European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E86070
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,82 (darin enthalten EUR 292,47 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 9. 11. 1999 rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen - wie von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten wird - die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 97)" zugrunde. Der vereinbarte Versicherungsschutz umfasst mehrere „Rechtsschutzbausteine", darunter „Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete (GMRS) nach Art 24 ARB (Objekt‑Anschrift laut Antrag)" einschließlich „Steuer‑Gerichts‑Rechtsschutz ..." und „Firmen‑Rechtsschutz (Basisdeckung) plus‑D*‑Sonderleistungen (FI 2000)." Dieser Versicherungsschutz umfasst unter anderem den „Rechtsschutz im Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich (Art 19 bis 22 der ARB)", den „Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz für den Privatbereich (Art 23.1.1. der ARB)" und die „D*‑Plus‑Leistungen".
Die für diesen gesamten Versicherungsschutz maßgeblichen Bestimmungen der ARB 97 lauten auszugsweise:
„Artikel 4
Wo gilt die Versicherung? (örtlicher Geltungsbereich)
1.) Im Fahrzeug- und Fahrzeug‑Vertrags‑Rechtsschutz (Artikel 17), Lenker‑Rechtsschutz (Artikel 18) sowie im Schadenersatz‑ und Straf‑Rechtsschutz (Artikel 19) besteht Versicherungsschutz für Versicherungsfälle, die in Europa (im geografischen Sinn), den außereuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten (....) eintreten, wenn auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in diesem Geltungsbereich erfolgt.
...
3.) In den übrigen Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall im Geltungsbereich gemäß Pkt. 1. eintritt, die Wahrnehmung rechtlicher Interessen jedoch in Österreich erfolgt und dafür die Zuständigkeit eines staatlichen österreichischen Gerichtes oder einer österreichischen Verwaltungsbehörde gegeben ist.
...
Artikel 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1.) Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
...
1.11. im Zusammenhang mit
- der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder im Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden
- der Planung derartiger Maßnahmen
- der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückerwerbes.
...
Artikel 19
Schadenersatz‑ und Straf‑Rechtsschutz für den Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich
...
3.) Was ist nicht versichert?
3.1. Zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutzbausteinen umfasst der Versicherungsschutz nicht
...
3.1.3. die Geltendmachung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen sowie die Geltendmachung von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen (versicherbar in Artikel 23);
3.1.4. im Schadenersatz‑Rechtsschutz Fälle, welche beim Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen entstehen (versicherbar in Artikel 24).
...
Artikel 23
Allgemeiner Vertrags‑Rechtsschutz
...
2.) Was ist versichert?
2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus
2.1.1. Versicherungsverträgen des Versicherungsnehmers über in Österreich gelegene Risken;
2.1.2. sonstigen schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen.
Als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen gilt auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen.
...
Artikel 24
Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete
1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?
Versicherungsschutz hat der Versicherungsnehmer in seiner jeweils versicherten Eigenschaft als Eigentümer, Vermieter, Verpächter, Mieter, Pächter oder dinglich Nutzungsberechtigter des in der Polizze bezeichneten Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles (Wohnung).
2. Was ist versichert?
Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Verfahren vor österreichischen Gerichten ... ."
Der Versicherungsantrag der Klägerin vom 9. 11. 1999 wurde von einer Mitarbeiterin der Beklagten entsprechend den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin ausgefüllt und von diesem nach Durchsicht des Textes unterfertigt. Im Antrag konnten durch Ankreuzen verschiedene Kombinationen von Versicherungsleistungen gewählt werden. Die im Antragsformular vorgesehene Variante „inkl. Allgem. Vertrags‑Rechtsschutz für den Betriebsbereich (Art. 23.1.2. ARB) ..." wurde von der Klägerin nicht beantragt. Beantragt wurde vielmehr die Kombination FI 2000 (Firmenrechtsschutz Plus D*‑Sonderleistungen) in der Tarifgruppe VI mit einer Normalprämie von ATS 9.305,‑‑. Auch unter der Spalte „GMRS (Risikobeschreibung für Grundstückseigentum und Miete gemäß Art 24 ARB)" setzte die Mitarbeiterin der Beklagten auf Grund des Beratungsgespräches als Anschrift nur die Firmenadresse der Klägerin in W* („wie oben") ein und kreuzte die gewerbliche Nutzung des Objektes an. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die Klägerin bereits Eigentümerin eines (unverbauten) Grundstückes in M* (Spanien). Das Grundstück wurde nicht in den Antrag aufgenommen, sondern es wurde lediglich die Firmenadresse in W* angeführt.
