OGH 3Ob780/54

OGH3Ob780/5415.12.1954

SZ 27/319

Normen

ZPO §190
ZPO §192
ZPO §519
ZPO §190
ZPO §192
ZPO §519

 

Spruch:

Spruchrepertorium Nr. 39.

Unzulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Unterbrechungsbeschluß.

Entscheidung vom 15. Dezember 1954, 3 Ob 780/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Mit dem angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes wurde das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Pachtschutzverfahrens Psch 6/53 Pachtamtes beim Bezirksgericht Kitzbühel gemäß § 190 ZPO. unterbrochen.

Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Unterbrechungsbeschluß wurde vom Obersten Gerichtshof als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Der Oberste Gerichtshof hat in den letzten Jahren wiederholt zu dieser Frage Stellung genommen und hat unter Berufung auf die erschöpfende Aufzählung der zulässigen Rekurse gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse im Berufungsverfahren im § 519 ZPO. die Unzulässigkeit des Rekurses gegen einen Unterbrechungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausgesprochen, so in den Entscheidungen 1 Ob 298, 299/54, 2 Ob 77/52, 3 Ob 464/48, 3 Ob 550/50, 4 Ob 78/54. Erstmalig in der Entscheidung 2 Ob 359/54 und in der dieser folgenden gleichlautenden Entscheidung 2 Ob 826/54 hat sich der Oberste Gerichtshof für die Zulässigkeit des Rekurses im Anschluß an die von Novak vertretene Lehre (JBl. 1953, S. 84) ausgesprochen. Darin wird zunächst die Ansicht vertreten, daß § 519 ZPO. keineswegs erschöpfend die Rekursmöglichkeiten regelt, sondern nur eine Gruppe von Beschlüssen, die als prozeßbeendende zusammengefaßt werden, heraushebt, ohne damit alle anderen Beschlüsse von der Rekursmöglichkeit auszuschließen.

Es ist zuzugeben, daß eine Einschränkung des § 519 ZPO. in der Richtung vorgenommen werden muß, daß diese Bestimmung jedenfalls nur auf jene Beschlüsse angewendet werden kann, die im eigentlichen Berufungsverfahren und vom Berufungsgericht als solchen (nicht etwa in einer rekursgerichtlichen Tätigkeit) gefaßt werden. Es kann aber der Schlußfolgerung nicht zugestimmt werden, daß sich schon aus der Tatsache, daß das Gesetz an anderer Stelle Anfechtungsbeschränkungen enthält, ergibt, daß der Aufzählung der Anfechtungsmöglichkeiten im § 519 ZPO. keine erschöpfende Bedeutung zukommt. Es wird dabei auf die Sonderanfechtungsbeschränkungen der §§ 479 Abs. 1 dritter Satz, 479a Abs. 2 dritter Satz und 490 zweiter Satz sowie 500 Abs. 4 ZPO. verwiesen. Der Schluß, daß der Gesetzgeber nur deshalb diese Rekursbeschränkungen ausgesprochen hat, weil er diese Fälle nicht unter die Beschränkung des § 519 fallend angesehen hat, ist schon deshalb nicht am Platz, weil diese Sonderbestimmungen sich in anderem Zusammenhang vorfinden und zum Teil auch erst durch die Novellengesetzgebung eingeführt wurden, so daß auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, daß der Gesetzgeber dabei die allgemeine Bestimmung des § 519 nicht besonders ins Auge gefaßt hat.

