenden Beweismaterials die Aussichtslosigkeit von Maßnahmen gegen den Schuldner angenommen werden muss.
[…]
§ 15 Aufhebung und Erlöschen des Versicherungsvertrages
Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung aufheben, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig im Sinne der Konkursordnung wird. Unabhängig davon erlischt der Versicherungsvertrag spätestens in dem Zeitpunkt, in welchem beim Versicherungsnehmer einer der Tatbestände des § 9 Nr. 1a) bis d) vorliegt.“
Die Gemeinschuldnerin hatte Reifen an die deutsche L***** GmbH (im Folgenden Kundin) geliefert und dafür am 30. 8. 2007 42.960 EUR in Rechnung gestellt. Über das Vermögen der Kundin wurde am 8. 5. 2008 das vorläufige Insolvenzverfahren und am 1. 7. 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Beklagte schrieb der Gemeinschuldnerin die Versicherungsprämien auf Basis der Informationen letzterer über die zum jeweils vorangehenden Monatsultimo offenen Forderungen vor, wobei die Prämienkalkulation jeweils auf den gesamten offenen Forderungen basierte. Diese waren somit versicherte Forderungen im Sinn der AVB. Mit Abrechnungen vom 25. 3. 2008 schrieb die Beklagte einerseits Prämien vor, anderseits die Differenz auf die nach dem Versicherungsschein zu leistende Mindestprämie, aliquotiert für die Zeit bis zur Konkurseröffnung. Die von der Gemeinschuldnerin an die Kundin gelegte Faktura sah als Zahlungsbedingung „zahlbar per Überweisung bis zum 1. 12. 07 netto ohne Abzug“ vor. Die Lieferung war höchstens einen Tag vor Rechnungslegung erfolgt. Ende November 2007 informierte die Kundin die Gemeinschuldnerin, dass sie derzeit nicht in der Lage sei, vier damals mit insgesamt 252.472 EUR aushaftende Rechnungen, darunter jene vom 30. 8. 2007, zu zahlen. Die Gemeinschuldnerin vereinbarte im Dezember mit der Kundin die Ausstellung zweier Wechsel mit Fälligkeiten 15. und 30. 4. 2008. Sie verständigte die Beklagte davon mit E-Mail vom 22. 1. 2008; früher deshalb nicht, weil es entgegen ihren Erwartungen einige Zeit gedauert hatte, bis die Kundin ihr einen Wechsel übermittelte. Andere, die Zahlungsmoral der Kundin betreffende Informationen erhielt die Beklagte von der Gemeinschuldnerin nicht. Am selben Tag teilte die Beklagte der Gemeinschuldnerin mit, dass sie die Versicherungssumme für die Kundin aufhebe. Grund für diese § 8 Z 6 AVB folgende Maßnahme war die Information der Gemeinschuldnerin betreffend die Stundung der Forderung gegen die Kundin, die die Beklagte als gefahrenerhöhenden Umstand wertete. Die Kundin hatte während der letzten 1 ½ Jahre vor dem Konkurs der Gemeinschuldnerin immer wieder mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen, dann aber doch jeweils Zahlung geleistet. Deshalb betrachtete die Gemeinschuldnerin auch eine Zahlung der Rechnung vom 30. 8. 2007 nicht als aussichtslos, und zwar selbst noch nach Konkurseröffnung. Sie riet auch dem Kläger zu Betreibungsmaßnahmen, die dann auch erfolgten. Mit E-Mail vom 15. 4. 2008 teilte die Gemeinschuldnerin der Beklagten mit, sie habe von der Kundin erfahren, dass diese den an diesem Tag fälligen Wechsel nicht einlösen könne.