In der Folge fasste der Geschäftsführer der Klägerin den Entschluss, im Ausland ein Gebäude zu errichten, das den Dienstnehmern der Klägerin in Form von Incentive‑Reisen für besondere Leistungen zur Verfügung gestellt werden sollte. Für die Entscheidung, in welchem Land dies verwirklicht werden sollte, war ausschlaggebend, ob dort eine Vorsteuerabzugsmöglichkeit für die damit verbundenen Aufwendungen bestand. Deshalb fragte ein österreichischer Steuerberater im Namen und Auftrag der Klägerin bei der spanischen Steuerberatungskanzlei B* an, ob die im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes in M*, das den Dienstnehmern der Klägerin in Form von Incentive‑Reisen für besondere Leistungen zur Verfügung gestellt werden solle, anfallenden spanischen Vorsteuern im Zuge eines Vorsteuererstattungsverfahrens in Spanien zurückerstattet werden könnten. Dies wurde von der spanischen Steuerberatungskanzlei mit E‑Mail vom 9. 10. 2001 unter Hinweis auf eine Einreichfrist bis längstens 30. 6. des jeweiligen Folgejahres positiv beantwortet.
Entgegen dieser Auskunft wurden die danach von der Klägerin gestellten Vorsteuerrückerstattungsanträge von den spanischen Steuerbehörden aber in erster und zweiter Instanz abgelehnt. Hätte der Geschäftsführer der Klägerin gewusst, dass in Spanien keine Möglichkeit einer Steuerrückerstattung besteht, hätte er das Projekt in einem anderen EU‑Staat verwirklicht.
Die Klägerin will den durch die unrichtige Auskunft entstandenen, mit rund EUR 160.000,‑- bezifferten Schaden gegenüber der spanischen Steuerberatungskanzlei geltend machen. Da die Beklagte ihr Ansuchen um Rechtsschutzdeckung dafür unter Hinweis auf Art 7.1.11. der ARB abgelehnt hat, begehrt die Klägerin die Feststellung der entsprechenden Rechtsschutzdeckung.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Es bestehe kein Versicherungsschutz, weil der geltend gemachte Schadenersatzanspruch unter keine versicherte Risikosparte falle. Der Anspruch sei nicht dem versicherten Risiko „Schadenersatz‑ und Straf‑Rechtsschutz für den Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich (Art 19 ARB)", sondern der nicht versicherten Risikosparte „Allgemeiner Versicherungsrechtsschutz für den Betriebsbereich gemäß Art 23.1.2. ARB" zuzuordnen. Dies ergebe sich aus der klarstellenden negativen Risikoabgrenzung nach Art 19.3.1.3. ARB, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen unter den Allgemeinen Vertragsrechtsschutz nach Art 23 ARB falle. Die Beklagte berief sich überdies auf die Leistungsausschlüsse gemäß Art 7.1.11., Art 4.3. und Art 24.1. ARB. Nach letzterer Bestimmung beziehe sich der Versicherungsschutz nur auf die in der Polizze genannte Firmenadresse der Klägerin in W*.
