Spruch:
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird, soweit er sich gegen Punkt 1 a des angefochtenen Beschlusses richtet, zurückgewiesen. Punkt 4 b des rekursgerichtlichen Beschlusses (Abweisung des Feststellungsbegehrens) wird bestätigt. Im übrigen wird beiden Revisionsrekursen Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes mit Ausnahme seines in Rechtskraft erwachsenen Punktes 1 a sowie des Punktes 4 b und der Beschluß des Erstgerichtes mit Ausnahme des in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teiles werden aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Streitteile standen in ständiger Geschäftsbeziehung. Die klagende und gefährdete Partei (folgend kurz klagende Partei) finanzierte der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (folgend kurz beklagte Partei) eine Reihe von Transportfahrzeugen, während die beklagte Partei als alleiniger Frachtführer für die klagende Partei tätig war. Aus dieser Geschäftsbeziehung machte die klagende Partei einen aushaftenden Saldo von S 9,516.497,65 sA mit Klage geltend und beantragte zur Sicherung ihres Anspruches die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat mit einstweiliger Verfügung vom 12.2.1991 zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Zahlung des eingeklagten Betrages die sofortige Verwahrung von im Eigentum der beklagten Partei stehenden und durch Anführung der jugoslawischen Kennzeichen aufgelisteten 20 Transportfahrzeugen samt Anhänger bei deren Grenzübertritt aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich in Spielfeld angeordnet. Die einstweilige Verfügung wurde durch Verwahrung von 16 LKW-Zügen vollzogen. Nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens wurde diese einstweilige Verfügung mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 17.2.1992 rechtskräftig aufgehoben.
Die beklagte Partei begehrt nunmehr gemäß § 394 EO den Ersatz der ihr durch die erlassene einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile, welche sie zuletzt mit insgesamt S 13,161.189,29 bezifferte. Im einzelnen machte sie folgende Forderungen geltend:
Verdienstentgang durch die gerichtliche Verwahrung von insgesamt 16 LKW-Zügen bis 3.3.1992 in Höhe von S 8,163.400, Ersatz von Transportmehrkosten, welche durch die Umfahrung österreichischen Staatsgebietes mit den LKW-Zügen während der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung entstanden seien, von S 2,959.000, Reparaturkostenaufwand für teilweise beschädigt ausgefolgte 7 LKW-Züge von S 1,082.237,10, Kosten anläßlich der Übernahme der verwahrten LKW-Züge durch die beklagte Partei nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung von S 112.251,12, Ersatz der Kosten im Provisorialverfahren, verrechnet nach Einzelleistungen des Vertreters von S 809.241,07 und Ersatz von Umladekosten der Transportgüter anläßlich der Verwahrung der LKW-Züge von S 35.060. Weiters begehrt die beklagte Partei die Feststellung der Haftung der klagenden Partei für weiteren Verdienstentgang ab 4.3.1992, welcher dadurch entstehe, daß ihr bisher 9 der insgesamt 16 bei der beklagten Partei verwahrten LKW-Züge von dieser nicht ausgefolgt worden seien, in Höhe von S
2.450 pro Stehtag und Fahrzeug bis zur tatsächlichen Ausfolgung.