Der Kläger begehrt von der Beklagten 34.368 EUR aus der Warenkreditversicherung. Die finanzielle Ausstattung der Kundin sei bereits im Dezember 2007 dermaßen schlecht gewesen, dass Einbringungsmaßnahmen nicht erfolgversprechend im Sinn des § 9 Z 1 lit e AVB gewesen seien. Aus einem vom Insolvenzverwalter der Kundin erstellten Gutachten gehe hervor, dass bereits zum 30. 6. 2007 ein massiv negatives Jahresergebnis vorgelegen sei, das laut der Zwischenbilanz zum 31. 1. 2008 einen Verlust von rund 2.000.000 EUR aufgewiesen habe. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kundin begründe den Versicherungsfall gemäß § 9 Z 1 lit a) AVB. Die Regelung des § 15 AVB widerspreche § 864a ABGB und sei nach § 879 ABGB sittenwidrig. Für die Beklagte habe sich durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nichts an der Risikosituation in Bezug auf den versicherten Liefervorgang geändert. Die Gemeinschuldnerin habe mit der betreffenden Klausel der AVB auch nicht rechnen müssen. Sie habe aufgrund des Erlöschenstatbestands vollkommen nutzlose Prämien zahlen müssen.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Versicherungsvertrag sei aufgrund der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gemäß § 15 AVB mit 7. 3. 2008 erloschen. Damit habe nach § 4 Z 3 AVB der Versicherungsschutz für alle Forderungen, für die noch kein Versicherungsfall eingetreten gewesen sei, geendet. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kundin sei der Versicherungsvertrag daher bereits aufgelöst gewesen. Zuvor sei auch ein Versicherungsfall nach § 9 Z 1 lit e) AVB nicht vorgelegen. Selbst im April 2008 habe die Gemeinschuldnerin nämlich noch Eintreibungsmaßnahmen ergriffen. Sie habe mit der Kundin mit Dezember 2007 noch eine Verlängerung des Zahlungsziels und zwei Wechselzahlungen vereinbart, ohne die Beklagte davon zu informieren. Dazu wäre sie aber nach den Bestimmungen der AVB verpflichtet gewesen. Die betreffende Obliegenheitsverletzung mache die Beklagte leistungsfrei. Die Prämie sei genau für jenen Zeitpunkt vorgeschrieben worden, für den die Beklagte bei Eintritt eines Versicherungsfalls gehaftet hätte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den eingangs wiedergegebenen, von ihm festgestellten Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der Versicherungsvertrag habe nach § 15 AVB mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin am 7. 3. 2008 geendet. § 15 AVB wohne kein überraschendes Moment inne und sei daher keine nach § 864a ABGB ungültige Bestimmung. Auch § 879 Abs 3 ABGB stehe dieser Klausel, die dem Grundgedanken des § 1052 ABGB Rechnung trage, nicht entgegen. Es stelle daher keine gröbliche Benachteiligung eines insolventen Versicherungsnehmers dar, wenn die Beklagte sich von ihm durch das Erlöschen des Vertrags ohne ordentliche Kündigung trenne. Da Leistung und Gegenleistung im Versicherungsvertrag das Versichert-Halten (und nicht die Leistung im Schadensfall) einerseits und die Zahlung der Prämie andererseits darstellten, wäre die Prämienzahlung entgegen der Meinung des Klägers nicht nutzlos. Nach § 4 AVB erlösche der Versicherungsschutz für versicherte Forderungen dann nicht mit Beendigung des Versicherungsvertrags, wenn der Versicherungsfall zu dem Zeitpunkt bereits eingetreten sei. Dies sei am 7. 3. 2008 (Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsvertrags) nicht der Fall gewesen, weshalb keine Deckungspflicht der Beklagten bestehe. Ein Eintritt des Versicherungsfalls (vor Beendigung des Versicherungsvertrags) sei auch nach § 9 Z 1 lit e) AVB zu verneinen. Die Gemeinschuldnerin habe auch nach Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen die Bezahlung der betreffenden Rechnung nicht als aussichtslos betrachtet, sondern dem Kläger zu Betreibungsmaßnahmen geraten. Das Gutachten des Insolvenzverwalters der Kundin könne den Standpunkt des Klägers schon deswegen nicht stützen, weil § 9 Z 2 AVB von einer ex ante-Betrachtung ausgehe. Da demnach keine Deckungspflicht der Beklagten bestehe, müsse auf die übrigen von den Parteien aufgeworfenen Fragen, insbesondere auf die behauptete Obliegenheitsverletzung nicht näher eingegangen werden.