Systematisch befindet sich § 519 in der Reihe jener Bestimmungen, die die Zulässigkeit eines Rekurses beschränken. Im § 517 werden die Rekursmöglichkeiten in Bagatellsachen, im § 518 in Besitzstörungsstreitigkeiten und im § 519 gegen die im Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse beschränkt. In allen drei Gesetzesstellen gebraucht der Gesetzgeber die gleiche Wendung: In den erwähnten Verfahren kann nur in den aufgezählten Fällen Rekurs ergriffen werden. Diese Fälle beziehen sich in Bagatell- und Besitzstörungssachen im wesentlichen auf die Fälle einer möglichen Rechtsverweigerung. § 517 gedenkt der Möglichkeiten einer solchen Rechtsverweigerung im einzelnen, sogar des Falles, daß ein Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung abgewiesen wurde. Es war dies deshalb notwendig, weil auch die Berufungsmöglichkeit gegen Bagatellurteile wesentlich eingeschränkt worden war. Da die zweite Instanz in Besitzstörungsstreitigkeiten durch einen Rekurs gegen den Endbeschluß angerufen werden kann, werden in § 518 die Möglichkeiten des Rekurses noch weiter eingeschränkt, wobei ausdrücklich erwähnt wird, daß Beschwerden gegen alle anderen Beschlüsse nur mit dem Rekurs gegen den Endbeschluß verbunden werden können. Zum Verständnis des § 519 ist zunächst zu beachten, daß das Gesetz im allgemeinen der zweiten Instanz größeres Vertrauen entgegenbringt als der ersten Instanz. Es kann daher aus der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen erstinstanzlichen Beschluß noch keinesfalls zwingend auf die Zulässigkeit desselben im Falle der Beschlußfassung durch das Rechtsmittelgericht geschlossen werden. In Bagatellsachen (§ 517 Abs. 2) ist der Rekurs gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes überhaupt ausgeschlossen, ebenso gegen Beschlüsse in Streitigkeiten wegen Besitzstörung (§ 528 Abs. 1). Die Zulässigkeit eines weiteren Rechtszuges gegen Urteile und Beschlüsse des Rechtsmittelgerichtes wird in den im Gesetz erwähnten Fällen vom nicht überprüfbaren Ermessen des Berufungsgerichtes abhängig gemacht. Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz im Kostenpunkt, über Gebühren des Sachverständigen und bei Beschwerdegegenständen, deren Wert 500 S nicht übersteigt, sind ebenfalls unzulässig (§ 528 Abs. 1). Es ist daher durchaus folgerichtig, wenn auch die Rekursmöglichkeiten gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes, soweit sie im Berufungsverfahren ergehen, im Interesse der Prozeßökonomie beschränkt werden und diese Beschränkungen viel weitergehend sind, als bei erstgerichtlichen Beschlüssen, weil die Rechtssicherheit durch die Besetzung des Rechtsmittelgerichtes bereits in genügendem Maße gewährleistet ist. Die Rekursmöglichkeit wird daher auf jene Fälle beschränkt, in denen das Berufungsrecht verweigert wird oder durch Nichtigerklärung des erstrichterlichen Urteils und Zurückweisung der Klage der Rechtsschutz überhaupt verweigert würde. Als dritter Fall wird jener hinzugefügt, in dem das Berufungsgericht selbst im Falle der Aufhebung des erstrichterlichen Urteils die Überprüfung seiner Rechtsansicht für notwendig hält. Es handelt sich bei den drei Fällen daher keineswegs durchwegs um prozeßbeendende Beschlüsse, vielmehr um drei heterogene Tatbestände, die nur gemeinsam haben, daß es sich um wichtige Beschlüsse des Berufungsgerichtes handelt, die vom Gesetzgeber ausdrücklich vom Rekursverbot ausgenommen werden. Der erste Fall schützt das Parteienrecht auf Anrufung der höheren Instanz. Im zweiten Fall wird, wie schon in den §§ 517 und 518 der Rechtschutzanspruch gewahrt. Der dritte Fall endlich dient der Prozeßökonomie. Wenn man den Wortlaut des § 519 in diesem Zusammenhange sieht, ist kaum ein Zweifel möglich, daß das Rekursrecht vom Gesetzgeber auf diese drei Fälle eingeschränkt werden sollte und daß damit alle anderen Rekurse abgeschnitten werden. Eine Einschränkung der Anwendung des § 519 kann sich daher zwanglos aus dem Wortlaut ableitbar nur daraus ergeben, daß bestimmte Beschlüsse entweder nicht als Beschlüsse des Berufungsgerichtes oder als nicht im eigentlichen Berufungsverfahren ergangen angesehen werden.

