Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit Beschluss vom 10. 12. 2008 bestellte das Erstgericht den Rechtsanwalt Dr. Andreas R***** zum Verfahrenssachwalter gemäß § 119 AußStrG zur Vertretung in diesem Verfahren sowie zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 120 AußStrG „zur Sichtung der finanziellen Situation des Betroffenen insbes Ein- und Ausgaben der letzten Monate" (Punkte 1 und 2). Zu Punkt 3 des Beschlusses wurde auf die besondere Formvorschrift zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung hingewiesen und zu Punkt 4 ein Sachverständiger mit der Erstattung von Befund und Gutachten (unter anderem) darüber beauftragt, „ob bzw in welchem Umfang die Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen notwendig ist, weiters ob der Betroffene im August 2008 in der Lage war, den Umfang der von ihm unterfertigten Vorsorgevollmacht zu erfassen".
Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl der Betroffene als auch seine (sich auf die Vorsorgevollmacht berufende) Tochter C***** W***** Rekurs.
Das Rekursgericht gab den Rekursen teilweise dahingehend Folge, dass Punkt 3 des angefochtenen Beschlusses aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde. Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts und sprach aus, dass insoweit der Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Rekurslegitimation einer mit Vorsorgevollmacht ausgestatteten Person im eigenen Namen und zu den Fragen, ob das Pflegschaftsgericht berechtigt sei, das rechtswirksame Zustandekommen einer Vorsorgevollmacht im Rahmen eines Sachwalterschaftsverfahrens zu prüfen und ob bzw unter welchen Voraussetzungen die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht zulässig sei, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der eine unrichtige rechtliche Beurteilung in diesen Punkten geltend machende Revisionsrekurs des Betroffenen ist jedoch nicht zulässig, weil entgegen der Auffassung des Rekursgerichts keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfragen zu beantworten sind.
Die zur Zulassungsbegründung herangezogene Frage der Rekurslegitimation einer mit Vorsorgevollmacht ausgestatteten Person im eigenen Namen stellt sich nicht, weil hier über kein derartiges Rechtsmittel zu entscheiden ist. Zu den weiteren Fragen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 Ob 102/08k (die - wie hier - den Revisionsrekurs der dort Betroffenen gegen die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Verfahrenssachwalter [§ 119 AußStrG] und einstweiligen Sachwalter [§ 120 AußStrG] trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht zum Gegenstand hatte) Stellung genommen. Demnach ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach § 268 Abs 2 ABGB ein Sachwalter unter anderem auch dann nicht bestellt werden darf, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Es entfällt somit eine Sachwalterbestellung, wenn die behinderte Person zu einem Zeitpunkt, da sie noch geschäftsfähig gewesen ist, für die Besorgung ihrer Angelegenheiten durch Erteilung einer Vollmacht selbst vorgesorgt hat.
Ein spezifisch für diesen Zweck zur Verfügung stehendes Instrument ist die Vorsorgevollmacht nach §§ 284f - 284h ABGB (Hopf in KBB2 § 268 Rz 4). Zur gültigen Errichtung einer Vorsorgevollmacht muss der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung jene Entscheidungsfähigkeit haben, welche erforderlich ist, um über die Angelegenheiten bestimmen zu können, die Inhalt der Vollmacht sind. Beim Vollmachtgeber muss daher bei Errichtung der Vollmacht noch eine hinreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorhanden gewesen sein (RIS-Justiz RS0123333; 6 Ob 9/08d mwN ua). Kann der Betroffene hingegen keine rechtsgültige Vollmacht erteilen, ist das Subsidiaritätsprinzip des § 268 Abs 2 ABGB nicht anwendbar (10 Ob 102/08k).
Gemäß § 284g ABGB ist dem Vollmachtgeber trotz wirksamer Vorsorgevollmacht für die in der Vollmacht umschriebenen Angelegenheiten ausnahmsweise ein Sachwalter zu bestellen, wenn der Bevollmächtigte das Wohl des Vollmachtgebers, insbesondere weil er nicht oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird, gefährdet oder wenn die behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie vom Bevollmächtigten nicht mehr vertreten sein möchte (RIS-Justiz RS0123430).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Sachwalterbestellung im Hinblick auf die von der Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht zu entfallen hat, ist daher entscheidungswesentlich, ob der Betroffene im Zeitpunkt dieser Vollmachtserteilung (12. 8. 2008) geschäftsfähig war und ob der Bevollmächtigte durch seine Tätigkeit sein Wohl gefährdet (10 Ob 102/08k).
Die Tatsacheninstanzen sind, was diese - auch hier nur einzelfallbezogen zu beantwortenden - Fragen betrifft, davon ausgegangen, dass eine weitere Klärung erforderlich ist, weil diesbezügliche Bedenken bestehen. Dabei sind sie von den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen:
Der Revisionsrekurswerber räumt ein, das Pflegschaftsgericht sei aufgrund der Anregung des Rechtsanwalts Dr. Andreas R***** verpflichtet gewesen, ein Sachwalterschaftsverfahren einzuleiten, wobei (auch) die Frage, ob die Erteilung der Vorsorgevollmacht an seine Tochter rechtswirksam erfolgte, „Gegenstand des vorliegenden Verfahrens" sei. Diesbezügliche Zweifel dürften jedoch nicht dazu führen, dass die Vorsorgevollmacht - gegen den Willen des Betroffenen - bereits vor dieser Prüfung „aufgehoben wird". Die Bestellung des einstweiligen Sachwalters würde „den Schluss mit sich ziehen, dass durch die Anregung der Sachwalterbestellung automatisch die Vorsorgevollmacht ihre Qualifikation verliert". Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bevollmächtigte gegen den erteilten Auftrag oder sonst gegen die Interessen oder den Willen des Betroffenen handle. Ein Sachwalter zur Überwachung der Bevollmächtigten könne daher nicht bestellt werden.