Das Berufungsgericht hob das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Eine Gesamtschau der Abs 6 und 7 des § 273 IO ergebe, dass Abs 7, wonach § 25b IO auch auf vor dem 1. 7. 2010 abgeschlossene Vereinbarungen anzuwenden sei, nur bei nach dem 30. 6. 2010 eröffneten Konkursverfahren gelte. Entgegen der Ansicht des Klägers sei § 25b IO daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Damit sei zu klären, ob § 15 AVB auf Basis der vor dem IRÄG 2010 geltenden Rechtslage sittenwidrig sei. Grundsätzlich erachte die ständige Judikatur die Vereinbarung einer Vertragsauflösung bei Konkurseröffnung über das Vermögen eines Vertragspartners für wirksam. Dies gelte auch für die Vereinbarung der ipso iure-Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Konkurseröffnung. Im Rahmen der Warenkreditversicherung komme es teilweise laufend zur Vorleistung des Versicherers, seien doch die Forderungen grundsätzlich bereits mit Lieferung oder Leistung versichert, wie wohl die Prämie erst später errechnet und bezahlt werde. Das Erstgericht habe zutreffend § 1052 ABGB als Maßstabsregelung für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit herangezogen, lasse aber das Zusammenspiel mit den Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes wie auch die Besonderheiten der Warenkreditversicherung außer Acht. Gegenstand der Warenkreditversicherung sei der Ersatz von Ausfällen an Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die durch Zahlungsunfähigkeit des versicherten Kunden entstünden. Zur Verhütung eines Schadens überprüfe und überwache die Warenkreditversicherung die Kreditwürdigkeit der vom Versicherungsnehmer benannten Kunden. Dieses Element der Kreditprüfungen stelle eine gewisse Verwandtschaft von Warenkreditversicherung und Bankgeschäft her. Viel stärker als andere Versicherungssparten sei die Warenkreditversicherung darauf ausgerichtet, Schadensfällen vorzubeugen. Die Überprüfung und Überwachung der Kreditwürdigkeit sorge für einen ständigen Kontakt und Informationsaustausch zwischen Versicherer und Versicherungsnehmern. Nach der gemäß § 15a VersVG einseitig zwingenden Bestimmung des § 14 Abs 1 VersVG dürfe sich der Versicherer für den Konkursfall des Versicherungsnehmers ausbedingen, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Beschränkungen der Vertragsfreiheit seien jedoch gemäß § 187 VersVG bei der Kreditversicherung nicht anzuwenden. Zu klären sei, ob der damit eingeräumte Spielraum so weit reiche, dass ein Versicherer den Wegfall des Versicherungsverhältnisses überhaupt ohne Frist und/oder Ausspruch einer Kündigung vereinbaren dürfe. Ein Geschäft sei sittenwidrig, wenn es, ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig sei, also ungeschriebenes Recht - insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze - verletze. Dies sei unter Berücksichtigung aller Umstände anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung ankomme. Sittenwidrigkeit liege insbesondere dann vor, wenn der Vertrag eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthalte. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie werde die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergebe oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen bestehe. Im Sinn eines beweglichen Systems seien hiebei alle Umstände zu berücksichtigen und deren Gewichtung zu prüfen. Die Abwägung der Interessenlage schlage im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers aus. Für die Lösungsbefugnis des Versicherers spreche, dass er vorleistungspflichtig sei und dass das Risiko steige, dass durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Versicherungsnehmers in zusätzlichem und umfangreicherem Ausmaß Forderungen aus Warenlieferungen (vorerst) nicht bezahlt würden. Typischerweise hielten Firmen im Konkursfall Zahlungen zurück und wägten ab, ob nicht noch Gegenleistungen ausständig seien. Forderungen, die bei normalem Geschäftsgang bereits beglichen worden wären, blieben damit länger offen. Dem stehe gegenüber, dass es dem Masseverwalter kaum gelingen werde, eine neue Warenkreditversicherung abzuschließen. Regelmäßig würden erst nach Versicherungsabschluss auszuliefernde Waren versichert. Jene Waren, die schon längst ausgeliefert seien und für die auch schon längere Zeit Prämien bezahlt würden, seien damit nicht versichert und nicht versicherbar. Für sie falle mit der fristlosen Auflösungsautomatik jeder Schutz weg, ohne dass ein Ersatz dafür beschafft werden könne. Auf Basis dieser besonderen Interessenlage bei der Warenkreditversicherung sei bei einer Gesamtschau der Sonderregelungen der §§ 14, 15a und 187 VersVG im Konnex mit der Bestimmung des § 21 KO der Schluss zu ziehen, dass der Ausschluss jedweder Frist und der Wegfall des Bedürfnisses einer Kündigung sittenwidrig sei. Werde doch dem Masseverwalter keine Möglichkeit eingeräumt, einen bereits eingetretenen und ohnehin nur unter strengen Anforderungen nachzuweisenden Versicherungsfall im Sinn des § 9 Z 1 lit e) AVB aufzuzeigen. Die Beklagte könne sich demnach nicht darauf berufen, dass durch die Konkurseröffnung das Vertragsverhältnis erloschen sei. Zur Behauptung, der Versicherungsfall sei bereits im Dezember 2007 eingetreten, könne auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts verwiesen werden. Im weiteren Verfahren werde auf den bisher unbehandelten Einwand der Obliegenheitsverletzung einzugehen sein.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Verhältnisses der §§ 14, 187 VersVG iVm § 21 KO in Bezug auf eine Auflösungsautomatik im Konkursfall des Versicherungsnehmers bei einer Warenkreditversicherung fehle.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien, die jeweils unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen; der Kläger behauptet zudem, dass das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben sei. Er beantragt, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Die Beklagte stellt hingegen den Antrag, das klagsabweisende Urteil der ersten Instanz zu bestätigen. Hilfsweise werden von beiden Rekurswerbern Aufhebungsanträge gestellt.
