OGH 7Ob152/11w

OGH7Ob152/11w7.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der minderjährigen Bewohnerin M***** B*****, geboren am *****, per Adresse *****, vertreten durch die Bewohnervertreterin Mag. A***** N*****, per Adresse V*****, diese vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung ***** GmbH, K***** S*****, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 16. Juni 2011, GZ 21 R 202/11v-13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. April 2011, GZ 36 Ha 2/11f-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss, mit dem freiheitsbeschränkende Maßnahmen für unzulässig erklärt wurden. Dieser Beschluss des Rekursgerichts wurde dem Leiter der Einrichtung durch Hinterlegung am 5. 7. 2011 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Dessen Revisionsrekurs wurde am 18. 7. 2011 beim Erstgericht überreicht.

Gemäß § 16 Abs 2 HeimAufG kann der Leiter der Einrichtung gegen einen Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, innerhalb von 7 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Bereits zu 10 Ob 49/06p hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf Barth/Engel, Heimrecht, § 16 HeimAufG Anm 7 und Zierl, Heimrecht, 165, die Rechtsansicht vertreten, dass die Revisionsrekursfrist wie die Rekursfrist für den Leiter der Einrichtung 7 Tage betrage. In seiner Entscheidung 9 Ob 103/06x (= RIS-Justiz RS0121356) hat der Oberste Gerichtshof abermals ausgesprochen, dass die 7-tägige Frist auch für den Revisionsrekurs gelte, was sich insbesondere aus § 16 Abs 3 Satz 2 HeimAufG ergebe, der die 7-tägige Frist sowohl für die Rekursbeantwortung als auch für die Revisionsrekursbeantwortung vorsehe. Diese Entscheidung wurde von Kopetzki in iFamZ 2007/74 kritisiert: Man hätte genauso gut einen Umkehrschluss ziehen können, dass nämlich der Gesetzgeber ansonsten mit dem Begriff „Rekurs“ nicht auch den Revisionsrekurs meine und dass daher die für den Einrichtungsleiter geltende verkürzte 7-tägige Rekursfrist des § 16 Abs 2 HeimAufG nicht auf den Revisionsrekurs zu übertragen sei, sondern, dass hier die allgemeine Bestimmung des § 65 Abs 1 AußStrG mit einer 14-tägigen Revisionsrekursfrist Geltung habe.

In der Entscheidung 8 Ob 64/10k ist der Oberste Gerichtshof von der zitierten Rechtsprechung abgewichen. Angesichts einer ausdrücklich auf die Gegenschrift begrenzten Sonderregelung sei davon auszugehen, dass sie der Gesetzgeber auf den Revisionsrekurs des Einrichtungsleiters bewusst nicht habe anwenden wollen. Da Gegenstand eines solchen Revisionsrekurses nur eine Maßnahme sein könne, die von den Vorinstanzen für unzulässig erklärt worden sei, bestehe zur Wahrung des Bewohnerrechtsschutzes keine Notwendigkeit für eine besonders knappe Frist. Es sei daher keine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen. Dafür spreche auch § 19a HeimAufG, der für das Verfahren über eine nachträgliche Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen die Rekursfrist von 14 Tagen vorsehe. Die Entscheidung verwies auf Engel, Die Änderungen im Unterbringungsgesetz durch die Ub-HeimAuf-Novelle 2010 in iFamZ 2010, 202 [204], der in seiner dort enthaltenen Aufstellung über „Fristen im gerichtlichen Verfahren - Gegenüberstellung UbG/HeimAufG“ohne weitere Begründung - generell eine 14-tägige Frist für den Revisionsrekurs nennt.

