European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00067.20A.0909.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Den Rechtsanwalt treffen nach § 9 RAO und § 1009 ABGB eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung seiner Kardinalspflicht sind, nämlich der Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsbetreuung (RS0112203; RS0038682 [T15]).
1.2. Welche konkreten Pflichten aus den von der Rechtsprechung allgemein entwickelten Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich immer nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalls (RS0112203 [T10]). Auch die Beurteilung, ob ein Rechtsanwalt die im konkreten Fall nach § 1299 ABGB gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0026584 [T21]; RS0023526 [T16]; vgl RS0026535 [T8]).
2.1. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte den Kläger als Klagevertreter in einem Vorprozess wegen Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall vertreten.
2.2. Mit dem Revisionsvorbringen, der Beklagte hätte den Kläger im Hinblick auf die Geltendmachung von Verdienstentgang für das Jahr 2011 beraten müssen, wird keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufgezeigt, weil nicht dargetan wird, inwiefern das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall von den in der Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts entwickelten Grundsätzen abgegangen sein soll (vgl RS0042779). Der Revisionswerber setzt sich auch nicht mit den Ausführungen des Berufungsgerichts auseinander, das im Einzelnen darlegte, wie der Beklagte den Erfolg einer Klagsausdehnung nach dem jeweiligen Verfahrensstand einschätzen durfte, wie er den Kläger darüber aufklärte und über welche prozessualen Handlungsoptionen – etwa das Abwarten der Gutachtenserörterung – er den Kläger, der nicht rechtsschutzversichert und bestrebt war, sein Kostenrisiko gering zu halten, informierte.
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird im Zusammenhang mit der Aufklärung des Beklagten über die Möglichkeiten der Einklagung von Verdienstentgang für weitere Zeitperioden daher nicht aufgezeigt.
2.3. Es begründet auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht eine Verpflichtung des Beklagten verneinte, gesondertes Vorbringen zu den medizinischen Unterlagen des Klägers zu erstatten, die dem Sachverständigen ohnehin vorlagen. Die Frage nach einer derartigen Verpflichtung vermag eine erhebliche Rechtsfrage schon deshalb nicht zu begründen, weil sie für den Ausgang des Rechtsstreits nicht entscheidend ist und ihr daher nur theoretische Bedeutung zukäme (vgl RS0111271). Es steht nämlich fest, dass das Sachverständigengutachten nicht anders ausgefallen wäre, wenn der Beklagte ein detailliertes Vorbringen zum Leidensweg des Beklagten erstattet hätte.
2.4. Der Kläger ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RS0022700). Die Feststellung, dass die Erstattung weiteren Vorbringens keinen Einfluss auf das Sachverständigengutachten gehabt hätte, ist daher bereits vom eigenen Vorbringen des Klägers gedeckt und nicht überschießend (vgl RS0040318).
3. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind – hier: die Nichteinholung von Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Unfallchirurgie und der Berufskunde –, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RS0042963).
4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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