Das Erstgericht vernahm in zwei Tagsatzungen im Beisein des Beklagtenvertreters drei von diesem zum Nachweis seines Vorbringens stellig gemachte Auskunftspersonen sowie den Geschäftsführer der klagenden Partei, ohne eine formelle Stellungnahme oder Äußerung der klagenden Partei zum Antrag und den weiteren Schriftsätzen der beklagten Partei einzuholen. Der Antrag, die Schriftsätze und die Vernehmungsprotokolle wurden der beklagten Partei erst zugleich mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 3.6.1992 zugestellt, in welchem dieses der beklagten Partei an Kostenersatz für das Provisorialverfahren S 644.076,50 sowie an weiterem Schadenersatz insgesamt S 11,769.221,12 zusprach und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abwies. Weiters stellte das Erstgericht fest, daß die klagende Partei hinsichtlich jedes der 9 im einzelnen angeführten Transportfahrzeuge samt Anhänger der beklagten Partei für den ihr entstehenden Verdienstentgang von S 2.450 pro Stehtag bis zur jeweiligen tatsächlichen Ausfolgung hafte. Schließlich verpflichtete das Erstgericht die klagende Partei auch zum Ersatz der mit S 130.080,18 bestimmten Kosten des Verfahrens nach § 394 EO. Es folgte dabei im wesentlichen den von der beklagten Partei vorgelegten Aufstellungen und den Angaben der von dieser namhaft gemachten Auskunftspersonen über die einzelnen Schadensbeträge und nahm nur bei den Reparaturkosten und bei den nach Einzelleistungen aufgelisteten Anwaltskosten gemäß § 273 ZPO Reduktionen vor.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, werde einem Rekurs oder Widerspruch des Sicherungsgegners Folge gegeben, die einstweilige Verfügung aufgehoben und das Sicherungsbegehren abgewiesen, so scheine klargestellt, daß schon im Zeitpunkt der Bewilligung die einstweilige Verfügung ungerechtfertigt gewesen sei und dem Gegner damit Schadenersatz nach § 394 EO zustehe. Dessen Höhe habe das Gericht auf Antrag nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzen. Das Gericht habe ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden; es könne gemäß § 55 EO die ihm nötig erscheinenden Aufklärungen auch ohne Vermittlung der Parteien oder sonstigen Beteiligten einholen und zu diesem Zweck von Amts wegen die erforderlichen Beweisaufnahmen auch in Abwesenheit der Parteien durchführen. Es könne selbst mit Übergehung eines von den Parteien angebotenen Beweises den Ersatzbetrag nach freier Überzeugung festsetzen. Der von der beklagten Partei begehrte Verdienstentgang von S 8,163.400 für den Zeitraum bis einschließlich 3.3.1992 sei der Höhe nach ebenso gerechtfertigt wie die begehrte Feststellung der Haftung der klagenden Partei für den der beklagten Partei seit 4.3.1992 bis zur tatsächlichen Übergabe der noch nicht herausgegebenen verwahrten LKW-Züge weiters entstandenen Verdienstentgang. Auch der von der beklagten Partei aus dem Titel "Transportmehrkosten", Umladespesen und Ausfolgungskosten geltend gemachte Schaden sei antragsgemäß zu bestimmen gewesen. Die begehrten Kosten für Reparaturaufwand und anwaltliche Vertretung - hier stünden nicht nur tarifmäßige Kosten, sondern auch durch besondere Umstände gerechtfertigte Mehransprüche zu - seien gemäß § 273 ZPO mit S 500.000 und über den bereits rechtskräftig erfolgten Kostenzuspruch von insgesamt S 359.548,05 hinaus mit weiteren S 644.076,50 festzusetzen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge und fällte folgende Entscheidung:
"1. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei für die ihr durch die einstweilige Verfügung vom 12.2.1991, 8 Cg 6/91-5, verursachten Vermögensnachteile
a) an (weiteren) Kosten des Provisorialverfahrens S 601.410,59 und
b) an sonstigen Kosten S 646.221,12 binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
2. Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.195,60 bestimmten Kosten des Verfahrens nach § 394 EO binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
3. Die allgemeine Sparkasse Oberösterreich Bank Aktiengesellschaft wird zu ihrer Zahlungsgarantie vom 21.3.1991 aufgefordert, den Sicherstellungsbetrag von S 1,000.000 auf das PSK-Konto 05450.600 des Kreis- und Bezirksgerichtes Wels zu überweisen.