Der nunmehr für Verfahren nach dem UbG und dem HeimAufG zuständige Fachsenat hat dazu erwogen:

In § 17a HeimAufG wird durch die Ub-HeimAuf-Novelle 2010 das Revisionsrekursverfahren gesondert geregelt. Demnach haben die §§ 16 Abs 3 und 17 Abs 3 HeimAufG sinngemäß zu gelten. Diese Sonderregelung spricht gegen das Zurückgreifen auf die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes im Sinn des § 11 Abs 3 HeimAufG. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er anlässlich der zitierten Novelle nicht in Kenntnis der (damals einhelligen) Judikatur (10 Ob 49/06p und 9 Ob 103/06x) gewesen ist. Dennoch wurde (weiterhin) normiert, dass die Revisionsrekursbeantwortung im Hinblick auf den Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung 7 Tage ab Zustellung des Rechtsmittels beträgt. Die Frist für den Revisionsrekurs des Heimleiters selbst wurde zwar neuerlich nicht ausdrücklich geregelt. Es ist aber kein Grund erkennbar, dass der Gesetzgeber die Frist für den Revisionsrekurs und seine Beantwortung unterschiedlich regeln wollte. Der Gesetzgeber verkürzte die im Regelfall für das außerstreitige Verfahren und auch im HeimAufG selbst (§ 16 Abs 1) normierten 14-tägigen Rechtsmittelfristen in dem Sonderfall, dass der Leiter der Einrichtung die ausgesprochene Unzulässigkeit einer - noch aktuellen - freiheitsbeschränkenden Maßnahme bekämpft, auf 7 Tage, und zwar ausdrücklich sowohl für dessen Rekurs, für die Beantwortung dessen Rekurses und für die Beantwortung dessen Revisionsrekurses. Der Gesetzgeber sah also offensichtlich die Herstellung von Rechtsklarheit speziell in jenem Fall als besonders dringlich an, in dem eine vom Pflegepersonal (vgl § 5 HeimAufG) und vom Leiter der Einrichtung (vgl § 7 HeimAufG) eine zur Gefahrenabwehr notwendig erachtete freiheitsbeschränkende Maßnahme (die ja vor einer ernstlichen Selbst- oder Fremdgefährdung schützen soll; vgl § 4 HeimAufG) gegen den Willen des Leiters der Einrichtung vom Gericht aufgehoben wird. Dafür, dass es dennoch und trotz Verkürzung aller sonstigen für die Rechtsmittelschriftsätze in diesem dringlichen Sonderfall auf 7 Tage verkürzten Fristen allein beim Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung bei der Grundregel der 14-tägigen Frist verbleiben sollte, gibt es keine sinnvolle Erklärung. Entgegen der Kritik von Kopetzki ist aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber das Revisionsrekursverfahren in Form eines Verweises auf die Bestimmungen über das Rekursverfahren regelte, davon auszugehen, dass es auf Grund eines bloßen Redaktionsversehens unterlassen wurde, in § 17a HeimAufG auch auf den ersten Satz des § 16 Abs 2 HeimAufG zu verweisen oder einen entsprechenden Text in § 17a HeimAufG einzufügen. Aus § 19a HeimAufG ist kein gegenteiliger Rückschluss zu ziehen, weil sich diese Bestimmung auf die nachträgliche Überprüfung einer bereits aufgehobenen Freiheitsbeschränkung bezieht, bei der naturgemäß keine besondere Eile mehr zur Abklärung geboten ist.

Da für den Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung die 7-tägige Revisionsrekursfrist zu gelten hat, ist der nach Ablauf dieser Frist überreichte Revisionsrekurs verspätet.

§ 46 Abs 3 AußStrG wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, mit 1. 7. 2011 aufgehoben (§ 207h leg cit). Diese Bestimmung ist jedoch erst dann anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 30. 6. 2011 liegt. Im vorliegenden Fall muss daher nach § 46 Abs 3 AußStrG in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 geprüft werden, ob auf ein verspätetes Rechtsmittel Bedacht genommen werden kann. Dies ist nur dann möglich, wenn die Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Auf ein verspätetes Rechtsmittel des Leiters einer Einrichtung ist gegen eine Entscheidung über die Unzulässigerklärung freiheitsbeschränkender Maßnahmen nicht Bedacht zu nehmen, weil dadurch in die Rechtsstellung des hievon betroffenen Bewohners eingegriffen würde (10 Ob 49/06p; RIS-Justiz RS0007307).

Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.

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