OGH 6Ob79/00m

OGH6Ob79/00m29.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Roman R*****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und Gegner der gefährdeten Partei Dipl.-Ing. Dr. Peter K*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger ua Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Unterlassung und Widerrufs rufschädigender Äußerungen, über den ordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23. Dezember 1999, GZ 15 R 220/99d-10, mit dem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15. Oktober 1999, GZ 37 Cg 157/99p-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der beklagte Abgeordnete zum Nationalrat hielt am 14. 7. 1999 im Plenum eine Rede, in der er sich Problemen der Abfallwirtschaft widmete und unter anderem Folgendes ausführte:

"Gerade im Bereich der Abfallwirtschaft - ich weise wieder einmal darauf hin - haben wir jetzt nach einer zunächst sehr positiven Entwicklung plötzlich die Tendenz - dafür können Sie nichts -, daß versucht wird, den Abfall auch in ungerechtfertigter Weise - manchmal kann es durchaus gerechtfertigt sein - sozusagen in irgendein Produkt umzuwandeln, das plötzlich nicht mehr Abfall ist, um sich teilweise Altlastensanierungsbeiträge zu ersparen oder einfach auch Geschäfte zu machen.

Im 'Standard' vom 6. April hieß es dazu: Milliardengeschäfte mit illegaler Abfallverschiebung. - Die heutige Novelle dient auch dazu, das zu verhindern.

Wir haben in diesem Bereich Probleme, mein Kollege H***** hat das ja schon sehr deutlich angesprochen, und zwar am Beispiel einer Deponie, bei der uns die Vorgänge verdächtig vorkommen.

Wenn ich Sie, Herr Minister, zum Beispiel auffordern würde, sich endlich der wirklich brennenden politischen Fragen anzunehmen und die Öffentlichkeit nicht mit Öko-Scherzen wie Sommerbenzin oder Antarktis-Konferenzen zu unterhalten, dann wüßten Sie, daß das nicht von mir kommt, sondern von einem gewissen Herrn R*****. Und dieser Herr R*****, der im Zusammenhang mit der Berger-Deponie steht, fällt mir auf - da denke ich durchaus auch an S***** und ähnliche Organisationen unterschiedlichster Art, die sich oder wo man sich ein Betätigungsfeld sucht, um Geld zum Selbstzweck zu verdienen. Ich bin eben im Zusammenhang mit der Berger-Deponie sehr mißtrauisch, da dort 900 000 Tonnen ausgekoffert wurden, weil es so eilig und dringend war, jedoch nur 400 Tonnen an die EBS gegangen sind. In Berichten steht, daß es sich um Fässer gehandelt hat, die schon ausgelaufen waren - irgendwohin muß dieser grausliche Inhalt ja gekommen sein -, und das wurde vererdet. (Abg. K*****: Was ist jetzt mit R*****?)

Jetzt zu Herrn R*****. Herr Minister! Ich lese da folgendes: Herr R***** scheint auf: In der APA als Sprecher der ARGE R*****, in den 'Niederösterreichischen Nachrichten' als Sprecher der Deponie L*****, dann als Sekretär einer Gesellschaft für Ö***** und A***** weiters - man höre! - als Sprecher eines Schutzverbandes gegen Umweltkriminalität und dann auf einmal wieder als Sprecher der ARGE V*****, im 'Wiener' dann als Mitautor der Studie 'Umweltkriminalität' - eine mehr als dubiose Figur!

Herr Minister! Ich möchte jetzt nicht unbedingt die Berger-Deponie kriminalisieren - das ist sowieso schon Schnee von gestern; vielleicht sollte man sie sich nur genauer anschauen -, aber warnen im Zusammenhang mit der Fischer-Deponie. Ich habe auch einen entsprechenden Brief an den Innenminister geschrieben. Ich hätte gerne - und da bitte ich um Ihre Unterstützung -, daß das Umweltbundesamt das begleitend untersucht, weil die Kommunalkredit hier nicht zum Tragen kommt - zu der hätte ich auch Vertrauen -, weil es sich um keinen Altlastensanierungsfall handelt. Hier werden Geschäfte gemacht, und ich wittere das auch bei der Fischer-Deponie!

