Spruch:
Eine Rechtssache, deren Entscheidung dem Fideikommißgericht obliegt, ist in das außerstreitige Verfahren unter Berücksichtigung der in Fideikommißsachen bestehenden verfahrensrechtlichen Sondervorschriften verwiesen. Eine Klage ist daher nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes, sondern wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurückzuweisen.
OGH 17. November 1977, 6 Ob 670/77 (OLG Wien 6 R 66/77; LGZ Wien 39 e Cg 5/75)
Text
Der Beklagte trat im Jahre 1921 auf Grund des Testamentes seines Großonkels vom 26. August 1919 die Rechtsnachfolge in die beiden Fideikommisse an.
Mit der vorliegenden, am 31. Dezember 1974 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 432 000 S (monatliche Unterhaltsleistung von 12 000 S für die letzten drei Jahre vor Klagseinbringung) und zur Leistung einer monatlichen Unterhaltsrente von 16 000 S für die Zeit ab 1. Jänner 1975.
Die Klägerin stützte ihr Begehren im wesentlichen darauf, daß der Beklagte im Sinne der letztwilligen Anordnungen seines Rechtsvorgängers gegenüber seinem Bruder Rainer zu Unterhaltsleistungen verpflichtet gewesen sei. Dieser Versorgungsanspruch sei durch das gesetzliche Erlöschen des Fideikommisses nicht berührt worden. Der Beklagte habe auch nach dem 1. Jänner 1939 bis zur Verschleppung seines Bruders Rainer - unabhängig von dessen Arbeitseinkommen - regelmäßig monatlichen Unterhalt teils in natura und teils durch Geldzahlungen in ungarischer Währung geleistet. Dabei habe er die monatliche Geldrente nach der Eheschließung seines Bruders mit der Klägerin von 1500 auf 3000 Pengö erhöht. Die letztwillige Anordnung von Versorgungsleistungen zugunsten des Bruders des Beklagten habe nach dem Hausgesetz vom 1. März 1855 im Zusammenhang mit den darin erwähnten Observanzen, den Grundsätzen des Privatfürstenrechtes und dem Willen des Testators die Wirkung, daß auch Versorgungsansprüche einer unversorgten Witwe des Begünstigten bestimmt worden seien. Die Klägerin befinde sich als Witwe des versorgungsberechtigten Bruders in einer unverschuldeten Notlage. Sie sei vermögenslos, finde bei ihrem Lebensalter von mehr als 60 Jahren keine Erwerbsmöglichkeit mehr und beziehe lediglich von der Pensionsversicherung der Angestellten eine monatliche Pension von etwas mehr als 2000 S. Das dem Beklagten als dem letzten Fideikommißbesitzer in das freie Eigentum zugefallene inländische Vermögen gestatte es ihm, die begehrten Unterhaltsbeträge zu bezahlen.
