OGH 6Ob98/21m

OGH6Ob98/21m23.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, geboren *****, vertreten durch Mag. Nina Steinmayr, Rechtsanwältin in Mauthausen, als Verfahrenshelferin, gegen die beklagte Partei J*****, geboren *****, Adresse gemäß § 75a ZPO unter Verschluss gehalten, vertreten durch Dr. Vera Weld, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2021, GZ 15 R 30/21v-35, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 23. Februar 2021, GZ 15 R 30/21v-37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00098.21M.0623.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Frage, ob schwere Eheverfehlungen gesetzt wurden, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Wesens der Ehe zu beantworten (RS0056369 [T2]). Sie begründet daher – von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0044188 [T12]; RS0119414 [T2]).

[2] Ehewidriges Verhalten ist dann keine Eheverfehlung, wenn es als entschuldbare Reaktionshandlung auf das Verhalten des anderen Ehegatten zu werten ist, die unmittelbare Folge eines grob ehewidrigen Verhalten des anderen Teils ist und und zu diesem Verhalten in einem angemessenen Verhältnis steht (RS0057136 [insb T2]). Ob eine entschuldbare Reaktionshandlung vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

[3] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Auszug der Beklagten aus der Ehewohnung sei angesichts des Gesamtverhaltens des Klägers und des kurze Zeit davor erfolgten körperlichen Übergriffs nicht als schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG zu werten, ist vertretbar. Es begründet auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall – in dem die aus einem Drittstaat stammende Beklagte erst kurz vor der Eheschließung nach Österreich gezogen war, über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügte, kein eigenes Einkommen oder Bankkonto hatte und vom Kläger an der Knüpfung sozialer Kontakte gehindert worden war – bei einem (erst) rund zweieinhalb Wochen nach dem körperlichen Übergriff erfolgten Verlassen der Ehewohnung noch von einer unmittelbaren Reaktionshandlung ausgeht.

[4] Soweit die Revision vorbringt, die Beklagte habe eine ehewidrige Beziehung unterhalten, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, sodass das Rechtsmittel insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043312; RS0043603).

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