4. a) Das Mehrbegehren, die klagende Partei sei weiters schuldig, der beklagten Partei
aa) an (weiteren) Kosten des Provisorialverfahrens S 207.830,48
bb) an sonstigen Kosten S 583.327,10 und
cc) an weiteren Vermögensnachteilen S 11,122.400 zu ersetzen, sowie
b) das weitere Mehrbegehren, es werde festgestellt, daß die klagende Partei der beklagten Partei ab 4.3.1992 hinsichtlich jedes der mit den nachfolgenden jugoslawischen Kennzeichen versehenen Kraftfahrzeuge samt Anhänger (es folgen deren Kennzeichen) für Verdienstentgang in Höhe von S 2.450 pro Stehtag bis zur jeweiligen tatsächlichen Ausfolgung an die beklagte Partei hafte, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.083,20 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Rechtlich führte das Rekursgericht aus, als Grundlage für den von der beklagten Partei geltend gemachten Ersatzanspruch komme nur der zweite Fall des § 394 EO in Betracht. Nach § 394 EO habe die Partei, auf deren Antrag die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, ihrem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für welchen die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt werde (erster Fall), wenn ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweise (zweiter Fall) oder wenn sie die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bestimmte Frist versäume (dritter Fall). Der zweite Fall sei nach der Rechtsprechung etwa dann gegeben, wenn dem Rekurs oder, wie im vorliegenden Fall, dem Widerspruch des Sicherungsgegners Folge gegeben, die einstweilige Verfügung aufgehoben und das Sicherungsbegehren nunmehr abgewiesen werde. Damit erscheine klargestellt, daß schon im Zeitpunkt der Bewilligung der einstweiligen Verfügung diese ungerechtfertigt und die getroffenen Sicherungsmaßnahmen unbegründet gewesen seien. Im vorliegenden Fall sei die einstweilige Verfügung im Widerspruchsverfahren im wesentlichen aber mit der Begründung aufgehoben worden, daß die klagende Partei im Sicherungsverfahren die von der beklagten Partei ausdrücklich bestrittene Fälligkeit des im Hauptverfahren geltend gemachten Ersatzanspruches nicht hinreichend bescheinigt habe. Mit der rechtskräftigen Aufhebung der einstweiligen Verfügung stehe aber noch nicht fest, daß damit auch über einen vom Antragsgegner im Verfahren nach § 394 EO geltend gemachten Vermögensnachteil in jedem Fall ohne Rücksicht auf den Ausgang des Hauptverfahrens bereits endgültig entschieden werden könne. Wie in SZ 26/201 ausgeführt, sei unter dem Wort "Ansuchen" im zweiten Fall des § 394 Abs 1 EO wohl zweierlei zu verstehen, und zwar nicht nur der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sondern auch der durch die Verfügung zu sichernde Anspruch. Würde nicht auch dieser gemeint sein, hätte das Wort "sonst" keinen rechten Sinn. Daraus folge, daß die Frage des Ausganges des Hauptprozesses stets nur im dritten Fall des § 394 Abs 1 EO keinerlei Rolle spiele. Im hier interessierenden zweiten Fall werde die Berechtigung des zu sichernden Anspruches unter Umständen von entscheidungswesentlicher Bedeutung sein. Der klagenden Partei sei es im Provisorialverfahren zwar nicht gelungen, die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruches zu bescheinigen, es bleibe ihr aber unbenommen, diesen Beweis im Hauptprozeß zu erbringen. Sollte sich dort herausstellen, daß der geltend gemachte Anspruch bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Sicherungsverfahrens fällig gewesen sei, so wäre es abwegig, in dieser Hinsicht eine Schädigung der beklagten Partei durch die einstweilige Verfügung allein schon deshalb anzunehmen, weil das Gesuch um Erlassung der einstweiligen Verfügung unzureichend bescheinigt worden sei (SZ 23/140). Das Gebot, die Vorschrift des § 394 Abs 1 EO einschränkend auszulegen, ergebe sich daraus, daß diese Bestimmung eine in ihren Konsequenzen sehr weitreichende Sondernorm sei, die über die Ersatzregeln des ABGB und des HGB hinausgehe. Anders verhalte es sich mit dem Ersatzbegehren des Sicherungsgegners für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Abwehr des schwerwiegenden Eingriffes. Hier müsse, auch wenn eine rechtskräftige Entscheidung über die Aberkennung des Anspruches des Sicherungswerbers noch nicht vorliege, grundsätzlich schon erkannt