Der Beklagte hafte als letzter Fideikommißbesitzer, dem das im Inland gelegene ehemalige Fideikommißvermögen in das freie Eigentum zugefallen sei, für die aus dem Testament seines Rechtsvorgängers abzuleitenden Versorgungsansprüche der Klägerin, und zwar einerseits kraft fideikommißrechtlicher Vorschriften (§ 4 FidErlG im Zusammenhang mit § 4 DVFidErlG), andererseits kraft allgemeinen Erbrechtes (Unterhaltsvermächtnis nach Art. 3 lit. d des Testamentes vom 26. August 1919) und letztlich deswegen, weil er die Klägerin über das Verfahren vor dem Fideikommißgericht nicht in Kenntnis gesetzt und dem Fideikommißgericht verschwiegen habe, daß die Klägerin in Not geraten und unversorgt sei.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er bestritt jede Rechtspflicht zu den seinem Bruder tatsächlich erbrachten Leistungen, bekämpfte die von der Klägerin verfochtene Auslegung des Testamentes seines Rechtsvorgängers im Sinne einer Erstreckung der Unterhaltsansprüche auf sie und leugnete jeden eigenen Unterhaltsanspruch der Klägerin. Er habe Unterhaltsansprüche seines Bruders Rainer oder der Klägerin niemals anerkannt. Er wendete Verjährung ein und machte geltend, daß der Testator jede gerichtliche Austragung von Meinungsverschiedenheiten über Grund und Höhe der von ihm angeordneten Versorgungsansprüche ausdrücklich verboten habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß aus Anlaß dieser Berufung das Urteil des Erstgerichtes und das erstinstanzliche Verfahren insoweit als nichtig auf, als das Klagebegehren auf Art. 2 des Testamentes von 26. August 1919 und auf fideikommißrechtliche Bestimmungen gestützt wurde; in diesem Umfang wies es die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Im übrigen, insbesondere insoweit, als das Klagebegehren auf Art. 3 des oben erwähnten Testamentes gestützt wurde, ordnete es die Unterbrechung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung des Fideikommißgerichtes an. Soweit das Verfahren für nichtig erklärt wurde und das Berufungsverfahren diesen Verfahrensteil betraf, hob es die Kosten gegenseitig auf. Das Berufungsgericht führte aus, daß aus Anlaß der Berufung im Hinblick auf § 30 Abs. 4 bis 7 DVFidErlG im Zusammenhalt mit Art. III des Gesetzes vom 3. Oktober 1945, StGBl. 188, die sachliche Zuständigkeit insoweit zu prüfen sei, als das Begehren auf fideikommißrechtliche Versorgungsansprüche gestützt werde. Das Oberlandesgericht Wien sei das für ganz Österreich zuständige Fideikommißgericht erster Instanz. Es sei unter anderem auch für Rechtsstreitigkeiten zuständig, die zwischen Fideikommißbesitzern und Versorgungsberechtigten über fideikommißrechtliche Versorgungsansprüche geführt würden. Diese ausschließliche Zuständigkeit bleibe auch nach Beendigung der Fideikommißauflösung solange aufrecht, als das Fideikommißgericht institutionell bestehe. Die Fideikommißgerichtsbarkeit sei bisher nicht gesetzlich aufgehoben worden. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien als Fideikommißgericht bestehe daher nach wie vor; sie sei als Kompetenz eines Sondergerichtes unabdingbar.
Soweit die Klägerin ihr Begehren auf fideikommißrechtliche Bestimmungen im Sinne des § 71 DVFidErlG stütze, also auf die Anordnungen im Art. 2 des Testamentes vom 26. August 1919 im Zusammenhang mit dem Hausgesetz, den darin erwähnten Observanzen und den Grundsätzen des Privatfürstenrechtes sowie auf § 4 FidErlG, unterliege der Rechtsstreit der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Fideikommißgerichtes, das hierüber im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden habe.
Es sei daher das erstinstanzliche Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO insoweit nichtig, als das Unterhaltsbegehren auf fideikommißrechtliche Bestimmungen gestützt worden sei. In diesem Umfang sei auch die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.
Soweit der Unterhaltsanspruch aber auf einen anderen Rechtsgrund gestützt werde, hänge die Entscheidung vom Bestehen oder Nichtbestehen des fideikommißrechtlichen Versorgungsanspruches ab, so daß der Rechtsstreit von Amts wegen bis zur Entscheidung des Fideikommißgerichtes zu unterbrechen (auszusetzen) sei; diese zwingend gebotene Verfahrensunterbrechung habe in jeder Lage des Rechtsstreites zu erfolgen. Seine Kostenentscheidung begrundete das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf § 51 Abs. 3 ZPO.
Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs des Beklagten, soweit er sich gegen die Unterbrechung des Berufungsverfahrens und die vom Berufungsgericht getroffene Kostenentscheidung richtete, zurück.