Ich möchte nicht mehr - und da habe ich in ein Wespennest gestochen; offensichtlich möchte man das verhindern -, als daß das Umweltbundesamt oder eine ähnliche Einrichtung das begleitend untersucht, weil es dabei um Geld der Steuerzahler geht."

Am 4. 8. 1999 gab der Beklagte vor mehreren anwesenden Journalisten eine Pressekonferenz, bei der Kopien des stenografischen Protokolls über seine am 14. 7. 1999 im Parlament gehaltene Rede verteilt wurden.

Der Kläger berät unter anderem im Umwelt- und Entsorgungsbereich tätige Unternehmen und Arbeitsgemeinschaften in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und führt diese auch durch. Er ist teilweise selbständig erwerbstätig, teilweise angestellt. Im Rahmen seiner Tätigkeit tritt er oft als Sprecher auf. Er ist Sprecher der "ARGE R***** Berger Deponie", der "Gesellschaft für Ö***** und A*****", der "Deponie L*****" und der "ARGE V*****". Weiters ist er Mitautor der Studie "Umweltkriminalität".

Der Kläger begehrt mit seiner am 16. 8. 1999 beim Erstgericht eingelangten, auf § 1330 Abs 1 und 2 ABGB gestützten Klage und dem gleichlautenden Sicherungsantrag ein Unterlassungsgebot hinsichtlich der Äußerungen 1. es gäbe im Zusammenhang mit der Altlastensanierung der Berger Deponie kriminelle Vorgänge, an denen der Kläger beteiligt sei, etwa dass nicht sämtlicher gefährlicher Abfall einer ordnungsgemäßen und gesetzeskonformen Behandlung zugeführt worden sei, 2. hinsichtlich der Bezeichnung des Klägers als dubiose Figur und hilfsweise zum zweiten Begehren das Eventualbegehren auf Unterlassung der Bezeichnung des Klägers als dubiose Figur im Zusammenhang mit dessen Funktion als Sprecher der "ARGE R***** Berger Deponie", der Gesellschaft für Ö*****, der "Deponie L*****" und der "ARGE V*****" und seiner Eigenschaft als Mitautor der Studio "Umweltkriminalität". Der Kläger begehrt ferner den Widerruf der unter 1. genannten Äußerung gegenüber mehreren namentlich angeführten Teilnehmern der Pressekonferenz sowie gegenüber den Lesern der Tageszeitung "Die Presse".

