OGH 7Ob104/03z

OGH7Ob104/03z28.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Heidemarie P*****, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Reinhold P*****, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in Graz, wegen einstweiligen Unterhaltes, über den Revisionsrekurs des Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. Februar 2003, GZ 2 R 23/03x-17, womit infolge Rekurses beider Parteien die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. November 2002, GZ 28 C 118/02v-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass auch das restliche Begehren der gefährdeten Partei, der Gegner der gefährdeten Partei sei schuldig, ihr über den mit Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. August 2001 festgesetzten vorläufigen Unterhalt von monatlich EUR 363,36 hinausgehend einen weiteren monatlichen vorläufigen Unterhaltsbetrag von EUR 436,64 ab 1. 8. 2002 zu bezahlen, und zwar die bis zur Zustellung der einstweiligen Verfügung angefallenen Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden ab dem 1. eines jeden Monates im Vorhinein, abgewiesen wird.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.096,57 (hierin enthalten EUR 516,09 USt) bestimmten Kosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. 1. 2002 (28 C 32/00v-26), bestätigt vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht (2 R 126/02t-36), wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden rechtskräftig (mit Rechtswirksamkeit vom 21. 6. 2002) geschieden.

Noch während aufrechter Ehe und während des anhängigen Scheidungsverfahrens wurde der nunmehrige Antragsgegner (dort: Beklagter) mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. 8. 2001 im Verfahren 28 C 72/00a (im Folgenden kurz: Vorverfahren) zur Zahlung eines vorläufigen Unterhaltes von monatlich EUR 363,36 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des genannten Unterhalts(haupt)verfahrens verpflichtet. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, wurde in derselben Rechtssache das gesamte Unterhaltsklagebegehren (gerichtet auf Zahlung eines rückständigen Unterhaltes in Höhe von EUR 22.673,92 sA sowie eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 581,38 ab 1. 5. 2000) abgewiesen; hinsichtlich des (auch für das hier verfahrensgegenständliche Unterhaltsprovisorialbegehren bedeutsamen zukünftigen) Unterhaltes ging der Oberste Gerichtshof dabei ("auch unter Zugrundelegung der aus § 68a EheG herausleuchtenden Rechtsauffassung") von einer missbräuchlichen Rechtsausübung der Klägerin mit daraus resultierender Unterhaltsverwirkung zufolge Eingehens und Aufrechterhaltens eines zunächst ehebrecherischen und auch in der Folge fortgesetzten sexuellen Liebesverhältnisses zu einem anderen Mann, wodurch diese "eklatant gegen eheliche Gebote verstoßen" habe, aus.

Am 25. 7. 2002 (sohin nach Rechtskraft der Scheidung und nach Vorliegen der Berufungsentscheidung im vorerwähnten Unterhaltshauptverfahren, jedoch vor Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hierüber) brachte die Frau (im Folgenden: Antragstellerin) als gefährdete Partei einen auf § 382 EO gestützten Provisorialantrag des Inhaltes ein, den (inzwischen) geschiedenen Mann (im Folgenden Antragsgegner) zusätzlich zu dem im Vorverfahren festgesetzten vorläufigen Unterhalt von EUR 363,36 (rückwirkend) ab 1. 8. 2001 zur Zahlung eines weiteren solchen vorläufigen Unterhaltes in Höhe von EUR 636,84 (später ausgedehnt auf EUR 800,- -) bis zur rechtskräftigen Entscheidung der von ihr binnen Monatsfrist einzubringenden (jedoch tatsächlich bisher nicht eingebrachten) Unterhaltsklage zu verpflichten. Sie habe während aufrechter Ehe den Haushalt geführt und die eheliche Tochter versorgt, sodass ihr im Hinblick auf § 68a EheG ein Unterhaltsanspruch von mindestens 30 % zustehe. Die gleichzeitige Einbringung einer Klage sei ihr zufolge noch erforderlicher weiterer Recherchen "bisher nicht möglich".

Der Antragsgegner bestritt das Begehren dem Grunde und der Höhe nach. Er wendete insbesondere ein, dass sie ihren Unterhaltsanspruch dadurch verwirkt habe, weil sie ihr zumutbare Arbeitsplatzangebote nicht angenommen habe; überdies stünde ihr nur ein Billigkeitsunterhalt zu, welcher durch die von ihm erbrachten Leistungen (EUR 363,36 laut Entscheidung im Vorverfahren + EUR 300,-- in natura) mehr als abgedeckt sei. Er sei weiters für seine zwar volljährige, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Tochter unterhaltspflichtig; ebenso für seine 90-jährige pflegebedürftige Mutter.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung über den ihm im Vorverfahren festgesetzten Unterhalt von monatlich EUR 363,36 hinaus ab 1. 8. 2002 zur Zahlung von weiteren EUR 282,91 und wies die Mehrbegehren von EUR 636,64 monatlich vom 1. 8. 2001 bis 31. 7. 2002 (im erstgerichtlichen Beschluss offenbar unrichtig: 2001) - insoweit rechtskräftig - sowie von monatlich EUR 353,73 (hievon rechtskräftig EUR 106,36) vom 1. 8. bis 25. 10. 2002 und monatlich EUR 517,09 (hievon rechtskräftig EUR 269,72) ab 26. 10. 2002 ab; es trug weiters der Antragstellerin die Einbringung einer Unterhaltsklage binnen drei Monaten auf. Aus den weiter unten noch näher auszuführenden rechtlichen Gründen ist die Wiedergabe des vom Erstgericht hiezu als bescheinigt festgestellten Sachverhaltes entbehrlich.