Die Klägerin erwiderte, sie leite ihren Deckungsanspruch nicht aus der - unstrittig nicht versicherten - Risikosparte „Allgemeiner Vertragsrechtsschutz für den Betriebsbereich gemäß Art 23.1.2. ARB" ab, sondern (primär) aus dem Rechtsschutzbaustein „Schadenersatz‑Rechtsschutz", der in der Polizze mit „Rechtsschutz im Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich (Art 19 bis 22 ARB)" bezeichnet werde. Der Risikoausschluss gemäß Art 7.1.11. ARB bestehe nicht, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung in keinem Zusammenhang mit der „Errichtung, Planung oder Finanzierung" von Gebäuden stehe. Auch der Leistungsausschluss nach Art 4.3. ARB komme nicht zum Tragen, weil für den örtlichen Geltungsbereich Art 4.1. ARB anzuwenden sei. Weiters stehe für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen die spanische Steuerberatungskanzlei der Wahlgerichtsstand des Art 5 Z 1 lit b EuGVVO zur Verfügung, sodass auch die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes gegeben sei. Davon, dass im Rahmen des Schadenersatzrechtsschutzes über das Erfüllungsinteresse hinausgehende vertragliche Schadenersatzansprüche gemäß Art 19.3.1.3 ARB nicht versichert würden, sei bei Versicherungsabschluss keine Rede gewesen. Vielmehr sei auf die Deckung sämtlicher Schadenersatzansprüche hingewiesen worden. Es werde daher die Nichtgeltung der Ausschlussklausel des Art 19.3.1.3. ARB wegen Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit, insbesondere auch nach § 864a ABGB eingewendet.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die von der Klägerin beabsichtigte Klagsführung sei nicht aussichtslos, weil die entgeltlich erteilte Auskunft der spanischen Steuerberatungskanzlei eindeutig falsch gewesen sei. Die Klägerin könne keinen Versicherungsschutz aus dem versicherten Risiko „Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete" in Anspruch nehmen, weil sich dieser nur auf die Geschäftsanschrift der Klägerin in W* beziehe. Zu bejahen sei aber der Versicherungsschutz auf Grund des vereinbarten Versicherungsbausteines „Schadenersatz‑ und Straf‑Rechtsschutz für den Privat‑, Berufs- und Betriebsbereich". Die Risikoausschlüsse gemäß Art 7.1.11. und Art 4.3. ARB lägen nicht vor.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Die Rechtsschutzversicherung enthalte keine Allgefahrendeckung. Nach dem Prinzip der Spezialität der versicherten Gefahr stehe nur das vom Versicherungsnehmer ausgewählte und im Vertrag näher umschriebene Risiko unter Versicherungsschutz. Nach der Systematik der ARB werde der Versicherungsschutz von den Gemeinsamen und Besonderen Bestimmungen zusammen beschrieben. Die Besonderen Bestimmungen behandelten in den Art 17 bis 25 die versicherbaren Risiko‑ und Rechtsbereiche, die sogenannten Rechtsschutz‑Bausteine. Im Interesse einer einheitlichen Einteilung der versicherbaren Risiken und zur Vermeidung von Problemen bei der Beurteilung und Zuordnung konkreter Versicherungsfälle sei der Abgrenzung der Deckung zwischen den einzelnen Rechtsschutz‑Bausteinen in den Musterbedingungen besonderes Augenmerk geschenkt worden. Sie erfolge nicht nur im Wege der positiven Deckungsbeschreibung, sondern dort, wo das zur Vermeidung von Deckungsüberschneidungen notwendig gewesen sei, zusätzlich durch „Deckungsabgrenzungsausschlüsse". Diese hätten (im Gegensatz zu Risikoausschlüssen im engeren Sinn) nur die Aufgabe, bestimmte Risiken aus einem Baustein auszugliedern, um sie einem anderen zuzuordnen. Auf diese (eingeschränkte) Funktion wiesen sowohl der jeweilige Einleitungssatz („zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutzbausteinen umfasst der Versicherungsschutz nicht ...") als auch der Querverweis am Ende des jeweiligen Ausschlusses („versicherbar in ...") deutlich hin. Der jeweilige Deckungsausschluss greife daher auch nur dann, wenn das betroffene Risiko nach der positiven Deckungsbeschreibung des anderen Bausteines, dem die Deckung durch Querverweis zugewiesen worden sei, grundsätzlich versicherbar sei. Unbeachtlich sei dagegen, ob der betreffende