Der Beklagte habe mit seinen Äußerungen im Parlament und auf der Pressekonferenz sowie durch das Verteilen der stenografischen Protokolle zum Ausdruck gebracht, dass es im Zusammenhang mit der Altlastensanierung der Berger Deponie zu kriminellen Vorgängen gekommen sei, an denen der Kläger beteiligt gewesen sei. Der Beklagte unterstelle, dass nicht der gesamte gefährliche Abfall einer ordnungsgemäßen Behandlung zugeführt worden sei und dass der Kläger daran in irgend einer Form beteiligt gewesen sei. Die Vorwürfe seien unwahr und unterstellten dem Kläger eine unehrenhafte Verhaltensweise. Im Zusammenhang mit der Altlastensanierung der Berger Deponie habe es keine kriminellen Vorgänge gegeben. Noch weniger sei der Kläger an solchen beteiligt gewesen. Von 882.813 Tonnen geborgenen Abfalls seien nur 19.276 Tonnen gefährlicher Abfall gewesen. Davon seien 441 Tonnen in den Entsorgungsbetrieben Simmering behandelt worden, die restlichen Tonnen seien an anderen Stellen thermisch behandelt worden. Die Behandlung habe den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Es sei der Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB erfüllt und ebenso auch der einer Ehrenbeleidigung nach Abs 1 leg cit. Den Beklagten treffe die Beweislast hinsichtlich der Wahrheit seiner Äußerungen. Mit der Bezeichnung "dubiose Figur" werde der Kläger als "Umweltkrimineller" hingestellt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und des Sicherungsantrages und führte primär den Schutz der beruflichen Immunität nach Art 57 Abs 1 B-VG ins Treffen. Er sei nur dem Nationalrat gegenüber verantwortlich. Art 33 B-VG sehe vor, dass wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in öffentlichen Sitzungen des Nationalrats und seiner Ausschüsse von jeder Verantwortung frei blieben. Daraus ergebe sich, dass jeder Abgeordnete bei allen Äußerungen im Nationalrat frei von jeder Verantwortung sei. Er habe bei der Pressekonferenz vom 4. 8. 1999 seine Äußerungen aus der Rede vor dem Nationalrat weder mündlich wiederholt, noch kommentiert. Von Mitarbeitern seien allerdings Kopien des stenografischen Protokolls der Rede verteilt worden. Diese Weitergabe könne zivilrechtlich nicht belangt werden und unterliege der beruflichen Immunität. Die stenografischen Protokolle über die öffentlichen Sitzungen des Nationalrats seien von der Staatsdruckerei zu drucken und im öffentlichen Verkauf anzubieten. Die nach der Pressekonferenz in verschiedenen Zeitungen erschienenen Artikel hätten jeweils auf die Rede des Beklagten im Parlament verwiesen. Der Beklagte habe überdies dem Kläger nicht unterstellt, daran beteiligt gewesen zu sein, dass nicht der gesamte gefährliche Abfall (der Berger Deponie) ordnungsgemäß und gesetzeskonform behandelt worden wäre. Die Bezeichnung des Klägers als "dubiose Figur" sei nicht für sich alleine zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit Berichten über die verschiedenen Funktionen des Klägers. Dort lägen widersprechende Interessen vor. Die Bezeichnung "dubios" habe nicht die Bedeutung "unehrlich" oder "scheinheilig", sondern "zweifelhaft" gehabt. Daraus sei kein Vorwurf einer Umweltkriminalität abzuleiten. Zur Berger Deponie habe es Berichte gegeben, diese sei gefährlich und müsste saniert werden. Es seien 900.000 Tonnen Material entsorgt worden, aber nur 400 Tonnen als gefährlicher Sondermüll zum Entsorgungsbetrieb Simmering gebracht worden. 1998 sei die Räumung der Berger Deponie gefeiert worden. Kürzlich sei aber zu lesen gewesen, dass zu den bisherigen Kosten von 1,2 Milliarden S weitere 200 Mio S aufgewendet werden müssten. Der Beklagte sei der Meinung, dass untersucht werden müsste, ob und wie das Zwischenmaterial behandelt worden sei. Die Entsorgungskosten müssten - wie auch bei der Fischer Deponie - von der Republik getragen werden. Der Beklagte sei als Abgeordneter auch im Umweltausschuss tätig und in dieser Funktion zu harten und kritischen Äußerungen verpflichtet.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch den Inhalt eines in der Morgenausgabe und der Abendausgabe der Tageszeitung "Die Presse" vom 5. 8. 1999 erschienenen Artikels fest, in dem die Äußerungen des Beklagten teilweise wiedergegeben wurden. Das Erstgericht traf zur Pressekonferenz vom 4. 8. 1999 noch die Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagte im Zuge der Pressekonferenz die in der Rede vom 14. 7. 1999 enthaltenen, den Kläger betreffenden Aussagen sinngemäß wiederholt habe. Er habe zur Person des Klägers nur Folgendes geäußert: "Das muss schon mit dem heiligen Geist zugehen. Es kommt immer wieder Roman R***** vor. Ich will nichts unterstellen, aber es braucht mehr Kontrolle". Zur Altlastensanierung der Berger Deponie stellte das Erstgericht fest, dass rund 900.000 Tonnen Abfall geborgen worden seien und davon 440 Tonnen in den Entsorgungsbetrieben Simmering thermisch behandelt worden seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass der gesamte gefährliche Abfall im Zusammenhang mit der Altlastensanierung der Berger Deponie einer ordnungsgemäßen und gesetzeskonformen Behandlung zugeführt worden sei. Es könne aber auch nicht festgestellt werden, dass bei der Altlastensanierung in irgend einer Form Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien oder dass sich Anhaltspunkte ergeben hätten, dass der Kläger in Unregelmäßigkeiten verwickelt gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass gegen den Beklagten wegen seiner Äußerungen in der Rede vor dem Nationalrat auf Grund der Immunität nach Art 57 Abs 1 B-VG kein Anspruch nach § 1330 ABGB bestehe. Gleiches gelte aber auch für die Verteilung von Kopien des stenografischen Protokolls über die Rede anlässlich der Pressekonferenz am 4. 8. 1999. Gemäß § 52 GOG-NR seien die verfassten stenografischen Protokolle gedruckt herauszugeben und für jedermann zugänglich. Es käme einer Aushöhlung des Schutzzweckes des Art 57 Abs 1 B-VG gleich, wenn aus der Verteilung der stenografischen Protokolle Ansprüche abgeleitet werden könnten. Dabei handle es sich nicht um die Wiederholung der Äußerungen im Plenum des Parlaments, sondern nur um eine Information über den Inhalt der Rede. Dafür bestehe der Schutz der sachlichen Immunität. Die Nichtfeststellbarkeit der Wiederholung der Rede vor dem Nationalrat in der Pressekonferenz gehe zu Lasten des bescheinigungspflichtigen Klägers.