werden, wenn sich das Ansuchen um Erlassung der einstweiligen Verfügung in Ermangelung der nötigen Bescheinigung von vornherein als verfehlt erwiesen habe. Die Schadenersatzpflicht bestehe hier grundsätzlich unabhängig vom Ausgang des Hauptprozesses. Mangels rechtskräftiger Entscheidung über die Aberkennung des Anspruches der klagenden Partei sei derzeit auch über das geltend gemachte Schadenersatzbegehren an Verdienstentgang von S 8,163.400 und an Transportmehrkosten von S 2,959.000 noch nicht abzusprechen. Diese Forderungen seien vor Abschluß des Hauptverfahrens verfrüht. Für ihre Geltendmachung gelte im übrigen die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. Unabhängig vom Ausgang des Hauptprozesses könne aber bereits über die übrigen Schadenersatzforderungen (Reparaturkostenaufwand, Übernahmekosten, Umladekosten sowie den Kostenersatz für das Provisorialverfahren) entschieden werden. Bei diesen Forderungen handle es sich um jenen Kostenaufwand, welcher der beklagten Partei in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vollzug und der Aufhebung der einstweiligen Verfügung entstanden und unabhängig vom Ausgang des Hauptprozesses zu ersetzen sei. Da im Rekurs Einwendungen gegen die Höhe dieser zugesprochenen Schadenersatzbeträge nicht erhoben worden sei, habe es auch im Rekursverfahren bei diesem Zuspruch von insgesamt S 646.221,12 zu bleiben. Hingegen habe die klagende Partei den Zuspruch des Erstgerichtes von weiteren S 644.076,50 an Kosten des Provisorialverfahrens auch der Höhe nach ausdrücklich bekämpft. Das Erstgericht habe in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß in den der beklagten Partei im Provisorialverfahren rechtskräftig bereits zugesprochenen Verfahrenskosten auch Einheitssatz enthalten sei. Nach der Rechtsprechung könne der erfolgreiche Sicherungsgegner nach § 394 EO vom Antragsteller auch die Kosten jener Nebenleistungen, wie Besprechungen, Kommissionen, Telefonate usw. verlangen, die er seinem Anwalt gemäß § 23 Abs 2 RATG bezahlt habe, wenn die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienten. Werde sowohl Einheitssatz verrechnet als auch eine Entlohnung der einzelnen Nebenleistungen verlangt, seien die Gebühren nach dem für den Rechtsanwalt günstigeren höheren Ergebnis zu bestimmen. Der Kostenersatzanspruch der beklagten Partei im Provisorialverfahren ermäßige sich daher auf S 601.410,59.
Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil § 394 EO hiefür nicht die geringste gesetzliche Grundlage biete.
Der von der klagenden Partei gerügten Verletzung des rechtlichen Gehöres komme im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zu, weil das Rekursgericht in seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen sei, daß mit Ausnahme der Kostenersatzbegehren die geltend gemachten Ansprüche nach § 394 EO derzeit noch nicht bestünden. Im Kostenverfahren aber gelte der sonst im Zivilprozeß und durch Art 6 Abs 1 MRK sogar verfassungsrechtlich abgesicherte Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen Gehöres nur sehr eingeschränkt. Dieses sei grundsätzlich in erster Instanz nicht vorgesehen. Das rechtliche Gehör sei dadurch gewahrt, daß jede Partei gegen die Kostenentscheidung, soweit sie dadurch beschwert sei, Rekurs erheben könne.
Gegen die Anordnung des Erstgerichtes an die Sparkasse Wels, den Sicherungsbetrag auf ein Gerichtskonto zu überweisen und ihn damit in einen gerichtlichen Barerlag umzuwandeln, bestünden keine Bedenken, denn durch die auferlegte Sicherheit solle für allfällige Schadenersatzansprüche der beklagten Partei nach § 394 EO am Sicherstellungsbetrag ein Kautionspfandrecht begründet werden. Ein solches gesetzliches Pfandrecht könne aber nach der besonderen Rechtsnatur dieser Sicherheit nur entstehen, wenn und soweit das Gericht diese Bankgarantie tatsächlich abrufe und damit in einen gerichtlichen Barerlag umwandle.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs - soweit davon nicht ausschließlich der Kostenpunkt betroffen sei (Punkt 1)a), 2) und 4)aa) der Entscheidung) - zulässig sei, weil der Auslegung des § 394 Abs 1 zweiter Fall EO eine über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung zukomme und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aus jüngerer Zeit nicht bekannt sei.