Im übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die teilweise Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und des ihm vorangegangenen Verfahrens wegen Nichtigkeit und die Zurückweisung der Klage in diesem Umfang richtet, gemäß § 519 Z. 2 ZPO zulässig. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs. 2 Z. 1 ZPO kommt hier nicht zum Tragen, weil es sich nicht um die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches handelt. Auch die prozessuale Beschwerde des Beklagten durch diesen. Teil der angefochtenen Entscheidung ist zu bejahen; dem Beklagten steht das Rekursrecht zu, wenn die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück-, statt als unbegrundet abgewiesen wurde (SZ 8/97; JBl. 1951, 574; 3 Ob 110/74).
Sachlich ist das Rechtsmittel des Beklagten aber in diesem Umfang nicht berechtigt.
Gemäß Art. III Abs. 1 des Gesetzes vom 3. Oktober 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung der österreichischen bürgerlichen Rechtspflege, StGBl. 188/1945, sind die Vorschriften der Gesetze zur Vereinheitlichung der Fideikommißauflösung vom 26. Juni 1935, DRGBl.
I S. 785 (GBlÖ 479/1938), und über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 DRGBl. I S. 825 (GBlÖ 254/1938), sowie der weiteren zur Ergänzung und Durchführung dieser Gesetze erlassenen Verordnungen, soweit sie durch andere näher bezeichnete Vorschriften abgeändert oder aufgehoben worden sind, wieder in Kraft getreten.
Gemäß § 21 Abs. 1 FidErlG ist das Oberlandesgericht Wien für ganz Österreich Fideikommißgericht erster Instanz. Gemäß § 30 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 20. März 1939, DRGBl. I S. 509 (DVFidErlG), ist das Fideikommißgericht u. a. zuständig für die mit dem Fideikommiß oder seiner Auflösung zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Fideikommißbeteiligten oder ihren Rechtsnachfolgern. Dies gilt insbesondere für Streitigkeiten über die Nachfolge, über Rechtsverhältnisse einer Vor- und Nacherbschaft sowie über Versorgungs-, Abfindungs- und ähnliche Ansprüche. Diese Vorschrift gilt auch für die Zeit nach Beendigung der Auflösung (§ 30 Abs. 7 DVFidErlG).
Gemäß § 27 Abs. 1 DVFidErlG richtet sich das Verfahren vor dem Fideikommißgericht nach den "bisherigen Vorschriften". Als solche kommen die verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht, die im Gesetz zur Vereinheitlichung der Fideikommißauflösung vom 26. Juni 1935, DRGBl. I S. 785, in der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Fideikommißauflösung vom 24. August 1935, DRGBl. I S. 1103, im Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938, DRBGl. I S. 825, in der Verordnung über die Einführung fideikommißrechtlicher Vorschriften im Land Österreich vom 28. September 1938, DRGBl. I S, 1323, und schließlich in der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikomisse und sonstiger gebundener Vermögen selbst enthalten sind. Gemäß § 27 Abs. 2 DVFidErlG sind in Ermangelung besonderer Verfahrensvorschriften die Vorschriften über das Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Im Art. III Abs. 3 des Gesetzes vom 3. Oktober 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung der österreichischen bürgerlichen Rechtspflege ist ausdrücklich angeordnet, daß für die Anfechtung der Entscheidungen des Fideikommißgerichtes und für das Rechtsmittelverfahren die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen gelten und daß über die Rechtsmittel der OGH zu entscheiden hat.
Aus allen diesen gesetzlichen Grundlagen folgt, daß zwischen den ordentlichen Gerichten und dem Fideikommißgericht nicht nur die sachliche Zuständigkeit abgegrenzt wurde, sondern daß eine Rechtssache, deren Entscheidung dem Fideikommißgericht obliegt, dem Zivilprozeß entzogen und m eine andere Verfahrensart, nämlich in das außerstreitige Verfahren unter Berücksichtigung der in Fideikommißsachen bestehenden verfahrensrechtlichen Sondervorschriften, verwiesen ist (vgl. Fasching, Kommentar I, 149; Koehler - Heinemann, Das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen, 359).