Entgegen diesen Ausführungen kann hier aber weder davon die Rede sein, dass die Vorsorgevollmacht bereits „aufgehoben" wurde, noch dass eine Sachwalterbestellung „zur Überwachung der Bevollmächtigten" erfolgt sei:
Der - in diesen Punkten gar nicht bekämpfte - Beschluss hält vielmehr fest, dass „Bedenken bestehen, inwieweit der Betroffene im August [2008] in der Lage war, eine Vorsorgevollmacht zu schließen", weshalb dies „gleichfalls in den Gutachtensauftrag aufgenommen" werde. Das Erstgericht führte aus, dass sich die Richterin bei der Erstanhörung einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft habe. Dabei sei festgestellt worden, dass er zeitlich und situativ nicht vollständig orientiert und ein zielführendes Gespräch mit ihm nicht möglich gewesen sei. Er bedürfe daher des besonderen Schutzes des Gesetzes (§ 268 Abs 1 ABGB). Da bezüglich der Verwendung seiner Einnahmen „aus dem Familienkreis unterschiedliche Angaben gemacht werden bzw teilweise eine Klärung nicht herbeigeführt werden konnte", sei für diesen Bereich (Sicherung der Verwendung des Einkommens zur Gewährleistung des Wohles des Betroffenen) der Rechtsanwalt Dr. R***** zum einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Die Beiziehung eines Sachverständigen sei gesetzlich angeordnet (§ 121 Abs 5 AußStrG).
Dem Beschluss ist somit klar zu entnehmen, dass das Vorliegen einer (wirksam erteilten) qualifizierten Vorsorgevollmacht im Sinn des § 284f Abs 3 ABGB (die die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters bzw Betreuers für den Betroffenen ausschließt) noch geprüft werden muss. In der eingangs zitierten Entscheidung (10 Ob 102/08k) wurde dazu auch schon festgehalten, dass sich das Gericht nach § 118 Abs 1 erster Satz AußStrG im Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen zunächst einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person zu verschaffen habe. Die Verschaffung des persönlichen Eindrucks ist eine Kernbestimmung des Sachwalterschaftsverfahrens. Das Sachwalterschaftsverfahren wird von den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beherrscht. Gerade im Sachwalterschaftsverfahren ist es wichtig, dass sich der Richter, der die Entscheidung zu treffen hat, ein persönliches Bild vom Betroffenen macht (Maurer, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis3 § 118 Rz 1 mwN). Die Erstanhörung (§ 118 AußStrG) entspricht daher den für das Sachwalterbestellungsverfahren wesentlichen Grundsätzen der Unmittelbarkeit und des rechtlichen Gehörs (Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 118 Rz 1; 10 Ob 102/08k).
In diesem Sinn hat das Erstgericht den Betroffenen bereits einvernommen und sich durch seine bei der Erstanhörung anwesenden Kindern (Tochter und Sohn) eine vorläufige Kenntnis über sein Vermögen und Einkommen, aber auch über die Streitigkeiten zwischen den Kindern im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach ihrer Mutter verschafft. Danach hatte das Erstgericht zum einen begründete Zweifel, ob die Erteilung der Vorsorgevollmacht am 12. 8. 2008 wirksam erfolgt ist, zum anderen Bedenken, dass die bisher von der Tochter besorgte Verwaltung des Vermögens und Einkommens des Betroffenen allenfalls nicht unter bestmöglicher Wahrung des Wohls des Betroffenen („unerklärliche und hohe Behebungen") erfolgt ist. Es erachtete „die Sicherung der Verwendung des monatlichen Einkommens zur Gewährleistung des Wohls des Betroffenen dringend erforderlich". Die auf diese Tatsachengrundlage gestützte Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die (derzeitige) Fortsetzung des Verfahrens, die Bestellung eines Verfahrens- und eines einstweiligen Sachwalters zu Recht erfolgt seien, entspricht der oben wiedergegebenen Rechtsprechung und steht auch mit der im Rechtsmittel zitierten Literatur (Jud, Die Vorsorgevollmacht, AnwBl 2007, 11 [18]) in Einklang.
Wenn der Revisionsrekurs demgegenüber behauptet, es lägen keine konkreten Anhaltspunkte für ein Handeln der bevollmächtigten Tochter gegen die Interessen des Betroffenen vor, werden die unstrittig bestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den Kindern des Betroffenen hinsichtlich der Verwaltung seines Vermögens und seines Einkommens, auf die sich die Vorinstanzen übereinstimmend berufen, verschwiegen.
Im Übrigen stellt die Frage, ob es das Wohl des Betroffenen im Sinn des § 120 AußStrG erfordert, ihm zur Besorgung (sonstiger) dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen (RIS-Justiz RS0117006), wie (auch) jene, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters vorliegen, eine solche dar, die nur anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden kann und der somit keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0106166; RS0087091; 6 Ob 9/08d; 8 Ob 19/08i mwN).
Da die Vorinsatzen von den dargelegten Grundsätzen nicht abgewichen sind und die als Revisionsrekursgrund unter dem Titel „unrichtige rechtliche Beurteilung" inhaltlich geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen, ist insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)