OGH 6Ob91/22h

OGH6Ob91/22h18.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, Malta, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 69.186,04 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2022, GZ 11 R 41/22p‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 4. Jänner 2022, GZ 24 Cg 98/21s‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00091.22H.0518.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.286,48 EUR (darin 381,08 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte – ein maltesisches Unternehmen ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG – veranstaltete über ihre Website verschiedene Glücksspiele. Der Kläger nützte dieses Anbot und verlor ab 1. 1. 2011 überwiegend bei Online-Pokerspielen insgesamt 69.186,04 EUR.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem (unter anderem) auf Bereicherungsrecht gestützten Klagebegehren statt. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nicht unionsrechtswidrig. Die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession sei damit verbotenes Glücksspiel, was die Möglichkeit zur bereicherungsrechtlichen Rückforderung erlittener Spielverluste eröffne. Die Passivlegitimation der Beklagten als Bereicherungsschuldnerin sei zu bejahen, weil sie die Ausspielung organisiert habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob eine Betreiberin von verbotenen Online-Pokerspielen, die Einsätze entgegennehme und abzüglich einer Provision an Gewinner auszahle, für die Rückforderung solcher Einsätze aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung passiv legitimiert sei, in der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sei:

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RS0112921; RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112921 [T5]; RS0112769 [T12]).

[5] 2. Zu den in der Revision als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen (insbesondere auch zur Passivlegitimation und zum behaupteten bloßen „Treuhandverhältnis“) hat der Oberste Gerichtshof bereits vielfach in den (gegen dieselbe Beklagte ergangenen) Entscheidungen zu 6 Ob 207/21s; 6 Ob 229/21a; 6 Ob 8/22b; 9 Ob 79/21i und 3 Ob 27/22z Stellung genommen (vgl auch 4 Ob 229/21m; 1 Ob 22/22z; 1 Ob 44/22k; 9 Ob 16/22a uva). Er hat sowohl die Nichtigkeit der zwischen den Spielern und Beklagter abgeschlossenen Verträge als auch die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beklagten bejaht.

[6] 3. Die in diesen Entscheidungen ausgeführten rechtlichen Erwägungen treffen auch im vorliegenden Fall zu, der sich – anders als die Beklagte behauptet – in den zentralen Punkten gerade nicht von den bereits beurteilten Fällen unterscheidet. Die Beklagte negiert offenbar die vom Berufungsgericht herangezogene Sachverhaltsgrundlage zu den (bloß von ihr selbst geführten) Benutzerkonten und die bindende Feststellung zu den an sie geleisteten Zahlungen. Weder liegt daher ein Verfahrensmangel des Berufungsgerichts vor, noch trifft zu, dass die „Kernfrage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung“ noch nicht „im notwendigen Detailgrad“ behandelt worden wäre.

[7] 4. Die Frage, ob dem Kläger auch ein Schadenersatzanspruch zustünde, stellt sich hier nicht (mehr).

[8] 5. Auf die (von den Vorinstanzen als nicht zu Recht bestehend erkannte) Gegenforderung und auf eine angebliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols kommt die Beklagte in der Revision nicht mehr zurück.

[9] 6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt jedoch 69.186,04 EUR.

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