Rechtsschutzbaustein auch tatsächlich versichert sei oder nicht. Abzustellen sei ausschließlich auf versicherbare Risiko‑ und Rechtsbereiche. Der von den Streitteilen abgeschlossene Rechtsschutzversicherungsvertrag umfasse den Rechtsschutz im Privat‑, Berufs- und Betriebsbereich (Art 19 bis 22 der ARB) sowie den Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz für den Privatbereich (Art 23.1.1. ARB). Die positive Deckungsumschreibung des Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutzes in Art 23.2.1.1. ARB 1988 („Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers ...") habe nur die Geltendmachung und Abwehr von Erfüllungsansprüchen und Erfüllungssurrogaten umfasst. Die ARB 1997 ergänzten diese Deckungsbechreibung in Art 23.2.1. Abs 2 und erklärten ausdrücklich auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstünden und über das Erfüllungsinteresse hinausgingen sowie die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstünden, zum Gegenstand der Deckung im Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz. Im Allgemeinen Schadenersatz‑Rechtsschutz beschreibe Art 19.2.1. ARB den Versicherungsschutz positiv mit der „Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes wegen eines erlittenen Personen‑, Sach‑ oder Vermögensschadens". Art 19.3.1.3 ARB schließe zur Vermeidung von Überschneidungen mit dem Rechtsschutz‑Baustein „Allgemeiner Vertrags‑Rechtsschutz" drei Tatbestände aus: 1. die Geltendmachung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen (Erfüllungsansprüche und Erfüllungssurrogate), 2. die Geltendmachung von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstünden und über das Erfüllungsinteresse hinausgingen und 3. die Geltendmachung von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstünden.
Die Klägerin begehre Versicherungsdeckung für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches gegen die spanische Steuerberatungskanzlei wegen unrichtiger Beratung auf Grund eines mit dieser geschlossenen entgeltlichen Vertrages. Der Schaden liege in den - entgegen der Auskunft der Kanzlei - in Spanien nicht refundierten Vorsteuerabzugsbeträgen. Es sollten somit Ansprüche wegen reiner Vermögensschäden geltend gemacht werden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstanden seien und über das Erfüllungsinteresse hinausgingen. Dieser Anspruch falle auf Grund des völlig eindeutigen Deckungsausschlusses des Art 19.3.1.3 ARB nicht unter den Schadenersatz‑Rechtsschutz des Art 19 ARB, sondern unter den Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz des Art 23 ARB. Die Frage der Vorsteuerabzugsfähigkeit von Ausgaben im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes durch die Klägerin für Incentive‑Reisen ihrer Mitarbeiter beziehe sich überdies eindeutig auf den - nicht versicherten - Betriebsbereich der Klägerin, sodass kein Versicherungsschutz auf Grund des vereinbarten Firmenrechtsschutzes bestehe.
Wende man die zu § 864a ABGB in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze an, könne die Klausel des Art 19.3.1.3. ARB 1997 weder als ungewöhnlich noch als überraschend angesehen werden. Sie ermögliche über eine eindeutige Fixierung des jeweils versicherten Risikos die Festlegung risikogerechter Prämien. Die Klausel sei auch keineswegs „versteckt", sondern finde sich an jener Stelle, an der der durchschnittlich sorgfältige Leser sie vermuten würde, nämlich bei der inhaltlichen Beschreibung des Bausteines „Schadenersatz- und Straf‑Rechtsschutz für den Privat‑, Berufs- und Betriebsbereich". Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Klausel auch nicht nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig, sondern halte einer Inhaltskontrolle stand. Durch die Klausel würden lediglich bestimmte Risiken aus einem Baustein ausgegliedert, um sie einem anderen zuzuordnen. Der Klägerin wäre es ohne weiteres frei gestanden, auch den „Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich" mitzuversichern. Worin eine gröbliche Benachteiligung der Klägerin durch die betreffende Klausel liegen solle, sei nicht erkennbar.
