Normen
ABGB §858
JN §1
JN §42 Abs3
ZPO §240 Abs3
ZPO §519 Z2
ABGB §858
JN §1
JN §42 Abs3
ZPO §240 Abs3
ZPO §519 Z2
Spruch:
Unzulässigkeit des Rechtsweges, wenn der Anspruch auf Entfernung einer Trennmauer und auf Errichtung eines - bestimmten Erfordernissen entsprechenden - Grenzzaunes ausschließlich auf das öffentliche Recht (Bauordnung) gestützt wird
Der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem ein vom Erstgericht sachlich abgewiesenes Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück gewiesen wird, kann auch vom Beklagten angefochten werden
OGH 31. 3. 1971, 5 Ob 62/71 (OLG Wien 6 R 220/70; LGZ Wien 21 Cg 150/70)
Text
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, die der Ortsbausatzung für P (NÖ) widersprechende Abgrenzungsmauer zwischen den Liegenschaften P, S-gasse 21 und S-gasse 23 abzutragen und einen Zaun zwischen den beiden Liegenschaften zu errichten, welcher im Bereich der Vorgärten durchsichtig auszuführen sei, ab, weil der derzeitige Zustand der Grenzmauer zwischen den beiden Grundstücken der Streitteile dem öffentlichen Recht, nämlich der Ortsbausatzung der zuständigen Gemeinde, auf die der Klageanspruch ausschließlich gestützt sei, nicht widerspreche. Es sei auch nicht zu prüfen, ob die Grenzmauer nachbarrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes widerspreche.
Das Berufungsgericht erklärte aus Anlaß der Berufung der Kläger das angefochtene Urteil sowie das Verfahren ab Klagezustellung als nichtig und wies die Klage zurück. Das Berufungsgericht war gleich dem Erstgericht der Meinung, daß die Klage ausdrücklich und nur auf die Bestimmungen der Ortsbausatzung für P gestützt sei, die jedoch den Anrainern keine subjektiven Privatrechte gewähre. Es sei deshalb weder zu untersuchen, ob das Klagevorbringen auch nach einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt beurteilt werden könne, insbesondere ob die Beklagten einen Anspruch der Kläger nach § 858 ABGB verletzten, noch müsse geprüft werden, ob etwa die nöBauO den Klägern subjektive öffentliche Rechte einräume.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 519 Z 2 ZPO ist gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem die Nichtigkeit des erstrichterlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage durch Beschluß ausgesprochen wird, der Rekurs statthaft. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen der Anfechtung dieses Beschlusses durch den Kläger und den Beklagten. Allerdings verneint die Rechtsprechung das Rekursrecht des Beklagten gegen die Zurückweisung einer Klage a limine (SZ 8/313). Darauf, ob der Beklagte eine entsprechende Einwendung erhoben hat, kann es keinesfalls ankommen, da nach § 42 Abs 1 JN und § 240 Abs 3 ZPO Prozeßhindernisse auch von Amts wegen jederzeit zu berücksichtigen sind, sofern keine noch bindende Entscheidung darüber entgegensteht (Jud 63 neu = SZ 28/265). Andererseits sprach der OGH aber bereits aus, daß dem Beklagten ein Rekursrecht einzuräumen sei, wenn die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen statt als unbegrundet abgewiesen wurde, da die "rechtlichen Auswirkungen dieser Entscheidungen für den Beklagten sehr verschieden seien" (SZ 8/97; ebenso 5 Ob 123/67 ua, bzw hinsichtlich des Prozeßhindernisses der entschiedenen Streitsache JBl 1951, 574). Wenn nun, wie im vorliegenden Fall, die Zurückweisung der Klage erst im Berufungsverfahren erfolgte, kann keinesfalls gesagt werden, daß der Beklagte noch nicht Beteiligter des Verfahrens wäre (dazu vgl Begründung SZ 8/313, Jud 63 neu = SZ 28/265 und die dagegen von Fasching, Komm z d ZPG I 262 ff erhobenen Bedenken). Es ist nicht richtig, daß der Beklagte nur aus Kostengrunden daran interessiert sein könne, ob die gegen ihn erhobene Klage abgewiesen oder zurückgewiesen wird; vielmehr erscheint es auch für den Beklagten von wesentlicher Bedeutung, ob der gegen ihn erhobene Anspruch endgültig als nicht zu Recht bestehend erkannt wird, oder ob er damit rechnen muß, diesen gegen ihn erhobenen Anspruch vor einem anderen Gericht oder einer Verwaltungsbehörde neuerlich abwehren zu müssen. Der Rekurs der Beklagten ist daher zulässig.