Wird also ein Anspruch, über den das Fideikommißgericht zu entscheiden hat, im Zivilprozeß vor einem ordentlichen Gericht geltend gemacht, dann ist er nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes, sondern wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurückzuweisen (vgl. Fasching a. a. O., 127).
Der Beklagte bestreitet nur in seinem Rechtsmittel nicht, daß die Klägerin den geltend gemachten Anspruch - neben anderen Rechtsgrundlagen - auch auf die Behauptung fideikommißrechtlicher Versorgungsansprüche im Sinne des § 71 DVFidErlG stützt; tatsächlich tut sie dies ohne Zweifel, wenn sie sinngemäß davon ausgeht, daß ihr im Sinne des § 4 FidErlG bzw. des § 4 Abs. 1 und 2 DVFidErlG Versorgungsansprüche zustunden, auf Grund welcher der Beklagte zu der von ihr verlangten Leistung verpflichtet sei.
Die Entscheidung über derartige Versorgungsansprüche obliegt aber gemäß § 30 Abs. 4 DVFidErlG dem Fideikomißgericht.
Wenn der Beklagte in seinem Rechtsmittel ausführt, daß derartige Versorgungsansprüche der Klägerin unberechtigt seien, ist ihm zu entgegnen, daß es bei der Beurteilung zur Zulässigkeit des Rechtsweges nicht auf die Berechtigung des gestellten Begehrens, sondern auf seine Art ankommt (Fasching a. a. O., 260; EvBl. 1964/10; EvBl. 1966/379; SZ 44/40 u. a.).
Die Klägerin leitet ihre behaupteten fideikommißrechtlichen Versorgungsansprüche auch nicht von solchen ihres verstorbenen Gatten ab, sondern behauptet eigene Ansprüche dieser Art. Die seinerzeitige Abweisung der Anträge des Gatten der Klägerin auf Sicherstellung und auf Ablösung fideikommißrechtlicher Versorgungsansprüche durch das Fideikommißgericht kann daher entgegen der im Rekurs des Beklagten vertretenen Rechtsmeinung eine Rechtskraft- oder Bindungswirkung gegenüber der Klägerin nicht begrunden.
Auch der Hinweis des Beklagten auf § 30 Abs. 6 DVFidErlG geht fehl. Diese Bestimmung sagt nur, daß dann, wenn in einem nicht zur Zuständigkeit des Fideikommißgerichtes gehörenden Rechtsstreit die Entscheidung vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das nach fideikommißrechtlichen Bestimmungen (§ 71 DVFidErlG) zu beurteilen ist, das Gericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, von Amts wegen das Verfahren bis zur Entscheidung des Fideikommißgerichtes über dieses Rechtsverhältnis auszusetzen hat. Daraus läßt sich aber nicht ableiten, daß eine Klage, mit der ein vor das Fideikommißgericht gehöriger Anspruch vor einem ordentlichen Gericht geltend gemacht wird, nicht wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurückzuweisen wäre.
Zusammenfassend ergibt sich somit, daß das Berufungsgericht, soweit das Begehren der Klägerin auf die Behauptung eines fideikommißrechtlichen Versorgungsanspruches gestützt war, mit Recht die dem Erstgericht unterlaufene Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO wahrgenommen und insoweit das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen hat.
In diesem Umfang mußte daher dem Rekurs des Beklagten der Erfolg versagt bleiben.
Soweit sich aber das Rechtsmittel des Beklagten gegen die Unterbrechung des Berufungsverfahrens und die vom Berufungsgericht getroffene Kostenentscheidung richtet, ist es unzulässig.
Zufolge der Vorschrift des § 519 ZPO ist ein Unterbrechungsbeschluß des Berufungsgerichtes unanfechtbar (Fasching, Kommentar IV, 408; SZ 27/319). Die Anfechtung der vom Berufungsgericht getroffenen Entscheidung im Kostenpunkt ist dem Beklagten zufolge der im § 528 Abs. 1 ZPO normierten Rechtsmittelbeschränkung verwehrt.
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