Das von beiden Teilen angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners keine, jenem der Antragstellerin hingegen teilweise Folge und änderte die einstweilige Verfügung dahin ab, dass Ersterer - zuzüglich zur Entscheidung im Vorverfahren - ab 1. 8. 2002 weitere EUR 436,64 zu leisten habe; das Mehrbegehren von EUR 93,64 wurde (rechtskräftig) abgewiesen. Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - höchstgerichtliche Rechtsprechung weder zum Verhältnis zwischen den Bestimmungen der §§ 68 und 68a EheG zueinander noch zur Höhe des Unterhaltsanspruches nach § 68a leg cit vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit gestützte Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem primären Antrag, den bekämpften Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an die erste oder zweite Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Abweisung des gesamten Mehrbegehrens der Antragstellerin abzuändern.

Die Antragstellerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in welcher sie den Antrag stellt, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, ohne dass es jedoch auf die Beantwortung der vom Rekursgericht formulierten Rechtsfrage ankommt, und im Sinne des gestellten Abänderungsantrages auch berechtigt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Der vom Obersten Gerichtshof in der einleitend zitierten und zwischen denselben Streitteilen ergangenen Entscheidung (im Unterhaltshauptverfahren) 1 Ob 171/02g zugrundegelegte Verwirkungstatbestand mit der Rechtsfolge der Abweisung des gesamten Unterhaltsbegehrens der (dortigen) Klägerin für Vergangenheit und Zukunft wird zwar hier nicht unmittelbar schlagend, weil sich der Antragsgegner im vorliegenden Provisorialverfahren hierauf nicht (nochmals ausdrücklich) berufen und die Vorinstanzen hiezu demgemäß auch keine diesbezüglich deckungsgleichen (allenfalls überschießenden) Feststellungen getroffen haben. Allerdings handelt es sich bei der vorliegenden (ohne gleichzeitige Klageerhebung selbständig) beantragten (Leistungs-)EV um eine ausdrücklich hinsichtlich Grund und Höhe an dieses Vorverfahren anknüpfende und von deren Bestand auch betraglich abhängig gemachte Provisorialentscheidung. Wenn auch im Vorverfahren der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin zufolge noch aufrechter Ehe nur auf § 94 ABGB gestützt sein konnte und nur darüber abzusprechen war, stellt sie selbst die Verbindung mit ihrem nunmehr (allein) auf § 68a EheG gestützten Begehren dadurch untrennbar her, indem sie zum (im Zeitpunkt der Antragstellung) bereits zuerkannten Provisorialunterhalt einen Zuschlag begehrt. Insoweit entfaltet sohin die zwischen denselben Parteien wegen desselben (also auch auf § 68a EheG gestützten) Anspruches rechtskräftige Endentscheidung im geführten Vor(=Haupt-)verfahren ab Zustellung derselben an die (im Übrigen identen) Vertreter ihrer jeweiligen Parteien Bindungswirkung (vgl § 411 ZPO) auch für das vorliegende Provisorialverfahren. Zwar kommt einer einstweiligen Verfügung - kraft ihrer besonderen gesetzlichen Regelung als bloße Provisorialmaßnahme - grundsätzlich keine Bindungswirkung für einen nachfolgenden bzw auch den noch offenen Hauptprozess zu (4 Ob 581/95; RIS-Justiz RS0088984; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, Rz 11 vor § 378; vgl auch König, Einstweilige Verfügungen Rz 3/58), sehr wohl muss dies jedoch umgekehrt bei (rechtskräftiger und endgültiger) Versagung des zu sichernden Hauptanspruches gegenüber einer bloßen, diesen ebenfalls zum Gegenstand habenden einstweiligen Verfügung (trotz ihres Sondercharakters als Unterhalts-EV: vgl 2 Ob 94/02s) gelten; insoweit dürfen diese beiden Entscheidungen nicht voneinander abweichen. Andernfalls würde die einstweilige Verfügung ja den Rahmen des zu sichernden (jedoch inzwischen rechtskräftig aberkannten) Anspruches verlassen (vgl § 378 Abs 1 EO; zur Anspruchsgebundenheit s auch Kodek in Angst, EO Rz 5 zu § 378), was aber dem Wesen und der Rechtsnatur einer einstweiligen Verfügung (schlechthin) widerspräche.

In diesem Sinne ist daher dem hier den Anspruch im Vorverfahren betreffenden, an diesen gebundenen und ihn bloß betraglich erweiternden Provisorialantrag mit dem rechtskräftig feststehenden endgültigen Wegfall des ihm zugrundeliegenden (Haupt-)Anspruches - ungeachtet allfälliger sonstiger, vom Antragsgegner in seinem Rechtsmittel relevierter Versagungsgründe - ebenfalls die Rechtsgrundlage entzogen, ist doch der Antragstellerin seit dem (auch einen nachehelichen Unterhalt nach § 68a EheG nach Spruch und Gründen zu 1 Ob 171/02g rechtskräftig versagenden) Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes im Vor(Haupt)verfahren auch eine (Rechtfertigungs-)Klage im vorliegenden Provisorialverfahren nach § 391 Abs 1 EO (nunmehr endgültig) versagt.

Daraus folgt jedoch, dass in Stattgebung des Rechtsmittels des Antragsgegners auch der noch restlich verbleibende Unterhaltsprovisorialanspruch (ohne auf die als erheblich formulierte Rechtsfrage inhaltlich näher eingehen zu müssen) der vollständigen Abweisung verfallen musste.

Es war sohin wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO hat die Antragstellerin dem Antragsgegner damit auch zufolge gänzlichen Unterliegens die tarifmäßigen Kosten aller drei Instanzen zu ersetzen. Für den Revisionsrekurs steht kein Pauschalgebührenersatz zu, weil einer solchen nach TP 3 GGG nur Revisionsverfahren sowie Rekurse nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO unterliegen (Anm 1).

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