Der Rekurs ist jedoch nicht begrundet.
Für die Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist sowohl der Wortlaut des Klagebegehrens wie auch die Natur des geltend gemachten Anspruches maßgebend (vgl Fasching aaO 260; JBl 1931, 18; JBl 1948, 17 ua). Diesfalls begehrten die Kläger als Nachbarn der Beklagten die Entfernung eines auf dem Grundstück der Beklagten von diesen errichteten Bauwerkes und die Herstellung eines bestimmten Voraussetzungen entsprechenden Zaunes zwischen beiden Liegenschaften. Die Kläger leiteten den geltend gemachten Entfernungsanspruch in der Klage, wie die Untergerichte richtig erkannten und die Rekurswerber nicht in Abrede stellen, ausschließlich aus dem öffentlichen Recht ab, indem sie behaupteten, daß die zu entfernende Mauer der "Ortsbausatzung von P" widerspreche. Auf welchen Rechtsgrund die Kläger ihr Begehren auf Errichtung eines im Bereich der Vorgärten "durchsichtig" auszuführenden Zaunes zwischen den Grundstücken der Streitteile stützten, ist aus der Klage überhaupt nicht ersichtlich; insbesondere beriefen sich die Kläger zur Begründung dieses Anspruches weder auf eine von den Beklagten übernommene vertragliche Verpflichtung noch etwa auf die Vorschrift des § 858 ABGB. Daß die Voraussetzungen für eine Erhaltungspflicht der Beklagten nach dem ersten Satz des § 858 ABGB oder für die Neueinfassungspflicht nach dem zweiten Satz des § 858 ABGB diesfalls gegeben wären, ist der Klage nicht zu entnehmen. Die Klage kann daher überhaupt nur dann als schlüssig angesehen werden, wenn angenommen wird, daß die Kläger beide Ansprüche aus dem öffentlichen Recht ableiteten. Im Zuge des Verfahrens stützten die Kläger ihr Begehren auf Entfernung der Trennmauer allerdings auch auf die Behauptung, daß diese Mauer einen Lichtverlust für die Liegenschaft der Kläger mit sich bringe.
In § 476 ABGB wird ua als eine Hausservitut, durch die der Besitzer des dienstbaren Gründes verpflichtet wird, etwas zu unterlassen, was ihm sonst frei steht, die Verpflichtung angeführt, dem herrschenden Gebäude Licht und Luft nicht zu benehmen. Daß der Anspruch der Kläger auf einer solchen Servitut beruhe, wurde nie behauptet. Darüber hinaus untersagt § 364 ABGB die Ausübung des Eigentumsrechtes insofern, als dadurch in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht oder die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. In diesem Sinne ist die Ausführung von Bauten auf eigenem Gründe nur nach Maßgabe der Bauordnungen gestattet, welche im öffentlichen Interesse Beschränkungen enthalten, die sich bis zum völligen Bauverbot steigern können (Klang[2] II 158). Eine Untersuchung, ob diesfalls das Eigentumsrecht der Beklagten im öffentlichen Interesse derartigen Beschränkungen unterworfen ist, kann hier unterbleiben, da die Wahrnehmung der öffentlichrechtlichen Beschränkungen des Eigentumsrechtes den Verwaltungsbehörden obliegt und nur privatrechtliche Beschränkungen mit Hilfe der Gerichte, wenn auch nicht immer im ordentlichen Rechtsweg, durchgesetzt werden können (Klang[2] II 155). Da hier die Natur des von den Klägern geltend gemachten Anspruches seine Geltendmachung im Rechtsweg ausschließt, hat das Berufungsgericht mit Recht das Urteil der ersten Instanz und das Verfahren ab Klagezustellung für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.
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