OGH 7Ob157/06y

OGH7Ob157/06y5.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anika K*****, vertreten durch Goldsteiner & Strebinger Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Alexander S*****, vertreten durch Dr. Ernst Schillhammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 148.700 sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2006, GZ 13 R 190/05i-33, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Beschluss

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern (SZ 54/133; SZ 60/176; SZ 72/2; 2 Ob 109/03y). Dies gilt nicht nur für Kampfsportarten, sondern auch für sonstige Sportarten, bei denen es wegen des notwendigen Naheverhältnisses der Teilnehmer zueinander oder zu den dabei verwendeten Sportgeräten zu Gefährdungen oder zu Verletzungen der Teilnehmer kommen kann. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, wie etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden sonst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt (2 Ob 109/03y mwH). In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens aufgrund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden (Koziol, Haftpflichtrecht³ I Rz 4/39; SZ 72/2; zu allem jüngst: 8 Ob 26/06s).

Der Rechtsmittelwerber macht als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung - zusammengefasst - geltend, das Berufungsgericht habe die zum „Handeln auf eigene Gefahr" entwickelte Rechtsprechung nicht ausreichend beachtet und dadurch ein „unvertretbares Auslegungsergebnis" erzielt.

Dem ist entgegen zu halten, dass der Oberste Gerichtshof auch schon ausgeprochen hat, die eingangs wiedergegebenen Rechtssätze seien dann nicht ohne Weiteres anwendbar, wenn der/die Verletzte sich im Unfallszeitpunkt (zwar) auf der für die Sportausübung vorgesehenen Fläche aufhielt, an dem Wettkampf oder wettkampfähnlichen Spiel oder einer gegeneinander oder auch nur gemeinsam ausgeführten Sportart (aber) nicht teilgenommen hat (6 Ob 76/05b). Davon ist nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen auszugehen:

Befand sich doch die Klägerin, die keine Waffe trug und statt einer Tarnhose Jeans anhatte, nur deshalb auf dem Spielfeld des kriegerischen „Paintballmatches", weil sie von den Teilnehmern - also auch von dem bei vorangehender Besprechung anwesenden Beklagten - gebeten worden war, Fotos vom Spiel zu machen. Sämtlichen Mitspielern war daher bekannt, dass sie sich (wie der Revisionswerber selbst zugesteht) nur auf „Motiv- bzw Schnappschusssuche" befand, als sie durch eine vom Beklagten abgefeuerte Paintballkugel am Auge getroffen und schwer verletzt wurde; wobei der Beklagte (auch) durchaus hätte erkennen können, dass es sich bei seiner „Zielperson" nicht um einen Mitspieler handelte, wäre er nicht so sehr nur auf das „Kampfgeschehen" bzw die Schussabgabe konzentriert gewesen. Soweit die Revisionsausführungen demgegenüber zugrunde legen, die Klägerin habe am „Paint-Ball-Spiel" auf ihr eigenes Risiko teilgenommen (Seite 4 der ao Revision), entfernen sie sich von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung und sind daher nicht weiter zu behandeln. Davon abgesehen kann die Beurteilung des Verschuldensgrads und das Ausmaß eines Mitverschuldens wegen seiner Einzelfallbezogenheit regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS-Justiz RS0044262; RS0087606; jüngst: 9 Ob 3/06s). Dazu gehört auch der Umfang der vom Beklagten zu vertretenden Verstoßes gegen die gegenüber der Klägerin bestehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten (vgl RIS-Justiz RS0021095 [T10]; RS0029874). Der Oberste Gerichtshof soll - wie er bereits vielfach ausgesprochen hat - von grundsätzlichen Fragen abgesehen nur dann befasst werden, wenn das behandelte Rechtsproblem potenziell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt, also über den konkreten Einzelfall hinaus eine beispielhafte Bedeutung hat (jüngst: 7 Ob 52/06g mwN).

Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO liegen daher nicht vor. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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