Aus dem vereinbarten Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete könne die Klägerin schon deshalb keinen Deckungsanspruch ableiten, weil sich der vereinbarte Versicherungsschutz nur auf das in der Polizze bezeichnete Objekt, den Firmensitz der Klägerin in W*, und nicht auf das Gebäude in Spanien beziehe. Da der Schadensfall daher unter kein versichertes Risiko falle, sei die Beklagte nicht zur Deckung verpflichtet, ohne dass noch geprüft werden müsse, ob die von der Beklagten behaupteten Risikoausschlüsse nach Art 7.1.11. und Art 4.3. der ARB 1997 zum Tragen kämen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,‑- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Art 19 ARB 97 und zur Abgrenzung von Schadenersatz‑Rechtsschutz und Allgemeinem Vertrags‑Rechtsschutz nach Art 19 und Art 23 ARB 97 fehle.
Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren in Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Ausführungen der Revisionswerberin sind nicht stichhältig, die damit bekämpften, hier (etwas zusammengefasst) wiedergegebenen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles hingegen in allen entscheidungsrelevanten Punkten - sowohl im Ergebnis, als auch in der methodischen Ableitung - zutreffend. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Entscheidungsbegründung der zweiten Instanz hinzuweisen und diese - auf die Rechtsrüge der Klägerin bezugnehmend - lediglich wie folgt zu ergänzen:
Die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (hier die ARB 97) decken wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit sowie der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete ab (vgl Stahl in Harbauer, Rechtsschutzversicherung7, Vor § 21 ARB 1975 Rn 1 und Kronsteiner, Die neuen Musterbedingungen in der Rechtsschutz‑Versicherung, VR 1994, 172 [176f]; 7 Ob 65/97b). Eine universelle Gefahrenübernahme, bei der der Versicherer jeden beliebigen Bedarf des Versicherungsnehmers nach Rechtsschutz decken müsste, wäre wegen des für den Versicherer kaum überschaubaren und zu kalkulierenden Risikos für viele Versicherungsnehmer zu teuer (Stahl aaO) und ist daher in Österreich (ebenso wie in Deutschland) nicht gebräuchlich (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 443 mwN). Dementsprechend werden im ersten Teil der ARB 1997 (ebenso wie schon in den ARB 1988), und zwar in den für alle Rechtsschutzversicherungsarten „Gemeinsamen Bestimmungen" der Art 1 bis 16 die Grundlage des Rechtsschutzversicherungsvertrages sowie Fragen, die für alle versicherbaren Risken von Bedeutung sind, behandelt, wobei auf Abweichungen in den „Besonderen Bestimmungen" jeweils hingewiesen wird. Dem gegenüber enthalten die Besonderen Bestimmungen in den Art 17 bis 25 ARB die sogenannten „Rechtsschutzbausteine", die jeweils die Eigenschaften und Rechtsgebiete, für die Versicherungsschutz besteht, beschreiben. Ergänzt wird diese Bestimmung in den einzelnen Bausteinen durch spezifische Obliegenheiten, Risikoausschlüsse und Wartefristen. Angeboten werden diese Rechtsschutzbausteine teils einzeln, teils in Form von Rechtsschutzkombinationen („Paketen"), deren Zusammensetzung im Tarif geregelt ist. Der Versicherungsnehmer hat die Möglichkeit, das für ihn passende, typisierte Paket oder mehrere davon auszuwählen (vgl Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung7 Vor § 1 ARB 75 Rn 42 ff und Schauer aaO; 7 Ob 65/97b).