Solche Erwägungen können aber für den Unterbrechungsbeschluß nicht gelten, der, nachdem er das Berufungsverfahren unterbricht, auch zum Berufungsverfahren gehören muß. Es handelt sich dabei um eine prozeßleitende Verfügung des Berufungsgerichtes. Gerade solche im Laufe des Berufungsverfahrens ergehende prozeßleitende Verfügungen sollen aber nach § 519 ZPO. unanfechtbar sein. Daß der Gesetzgeber den Unterbrechungsbeschluß nicht einer Rechtsverweigerung gleichsetzt, zeigen die Bestimmungen der §§ 517 und 518, weil sonst auch der Unterbrechungsbeschluß dort bei der eingehenden Aufzählung der Möglichkeiten einer Rechtsverweigerung hätte Erwähnung finden müssen. Es sind aber auch Rekurse gegen Unterbrechungsbeschlüsse des Erstgerichtes im Bagatell- und Besitzstörungsverfahren unzulässig. Folgerichtig hatte der Gesetzgeber aber auch keinen Anlaß, gerade im Berufungsverfahren, in dem ein Unterbrechungsbeschluß viel weniger Bedeutung besitzt und in dem für die Rechtssicherheit in größerem Maße bereits durch die Besetzung der Richterbank gesorgt ist, den Rekursweg zu eröffnen.

In der Entscheidung 2 Ob 359/54 wird zur Begründung, warum gerade der Rekurs gegen einen Unterbrechungsbeschluß des Berufungsgerichtes zuzulassen ist, bloß angeführt, daß Unterbrechungsbeschlüsse die Parteirechte unter Umständen stark beeinträchtigen können. Dies ist aber unter Umständen durch jeden Beschluß möglich und der Gesetzgeber hat solche Möglichkeiten und Härten bei der Einschränkung der Rekursmöglichkeit im Interesse der höher zu veranschlagenden Prozeßökonomie in Kauf genommen. Er konnte dies gerade bei Beschlüssen des Berufungsgerichtes, wie bereits wiederholt angedeutet, schon mit Rücksicht auf die Besetzung der Richterbank und die bevorzugte Stellung des Berufungsgerichtes in der Rangordnung der Gerichte tun und hat dies, wie die eingangs aufgezählten Fälle zeigen, auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Durch die Novak'sche Auffassung würde die Bedeutung des § 519 völlig zusammenschrumpfen. Er ist selbst kaum in der Lage, wichtige Fälle zu nennen, in denen bei dieser Auffassung der Rekurs nach § 519 noch ausgeschlossen wäre (er will einen solchen Ausschluß nur für jene Fälle gelten lassen, die "kraft engsten Umkehrschlusses" für unbekämpfbar angesehen werden müssen: a. a. O. S. 84, Anm. 76).

Der Hinweis auf die Entscheidungen SZ. V/160 und SZ. XIX/328 ergibt deshalb nichts, weil aus der Tatsache, daß dort vom Obersten Gerichtshof über einen Rekurs gegen einen Unterbrechungsbeschluß sachlich entschieden wurde, ohne daß der Bestimmung des § 519 ZPO. überhaupt gedacht wurde, kein Schluß auf die grundsätzliche Einstellung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage gezogen werden kann. Diese grundsätzliche Einstellung ergibt sich vielmehr aus den bereits eingangs erwähnten Entscheidungen, die in Übereinstimmung mit der gesamten Lehre (aufgezählt bei Novak, a. a. O., Anm. 73) die Anfechtungsmöglichkeit eines Unterbrechungsbeschlusses des Berufungsgerichtes verneinten. Der Oberste Gerichtshof kann sich aus diesen Erwägungen der in den Entscheidungen 2 Ob 359/54 und 2 Ob 856/54 zum Ausdruck gekommenen Rechtsansicht nicht anschließen und folgt der gegenteiligen bisherigen Praxis.

Die Entscheidung über die Rekurskosten grundet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Unter einem hat der dritte Senat die Eintragung nachstehenden Rechtssatzes unter Nr. 39 in das Spruchrepertorium beschlossen:

Gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Unterbrechungsbeschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

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