In der Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin entweder zurück- oder abzuweisen. Die Beklagte beantragt, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig, beide sind aber nicht berechtigt.
Der erkennende Senat erachtet sowohl die Rekursausführungen des Klägers als auch jene der Beklagten für nicht stichhältig, die damit bekämpfte (hier etwas zusammengefasst wiedergegebene) Begründung des angefochtenen Beschlusses hingegen in allen Streitpunkten - sowohl im Ergebnis, als auch in der methodischen Ableitung - für zutreffend. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO iVm § 528a ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz hinzuweisen und lediglich zu den Einwänden der Rekurswerber Stellung zu nehmen.
Der Kläger hält in seiner Rechtsrüge zunächst daran fest, dass § 25b Abs 2 IO, der bestimmt, dass die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unzulässig ist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall bereits anzuwenden sei. Schon deshalb sei § 15 zweiter Satz AVB als unzulässige Vereinbarung unbeachtlich. Demgegenüber hat das Berufungsgericht aus der Gesetzessystematik (der Gesamtschau der Abs 6 und 7 des die Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zum IRÄG 2010 enthaltenden § 273 IO) zutreffend abgeleitet, dass § 25b IO nicht an den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anknüpft, sondern vielmehr (nur) in nach dem 30. 6. 2010 eröffneten Insolvenzverfahren auch jene Vereinbarungen erfasst, die vor dem 1. 7. 2010 geschlossen wurden (Reisenhofer in Konecny, ZIK Spezial-IRÄG 2010, Der zeitliche Anwendungsbereich des IRÄG, 189 [191]).
Die Beklagte wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung eines Erlöschens des Versicherungsvertrags im Fall der Insolvenz im Sinn des § 15 AVB sei nach § 879 ABGB sittenwidrig. Im Wesentlichen macht die Beklagte geltend, ein Rückgriff auf die guten Sitten nach § 879 Abs 1 ABGB sei nur bei Vorliegen einer Rechtslücke zulässig; eine solche liege hinsichtlich der Bestimmung des § 15 AVB iVm § 9 Z 1 lit a) AVB aber nicht vor, weil die §§ 14 und 187 VersVG diesen Fall erfassten und regelten. Im Übrigen habe das Berufungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung die Nachteile des Versicherers im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Versicherungsnehmers nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere die wegen des in der Regel stark verminderten neu versicherbaren Geschäfts viel geringeren Prämieneinnahmen seien zu bedenken.
Ersterer Einwand übersieht, dass nach § 187 Abs 1 VersVG zwar in diesem Gesetz vorgesehene Beschränkungen der Vertragsfreiheit für Kreditversicherungen nicht gelten. Dass demnach § 14 VersVG (wonach sich der Versicherer für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis ausbedingen kann, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen) auf Kreditversicherungen nicht anzuwenden ist, erlaubt aber nicht die Schlussfolgerung, eine Klausel wie die vorliegende stelle „die im Gesetz vorgesehene Regelung“ dar. Zutreffend ist lediglich, dass im Hinblick auf § 187 Abs 1 VersVG ein gesetzliches Verbot einer Auflösungsklausel für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers in der (Waren-)Kreditversicherung fehlt. In einem solchen Fall kann Sittenwidrigkeit im Sinn des § 879 ABGB nur dann angenommen werden, wenn die Interessenabwägung ein grobes Missverhältnis der Interessen ergibt (vgl RIS-Justiz RS0045886). Es ist daher, wie dies das Berufungsgericht getan hat, zu untersuchen, ob die Klausel eine gröbliche einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners (hier des Versicherungsnehmers) bedeutet. Eine gröbliche Benachteiligung ist dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (1 Ob 581/83, JBl 1983, 534 = EvBl 1983/129; 7 Ob 250/07a uva). Dies ist entgegen der Meinung der Beklagten angesichts der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Wittchen, Die Warenkreditversicherung, dargestellten besonderen Voraussetzungen und Gegebenheiten der Warenkreditversicherung für § 15 AVB zu bejahen: Der von der Beklagten ins Treffen geführte Umstand einer (wahrscheinlichen) Prämienreduktion bei Unternehmensfortführung durch den Masseverwalter mag ein Kündigungsrecht nach § 14 VersVG rechtfertigen (vgl BGH IV ZR 69/01). Die geringere Prämieneinnahme resultiert aus dem von der Beklagten dann zu tragenden geringeren Risiko und fällt bei Abwägung der Interessen daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so sehr ins Gewicht. Dasselbe gilt für den vom Berufungsgericht erörterten Umstand, dass im Fall der Konkurseröffnung die Zahlungsmoral mancher Schuldner sinkt. Hängt doch das Risiko des Warenkreditversicherers nicht von der Zahlungsmoral der Schuldner, sondern letztlich von deren Bonität ab, die aber durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers im Regelfall nicht berührt wird. Wesentlich schwerer wiegt dagegen der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf deutsches Schrifttum hervorgehobene Nachteil, nach Konkurseröffnung keinen neuen Warenkreditversicherungsvertrag mehr abschließen und auf diese Weise dem Insolvenzrisiko von Kunden begegnen zu können. Damit wird auch ein Aspekt berührt, den Bollenberger, Auflösungsklausel für den Konkursfall - neue Rechtsprechung, ZIK 2009/125, 74, als starkes, für die Sittenwidrigkeit von allein an der Konkurseröffnung anknüpfenden Auflösungsklauseln sprechendes Argument bezeichnet, nämlich die gläubigerschädigende Wirkung einer solchen Auflösungsklausel. Wie Bollenberger richtig hinweist, hat der Oberste Gerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen den Grundsatz entwickelt, dass Gläubigerbeeinträchtigung zwar nicht per se, aber bei Hinzutreten weiterer belastender Elemente Nichtigkeit nach § 879 ABGB begründet (s dazu Bollenberger, Rechtsgeschäftliche Vorsorgeklauseln für den Insolvenzfall, ÖBA 2006, 884 sowie Krejci in Rummel 3 § 879 Rz 128b). Das vom Berufungsgericht gesehene grobe Missverhältnis zwischen den Interessen der Beteiligten zu Lasten des Klägers wird daher auch noch durch den Aspekt der Gläubigerbeeinträchtigung verstärkt. Dass die Tragung des Insolvenzrisikos von Kunden, wenn auch etwa nur für die Zeitspanne einer Kündigungsfrist, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger des insolventen Versicherungsnehmers erhöhen kann, liegt auf der Hand. Es ist in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen, dass die im Fall der Unternehmensfortführung durch den Masseverwalter anfallenden weiteren Versicherungsprämien Masseforderungen darstellen. Insgesamt kann daher in der Ansicht des Berufungsgerichts, die gegenständliche Auflösungsklausel benachteilige den Versicherungsnehmer (hier den Kläger) gröblich und sei daher im Sinn des § 879 Abs 1 (wohl aber auch Abs 3) ABGB sittenwidrig, kein Rechtsirrtum erblickt werden.
Der Kläger macht weiters noch als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, das Berufungsgericht habe das Verfahren zu Unrecht für ergänzungsbedürftig erachtet. Um die von ihr behauptete Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin zu dokumentieren, wäre die Beklagte gehalten gewesen, entsprechende Feststellungen einzufordern. Da dies unterblieben sei, hätte das Berufungsgericht dem der Höhe nach außer Streit gestellten Klagebegehren ohne weiteres zur Gänze stattgeben müssen. Dem hält die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung zu Recht entgegen, dass § 496 Abs 1 Z 3 ZPO die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Verhandlung und Urteilsfällung anordnet, wenn, ohne dass dadurch eine Nichtigkeit begründet wäre, nach dem Inhalt der Prozessakten dem Berufungsgericht erheblich scheinende Tatsachen in erster Instanz nicht erörtert wurden. Dies trifft hinsichtlich der von der Beklagten eingewendeten Verletzung der Anzeigeobliegenheit des § 8 AVB zu. Da das Erstgericht, ausgehend von seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht, das Klagebegehren sei schon aus einem anderen Grund abzuweisen, den Einwand der Leistungsfreiheit zufolge Obliegenheitsverletzung nicht für entscheidungsrelevant erachtete und diesbezüglich daher eine Erörterung und eine Beweisaufnahme unterlassen hat, mangelt es an Beweisergebnissen, aufgrund derer die Beklagte entsprechende Feststellungen reklamieren hätte können. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Da die dem betreffenden Auftrag an das Erstgericht zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zutreffend sind, ist es dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt, die vom Kläger in Abrede gestellte Notwendigkeit der angeordneten Verfahrensergänzung zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042179; RS0113643 [T2]).
Es ist daher sowohl dem Rekurs der Beklagten als auch jenem des Klägers ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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