Die Klägerin wendet sich vor allem gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Risikoausschlussklausel („Deckungsabgrenzungsausschlusskausel") Art 19.3.1.3. der ARB 97 sei weder ungewöhnlich noch überraschend und auch nicht nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, bei objektiv‑systematischer Betrachtung wäre eine abschließende Regelung des Schadenersatz‑Rechtsschutzbereiches in Art 19 ARB 1997 zu erwarten; eine Ausgliederung eines wesentlichen Teiles des Schadenersatzes und Zuordnung zu einem „artfremden" Rechtsschutz‑Baustein sei für den Versicherungsnehmer verwirrend. Entgegen diesen Ausführungen hält der betreffende Deckungsausschluss (vgl Kronsteiner/Lafenthaler, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung [ARB 1994], 157) sowohl der Geltungskontrolle des § 864a ABGB als auch der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB stand:
Nach der der Inhaltskontrolle vorangehenden (1 Ob 581/83, SZ 56/62; 1 Ob 638/94, RdW 1995, 258 ua; Bollenberger in KBB2, § 864a Rz 9) Geltungskontrolle nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hätte den anderen besonders darauf hingewiesen. Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen diese Vorschrift, so gilt der Vertrag ohne sie (Rummel in Rummel, ABGB3 § 864a Rz 9 mwN). Als objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel dann zu beurteilen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Einer solchen Vertragsbestimmung muss somit ein Überrumpelungs‑ oder gar Übertölpelungseffekt innewohnen (1 Ob 567/87, SZ 60/52 = wbl 1987, 241 = RdW 1987, 406 uva; RIS‑Justiz RS0014646). Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist ein solcher Überrumpelungs‑ oder Übertölpelungseffekt hier zu verneinen. Einer - aus Gründen der Einfachheit zu begrüßenden - Zuordnung sämtlicher Rechtsschutzsparten, die Schadenersatzansprüche betreffen, in einen einzigen „Baustein" steht die - auch einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer durchaus einsehbare - Notwendigkeit entgegen, besonders risikoträchtige Bereiche aus dem allgemeinen Schadenersatz‑Rechtsschutz auszuklammern, um eine im Interesse der Mehrheit der Versicherungsnehmer liegende, differenziertere Prämiengestaltung zu ermöglichen. Zutreffend hat auch schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass sich die Klausel keineswegs an „versteckter" Stelle befindet, sondern dort steht, wo sie ein durchschnittlich sorgfältiger Leser der Versicherungsbedingungen vermuten würde, nämlich innerhalb des Bausteines „Schadenersatz‑ und Straf‑Rechtsschutz für den Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich." Auch die Einordnung in das Gesamtgefüge der ARB 97 kann daher den von der Klägerin erhobenen Vorwurf der Ungewöhnlichkeit dieser Klausel nicht stützen.
Da die betreffende Klausel sachlich gerechtfertigt ist, kann sie weiters auch nicht im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB als die Versicherungsnehmer gröblich benachteiligend angesehen werden. Eine gröbliche Benachteiligung ist dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (1 Ob 581/83, JBl 1983, 534 = EvBl 1983/129 uva). Davon kann hier keine Rede sein, zumal es der Klägerin - worauf schon das Berufungsgericht richtig hingewiesen hat - freigestanden wäre, auch den „Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich" mitzuversichern.
Die Revisionswerberin meint weiters, selbst für den - demnach also gegebenen - Fall, dass Art 19.3.1.3. ARB 1997 nicht im Sinn des § 864a ABGB überraschend und ungewöhnlich oder nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei, wäre ihrem Deckungsanspruch im Hinblick auf § 915 ABGB stattzugeben, da für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unklar bleiben müsse, was unter „reinen Vermögensschäden" zu verstehen sei. Es handelt sich dabei um einen Ausdruck, mit dem die Rechtssprache einen fest umrissenen Begriff verbindet, nämlich Schäden, die weder durch einen (versicherten) Personenschaden noch durch einen (versicherten) Sachschaden entstanden sind (7 Ob 257/06d ua) und der vom durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer nicht anders verstanden werden kann. Es ist daher aus der Auslegungsregel, dass Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers gehen, nichts für die Revisionswerberin zu gewinnen.
