OGH 7Ob188/04d

OGH7Ob188/04d8.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann S*****, und 2.) Hedwig S*****, beide vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Z*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, wegen EUR 4.400,-- (sA) und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 5.400,- -), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 12. Mai 2004, GZ 22 R 138/04g-26, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Bezirksgerichtes Peuerbach vom 8. März 2004, GZ C 514/03 v-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit EUR 439,72 (darin enthalten EUR 73,29 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22. 10. 1991 wurde der damals 3 ½ Jahre alte Sohn der Kläger beim Spielen auf dem Hof der Nachbarn von einem ungesichert aufgestellten landwirtschaftlichen Gerät, das umstürzte, schwer verletzt. Die Nachbarn wurden deshalb rechtskräftig zu einer Ersatzleistung von (umgerechnet) EUR 40.476,32 (zuzüglich Zinsen und Kosten) verurteilt; weiters wurde die Haftung der Nachbarn für die künftigen Unfallsfolgen des mj Sohnes der Kläger festgestellt.

In einem weiteren Rechtsstreit begehrten daraufhin die Nachbarn mit der Behauptung, die nunmehrigen Kläger (dort Beklagten) hätten damals ihre Aufsichtspflicht gegenüber ihrem mj Sohn verletzt, die Feststellung, dass ihnen die Kläger 50 % der von ihnen an deren mj Sohn zu leistenden Zahlungen zu ersetzen hätten. Die Zweitklägerin wurde schließlich im Sinne dieses Klagebegehrens rechtskräftig verurteilt (2 Ob 154/02i). Das Verfahren gegen den Erstkläger ist noch nicht abgeschlossen.

Die Kläger sind im Rahmen einer Haushaltsversicherung/Bündelversicherung bei der beklagten Partei privathaftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH), Fassung 1984, zugrunde, deren hier maßgeblichen Bestimmungen lauten:

Abschnitt III

Haftpflichtversicherung

Art. 15

Versicherungsfall und Versicherungsschutz

(1) Versicherungsfall

Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko (Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse des Versicherungsnehmers als Privatperson) entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Abs. 2) erwachsen oder erwachsen könnten.

(2) Versicherungsschutz

a) Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

aa) die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen (Schadenersatzverpflichtungen);

bb) die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art. 20 (5).

...

Art. 21

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

...

(5) Es besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden von Angehörigen des Versicherungsnehmers (als Angehörige gelten der Ehegatte, Verwandte in gerader aufsteigender und absteigender Linie, Schwieger-, Adoptiv- und Stiefeltern, im gemeinsamen Haushalt lebende Geschwister).

...

Im gegenständlichen Verfahren begehren die Kläger die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die von den Nachbarn auf Grund des Vorfalls vom 22. 10. 1991 erhobenen Regressansprüche. Von der Zweitklägerin, die den Nachbarn bereits insgesamt (an Kapital, Zinsen und Kosten) EUR 26.744,47 bezahlt hat, wird dazu auch noch die Zahlung von EUR 4.400,- - (sA) aus der Haftpflichtversicherung gefordert.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie sei leistungsfrei, da der Risikoausschluss betreffend Schäden von Angehörigen gemäß Art 21 (5) ABH auch eingreife, wenn von in Anspruch genommenen Dritten Regressansprüche (gegen den Haftpflichtversicherten) erhoben würden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den Klägern gegenüber sei kein Schadenersatzanspruch ihres Sohnes, der auf die Schädiger (Nachbarn) übergegangen wäre, geltend gemacht worden, sondern ein (eigener) Regressanspruch der Dritten (Nachbarn). Auf einen solchen Anspruch sei aber der Deckungsausschluss des Art 21 Abs 5, der sich nur auf Direktansprüche zwischen Angehörigen beziehe, nicht anzuwenden.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es sowohl das Feststellungsbegehren beider Kläger als auch das Leistungsbegehren der Zweitklägerin abwies, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils EUR 4.000,- - übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen sich dahin zusammenfassen, dass nach Art 21 Abs 5 ABH für Schäden, die Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt würden, ebenso wenig Versicherungsschutz bestehe, wie für Schäden des Versicherungsnehmers selbst. Ausgeschlossen seien daher jedenfalls Haftpflichtansprüche aus Schadensfällen von Angehörigen, aber auch Ansprüche Dritter, die aus solchen Schadensfällen unmittelbar (originär) entstünden. Lege man Art 15 und 21 Abs 5 ABH in ihrem Zusammenhalt aus, müsse ein Versicherungsnehmer nach dem Zweck der Bestimmung erwarten, dass der Versicherer keine Deckung von Personen-, Sach- oder Vermögensschäden übernehme, die dem Versicherungsnehmer "aus Schäden von Angehörigen" erwüchsen. Nach dem einem objektiven Betrachter erkennbaren Zweck der Bestimmung solle der genannte Risikoausschluss daher eine Deckung des Versicherers ausschließen, wenn einem Versicherungsnehmer aus der Schädigung eines Angehörigen Schadenersatzverpflichtungen erwüchsen. Regressansprüche Dritter seien zwar nicht - im engeren Sinne - "Schadenersatzverpflichtungen", doch müsse auch hier gelten, dass - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach zu Art 4 lit b AKHB ausgesprochen habe - unter den Risikoausschluss jene Ansprüche fielen, "bei welchen das die Haftung auslösende Moment in der Person des Angehörigen selbst eingetreten ist". Hier sei das die Haftung der Kläger auslösende Moment in der Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber ihrem mj Sohn gelegen. Die Ausschlussklausel des Art 21 Abs 5 ABH stelle weder auf die Person des Anspruchstellers ab, noch auf denjenigen, der infolge Ersatzleistung den Schaden getragen habe. Der Oberste Gerichtshof habe auch die Angehörigenklausel des Art 7.6.5. AHVB 1978 dahin ausgelegt, dass es darauf ankomme, wen der Schaden ursprünglich getroffen habe und nicht darauf, wer ihn infolge Ersatzleistung letzten Endes getragen habe. Genauso wie § 67 Abs 1 VersVG ungeachtet der dort gebrauchten Wendung "Schadenersatzanspruch" auch Rückgriffs- und Ausgleichsansprüche erfasse, müsse auch der Risikoausschluss "aus Schäden von Angehörigen des Versicherungsnehmers" für solche Ansprüche gelten, die zwar nicht direkt vom Angehörigen erhoben würden, bei welchen aber das die Haftung auslösende Moment in der Person des Angehörigen eingetreten sei. Hier habe der Schaden ursprünglich den Sohn der Kläger als deren Angehörigen getroffen. In Ermangelung einer Deckungspflicht der Beklagten sei daher sowohl das Feststellungs- als auch das Leistungsbegehren abzuweisen gewesen.