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass der Beklagte berufliche Immunität nach Art 57 Abs 1 B-VG genieße. Der Schutz vor zivilrechtlicher Verantwortung gelte aber nur für Äußerungen im Rahmen der Tätigkeit des Abgeordneten im Plenum oder in den Ausschüssen, nicht aber für Äußerungen auf einer Pressekonferenz. Die Verteilung der Protokollkopien sei aber nicht eine Wiederholung der Äußerungen der Rede vor dem Nationalrat. Hiefür bestehe der Schutz der sachlichen Immunität nach Art 33 B-VG. Danach blieben wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrats und seiner Ausschüsse von jeder Verantwortung frei. Diese Bestimmung habe zwar primär die Freiheit der Parlamentsberichterstattung im Auge, enthalte aber keine weiteren Einschränkungen, sodass es auch dem Abgeordneten selbst erlaubt sein müsse, über den Inhalt seiner Rede im Parlament zu berichten und Kopien der Parlamentsprotokolle den Journalisten zur Verfügung zu stellen. Die vom Erstgericht festgestellte zusätzliche Kommentierung des Beklagten in der Pressekonferenz sei nicht zu beanstanden, weil sie dem Sinn nach nur die seinerzeitigen Äußerungen im Parlament wiedergebe und nicht über den Inhalt der parlamentarischen Rede hinausgehe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nationalratsabgeordnete genießen berufliche Immunität nach Art 57 Abs 1 B-VG. Sie können wegen der in Ausübung ihres Berufs gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden. Die berufliche Immunität schützt nicht nur vor strafrechtlicher, sondern auch vor zivilrechtlicher Verantwortlichkeit (Walter/Mayer, Grundriss des öffentlichen Verfassungsrechts8 Rz 364; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 32 zu § 1330; Adamovich/Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 226; SZ 60/271; 2 Ob 668/87 = JBl 1989, 245 = MR 1988, 88 mit Anm Korns; JBl 1989, 246 uva). Die herrschende Lehre und Rechtsprechung legen allerdings die Reichweite der Immunität unter Heranziehung der historischen Entwicklung (zu dieser Kopetzki in FS Winkler (1989) 91 [95 ff]) eng aus und erachten nur die Äußerungen eines Abgeordneten als in Ausübung seines Berufes abgegeben, die im Plenum oder in den Ausschüssen des Nationalrats vorgetragen wurden (Adamovich/Funk aaO). Äußerungen auf Pressekonferenzen fallen nicht darunter, obwohl sie ohne Zweifel im Rahmen der allgemeinen politischen Tätigkeit des Abgeordneten abgegeben wurden (MR 1988, 88; für den Landtagsabgeordneten: JBl 1989, 246). Grundsätzlich fallen damit also auch die auf einer Pressekonferenz bloß wiederholten Äußerungen, die der Abgeordnete zum Nationalrat schon im Plenum abgegeben hatte, nicht unter die berufliche Immunität des Art 57 B-VG. Nach der Entscheidung SZ 50/111 unterliegt eine solche Wiederholung aber auch nicht der sachlichen Immunität des Art 33 B-VG, der wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrats und seiner Ausschüsse von jeder Verantwortung freistellt. Im Hinblick auf diese Verfassungsbestimmung erachten manche Lehrmeinungen auch den Abgeordneten selbst für berechtigt, über seine im Plenum getätigten Äußerungen "wahrheitsgetreu zu berichten", sie also außerhalb des Plenums unter dem Schutz der sachlichen Immunität zu wiederholen (Adamovich/Funk aaO). Kopetzki (aaO 116 Anm 108) verweist allerdings zutreffend auf die schwierige Abgrenzung zwischen der schutzlosen Wiederholung und einem durch Art 33 B-VG geschützten Bericht. Schon diese nach Auffassung des erkennenden Senates geradezu unmögliche Grenzziehung spricht dafür, entweder in Abkehr von der bisherigen restriktiven oberstgerichtlichen Rechtsprechung den Immunitätsschutz auf die allgemeine Berufsausübung des Abgeordneten, also auf die bloße Wiederholung einer im Plenum erfolgten Äußerung auszudehnen oder aber aus dem schon in SZ 50/111 angeführten Grund die Immunität deswegen zu verneinen, weil der Abgeordnete nicht außerhalb des Nationalrats wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen sanktionslos wiederholen dürfen soll, da er im Gegensatz zu einem dritten Berichterstatter ja genau über die Unrichtigkeit seiner Behauptungen Bescheid weiß. Dieses Argument ist durchaus schlüssig und wird auch von Korn in seiner Entscheidungsanmerkung MR 1988, 89 vertreten. Das Rechtsschutzbedürfnis des Einzelnen gegen wahrheitswidrige Politikeräußerungen ist so wichtig, dass die sachliche Immunität nach Art 33 B-VG auf den schon nach dem Wortlaut der Bestimmung anwendbaren geschützten Personenkreis beschränkt bleiben soll, nämlich die vom Redner zu unterscheidenden dritten Berichterstatter. Die gesetzliche Bestimmung hat offenkundig die Pressefreiheit im Auge (vgl die inhaltsgleiche Bestimmung des § 30 MedienG), im Kern also die Zitierfreiheit von Journalisten. Auch nach der sogenannten "Zitatenjudikatur" wird für eine neutrale Berichterstattung, also die Wiedergabe der Äußerungen eines Dritten, nicht gehaftet (6 Ob 2018/96z = SZ 69/113; 6 Ob 244/98w uva). Natürlich kann man auch den Abgeordneten selbst als Berichterstatter qualifizieren und seinem Selbstzitat den Immunitätsschutz zubilligen. Das Bedürfnis des Abgeordneten für eine solche Auslegung ist aber im Verhältnis zu den Interessen des sonst völlig schutzlosen Betroffenen als eindeutig geringer zu bewerten. Letzterer muss ohnehin die Berichterstattung über die Äußerung des Abgeordneten im Plenum ohne jede Sanktionsmöglichkeit über sich ergehen lassen. Dass der Abgeordnete selbst, wo und wann immer er will, seine Äußerungen unter Immunitätsschutz wiederholen dürfte, hat mit dem Schutz der Berufsausübung des Abgeordneten (nach der dargestellten, der historischen Entwicklung entsprechenden engen Auslegung) nichts mehr zu tun und führte nur dazu, dass Politiker missliebige Personen ohne jede Verantwortlichkeit gegenüber dem Betroffenen nachhaltig schädigen könnten, wenn sie nur zuvor die Vorwürfe in einer Sitzung des Nationalrates geäußert haben. Dem Interesse des Abgeordneten an der Aufdeckung von Missständen, ohne dass er kostenintensive Klageführungen befürchten müsste, ist durch die berufliche Immunität ausreichend gewahrt. Die Publizität des aufgedeckten Sachverhalts erscheint durch die sachliche Immunität der Berichterstattung Dritter gesichert. Bedeutsame Themen und Sachverhalte werden von den Medien im Regelfall gerne aufgegriffen (Skandalberichterstattung), sodass es nicht einer ständigen Wiederholung der Vorwürfe des Abgeordneten außerhalb des Plenums bedarf, um das allgemeine Interesse zu wecken. Art 33 B-VG ist keine Grundlage dafür, dass im Ergebnis die berufliche Immunität des Abgeordneten nach Art 57 B-VG ausgedehnt wird.