Dem Einwand der Revisionswerberin, Versicherungsdeckung müsse auch deshalb gewährt werden, weil der mit der Beklagten vereinbarte Versicherungsschutz auch den „Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz für den Privatbereich" nach Art 23.1.1. der ARB 1997 umfasse und sie als juristische Person keinen „Privatbereich" habe, ist entgegenzuhalten: Aus dem Fehlen eines Privatbereichs kann nach der erläuterten Systematik der Rechtsschutz‑Versicherungsbedingungen keineswegs zwingend auf Versicherungsdeckung im (einem anderen Baustein zugeordneten) Betriebsbereich geschlossen werden. Die Versicherung auch einer für die Klägerin praktisch weitgehend nutzlosen Sparte erklärt sich aus dem schon erwähnten Umstand, dass Rechtsschutz‑Bausteine nicht nur einzeln, sondern auch in Form von Rechtsschutzkombinationen („Paketen") angeboten werden. Ein solches „Paket" wurde von der Klägerin gewählt.
Eine von der Revisionswerberin weiters behauptete Anspruchsdeckung aus dem von ihr vereinbarten Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete (GMRS) nach Art 24 ARB muss - wie schon beide Vorinstanzen erkannt haben - daran scheitern, dass in der (auch insofern mit dem Versicherungsantrag völlig übereinstimmenden) Polizze als versichertes Objekt nur der Firmensitz der Klägerin in W*, nicht aber das Gebäude in M* aufscheint. Ein in diesem Zusammenhang von der Revisionswerberin geltend gemachter Beratungsfehler der Mitarbeiterin der Beklagten ist schon deshalb zu verneinen, weil zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches die Idee der Errichtung des Gebäudes in M* zu „Incentive‑Zwecken" (um die Mitarbeiter der Klägerin durch dortige Urlaubsaufenthalte zu motivieren oder zu belohnen) noch gar nicht geboren war und weiters feststeht, dass das Projekt, hätte der Geschäftsführer der Klägerin gewusst, dass in Spanien keine Möglichkeit der Steuerrückerstattung besteht, in einem anderen EU‑Staat verwirklicht worden wäre. Im Übrigen muss der Versicherer nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das Versicherungsbedürfnis seines Versicherungsnehmers voll abdecken (RIS‑Justiz RS0080898) und es kann ein Versicherungsnehmer auch nicht erwarten, dass jedes erdenkbare Risiko in den Schutzbereich der Versicherung fällt (7 Ob 14/90, SZ 63/64 ua). Der Versicherer muss allerdings Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen. Es besteht daher eine Aufklärungspflicht speziell etwa über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade dafür anstrebt (7 Ob 49/06s ua). Eine solche Situation lag aber hier nicht vor.
Da sich die Ablehnung des von der Klägerin geltend gemachten Deckungsanspruches durch das Berufungsgericht demnach frei von Rechtsirrtum erweist, muss auf die Ausführungen der Revisionswerberin zu den von der Beklagten noch ins Treffen geführten Risikoausschlüssen nach Art 4.3. und Art 7.1.11. der ARB 97 nicht mehr eingegangen werden.
Schließlich liegt auch die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die im Zusammenhang mit einer behaupteten Anerkennung des begehrten Versicherungsschutzes durch die Beklagte im Rahmen des Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutzes geltend gemacht wurde ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO) - nicht vor. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte begehrt gemäß § 21 Abs 1 RATG einen Honorarzuschlag von 100 % gegenüber dem tariflichen Ansatz. Dass die Vertretungsleistung ihres Rechtsfreundes, insbesondere nach der Qualität, aber auch nach dem an § 41 Abs 1 ZPO (notwendig und zweckmäßig) zu messenden Gesamtumfang den Durchschnitt erheblich überstiegen hätte (vgl Obermaier, Das Kostenhandbuch, Rz 549), ist aber nicht zu erkennen. Die Revisionsbeantwortung umfasst insgesamt 14 Seiten und wiederholt zum Teil nur jene Berufungsausführungen zu den Risikoausschlüssen nach Art 7.1.11. und Art 4.3. ARB 1997, die sich als nicht mehr entscheidungserheblich erwiesen haben.
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