Die ordentliche Revision sei nach § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen gewesen, weil der Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende rechtserhebliche Bedeutung beizumessen sei und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehle, ob die Angehörigenklausel auch auf Regressansprüche Dritter anzuwenden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger, die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend machen und beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass den Klagebegehren Folge gegeben (also das Ersturteil wiederhergestellt) werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Da der erkennende Senat die Revisionsausführungen für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hingegen für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen und sie - bezugnehmend auf die Rechtsrüge der Kläger - lediglich wie folgt kurz zu ergänzen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO):

Die Kläger wenden gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes im Wesentlichen ein, gegen sie sei nicht ein auf einen Dritten (die Nachbarn) übergegangener Schadenersatzanspruch ihres Sohnes, sondern ein eigener originärer, auf einen völlig anderen Rechtsgrund gestützter Anspruch eines Dritten (der Nachbarn) erhoben worden, den es abzuwehren gelte. Dem entsprechend sei der von Beklagtenseite allein eingewendete Artikel 21 Abs 5 ABH hier nicht anwendbar, der Versicherungsschutz nur für Schäden ausschließe, die von einem Angehörigen des Versicherungsnehmers diesem gegenüber originär geltend gemacht würden.

Damit wird die genannte Versicherungsbedingung von den Revisionswerbern unrichtig interpretiert. Nach stRsp sind die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). Es ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (VR 1990, 57 = RdW 1989, 329 [Schauer]; VR 1992, 88; ecolex 1994, 610; 7 Ob 147/00v; 7 Ob 41/01g; 7 Ob 73/02i; 7 Ob 160/03k uva). Von Art 21 Abs 5 ABH wird aus naheliegenden Gründen bezweckt, den Versicherungsschutz für Schäden, die Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt werden, ebenso auszuschließen wie für Schäden des Versicherungsnehmers selbst. Da nach dem Wortlaut dieser Bestimmung Haftpflichtansprüche "aus Schäden von Angehörigen des Versicherungsnehmers" und nicht nur Ansprüche dieser Personen ausgeschlossen werden, bedeutet dies, dass auch Ansprüche Dritter, die aus solchen Schadensfällen unmittelbar (originär) entstehen, unter den Ausschluss fallen (vgl Voit/Knappmann in Prölss/Martin VVG27 Rz 89 zu § 4 AHB zur ganz vergleichbaren Bestimmung des § 4 II. 2. a) AHB).

Aus den in der Entscheidung 7 Ob 57/87, SZ 60/268 = JBl 1988, 385 = VersR 1989, 314 angestellten Erwägungen muss auch hier eine sachgerechte Auslegung des gegenständlichen Risikoausschlusses zur Ansicht führen, dass es darauf ankommt, wer ursprünglich geschädigt wurde und nicht darauf, wer den Schaden infolge Ersatzleistung zu tragen hatte. Übereinstimmend mit deutschen Lehrmeinungen zur (wie bereits gesagt ganz vergleichbaren) Bestimmung des § 4 II. 2. AHB (Wussow, AHB8 § 4 Anm 84; Kuwert, Allgemeine Haftpflichtversicherung - Leitfaden durch die AHB3 Rz 4167 ff; Späte, Haftpflichtversicherung, AHB-Komm § 4 Rn 221) ist der Risikoausschluss des Art 21 Abs 5 ABH daher auch für Ansprüche anzunehmen, die Dritte im Regresswege gegen den Versicherungsnehmer geltend machen, weil sie aus Gründen des Schadenfalles des Angehörigen zu Leistungen verpflichtet worden sind.

Da sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, für den klagsgegenständlichen Regressanspruch der Nachbarn bestehe gemäß Art 21 Abs 5 ABH keine Versicherungsdeckung, demnach frei von Rechtsirrtum erweist, muss die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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