Das Erstgericht hat eine mündliche Wiederholung der im Plenum des Nationalrats erfolgten Äußerungen des Beklagten nicht feststellen können, wohl aber die Verteilung von Kopien des stenografischen Protokolls und den schon zitierten mündlichen Zusatz des Beklagten zur Person des Klägers. Damit hat der Beklagte seine Äußerungen im Nationalrat zumindest im Ergebnis wiederholt, weil es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob die Wiederholung mündlich oder schriftlich erfolgt. Der Fall kann nicht anders beurteilt werden, als hätte der Beklagte seine Vorwürfe in Briefform wiederholt, was zweifelsfrei unter den Verbreitungsbegriff des § 1330 Abs 2 ABGB fallen würde. Durch den Zusatz in der Pressekonferenz geht überdies die Identifikation des Beklagten mit seinen Äußerungen in der Rede vor dem Nationalrat klar hervor. Die Übergabe von Fotokopien des stenografischen Protokolls und die zusätzliche mündliche Erklärung sind ein einheitlicher Verbreitungsakt.

Aus den dargelegten Gründen kann die Rechtsmeinung der Vorinstanzen über die sachliche Immunität des Beklagten nach Art 33 B-VG nicht geteilt werden. Damit ist im Ergebnis aber für den Standpunkt des Klägers aus folgenden Gründen nichts gewonnen:

Ehrverletzende und rufschädigende Äußerungen sind stets nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fielen und dem dadurch vermittelten Eindruck zu beurteilen (MR 1995, 16; 6 Ob 2300/96w uva). Danach hat der Beklagte in seiner Rede über verschiedene in den Medien publizierte Vorwürfe, die gegen Unternehmen aus dem Bereich der Abfallwirtschaft gerichtet waren, hingewiesen und die Überprüfung der Verwendung von Steuermitteln für die Abfallbeseitigung und Entsorgung durch eine öffentliche objektive Stelle (Umweltbundesamt) gefordert. Namentlich erwähnt wurden die "Berger Deponie" und die "Fischer Deponie". Der Kläger reisst die Äußerungen des Beklagten aus ihrem Zusammenhang und unterlegt ihnen den Inhalt, der Beklagte habe dem Kläger persönlich eine Beteiligung an kriminellen Vorgängen bei der Altlastensanierung der Berger Deponie unterstellt. Dieser Standpunkt wäre nur bei einer isolierten Betrachtungsweise berechtigt. Hier hatte der Beklagte aber ohnehin darauf hingewiesen, dass er die Berger Deponie nicht kriminalisieren, wohl aber kontrollieren wolle. Seine Ausführungen zur Person des Klägers betrafen dessen unstrittige Tätigkeit als Sprecher verschiedenster in der Abfallwirtschaft tätiger Organisationen, und zwar erkennbar einerseits solcher, die die Entsorgung betreiben und andererseits derjenigen, die die Entsorgung durch die Betriebe kritisch prüfen. Die unmittelbar an die vielfältigen Funktionen des Klägers anschließende Bezeichnung "dubiose Figur" ist damit nach dem Gesamtzusammenhang inhaltlich nicht einem Vorwurf krimineller Tätigkeit gleichzustellen, sondern als kritische Wertung einer überprüfungsbedürftigen Interessenkollision zu werten. "Dubios" bedeutet nach dem Gesamtzusammenhang hier in etwa fragwürdig oder aufklärungsbedürftig. Der Verdacht bezog sich - wieder nach dem Gesamtzusammenhang gesehen - auf die gesamte Branche der Abfallwirtschaft, in der in der Vergangenheit notorischerweise grobe Missstände existierten. Zur Berger Deponie äußerte der Beklagte konkret die vom Kläger als richtig zugestandene Tatsache, dass von den rund 900.000 Tonnen Entsorgungsmaterial von den Entsorgungsbetrieben Simmering nur 400 Tonnen übernommen worden waren, stellte die Frage nach dem Verbleib und der Verarbeitung des übrigen Materials und hielt dies für überprüfungsbedürftig. Wenn weiters unstrittig feststeht, dass der Kläger Berater der für die Räumung zuständigen ARGE war, ist die Sache auch ohne Feststellungen über die Verarbeitung des restlichen Entsorgungsmaterials spruchreif, weil auf der Basis des für den Wahrheitsbeweis relevanten Tatsachenkerns (dazu Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 66 mwN; 6 Ob 22/95 = RdU 1996, 45 uva) und nach der gebotenen Auslegung nach dem Gesamtzusammenhang von einem konkreten, nicht unwahren Sachverhalt auszugehen ist und auf dieser Basis das Werturteil "dubiose Figur" als nicht exzessive Kritik beurteilt werden durfte.

Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen nicht berechtigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 78 und 402 EO und §§ 41 und 50 ZPO.

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