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei richtet sich gegen die Punkte 1)a), 1)b) und 3) der rekursgerichtlichen Entscheidung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung des Antrages der Sicherungsgegnerin auf Zuerkennung eines Ersatzes gemäß § 394 EO, während die beklagte Partei die Abweisung ihres Mehrbegehrens an weiteren Vermögensnachteilen von S 11,122.400 und des Feststellungsbegehrens (Punkt 4)a) und 4)b) der rekursgerichtlichen Entscheidung) mit dem Antrag bekämpft, den erstinstanzlichen Beschluß wiederherzustellen und hilfsweise Aufhebungsanträge stellt.
Rechtliche Beurteilung
Beiden Revisionsrekursen kommt, soweit nicht Unzulässigkeit vorliegt (Punkt 1)a) des angefochtenen Beschlusses) zumindest teilweise Berechtigung zu.
Nach § 394 EO hat die Partei, auf deren Antrag die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, ihrem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für welchen die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird (erster Fall), wenn ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweist (zweiter Fall) oder wenn sie die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bestimmte Frist versäumt (dritter Fall).
Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, daß der hier vorliegende Antrag nach § 394 Abs 1 zweiter Fall EO zu beurteilen ist. Der erkennende Senat vermag sich jedoch der Rechtsansicht nicht anzuschließen, daß danach unter dem Wort "Ansuchen" nicht nur der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sondern auch der durch die Verfügung zu sichernde Anspruch zu verstehen und damit der Ausgang des Hauptprozesses abzuwarten sei. Auch die zur Begründung herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 23/140 geht davon aus, § 394 Abs 1 zweiter Fall EO setze voraus, daß sich nach Bewilligung und Vollzug der einstweiligen Verfügung herausgestellt habe, daß das Ansuchen von Anfang an ungerechtfertigt, "also Anspruch oder Gefährdung nicht gegeben gewesen seien; dies könne sich auch aus einer Entscheidung über Rekurs und Widerspruch, womit der erstgerichtliche Bewilligungsbeschluß abgeändert wurde, ergeben". Die daraus gezogene Schlußfolgerung, das treffe nicht zu, wenn das Begehren bloß mangels ausreichender Bescheinigung abgewiesen oder der Vollzug vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht worden sei, denn hier stehe es noch nicht fest, ob der zu sichernde Anspruch der gefährdeten Partei zu Recht bestehe oder nicht, ist nicht recht verständlich und vereinzelt geblieben; denn vor rechtskräftigem Abschluß des Hauptprozesses steht, da im Sicherungsverfahren immer nur die Bescheinigung des Anspruches und nicht dessen voller Erweis gefordert wird, niemals endgültig fest, ob der Anspruch zu Recht besteht. Das in § 394 Abs 1 zweiter Fall EO verwendete Wort "sonst" kann nur so interpretiert werden, daß Schadenersatz nach dieser Bestimmung auch dann zustehen soll, wenn sich das Ansuchen um eine einstweilige Verfügung aus einem anderen Grund als dem bereits in § 394 Abs 1 erster Fall EO geregelten (rechtskräftige Aberkennung des Anspruches) als ungerechtfertigt erweist. Der Oberste Gerichtshof hat daher in seiner jüngeren Rechtsprechung ständig und einheitlich erkannt, daß ein Ersatzanspruch nach dieser Gesetzesstelle schon dann geltend gemacht werden kann, wenn das Ansuchen der gefährdeten Partei sich dadurch als ungerechtfertigt erweist, daß der die einstweilige Verfügung bewilligende Beschluß infolge Rekurses oder Widerspruches rechtskräftig aufgehoben wird (SZ 62/66; 60/24; 54/66; 50/104; Heller-Berger-Stix4 2859 f, wie auch schon Neumann-Lichtblau, 1255). Dabei genügt es, wenn der Antrag auf einstweilige Verfügung wegen mangelnder Bescheinigung des Anspruches o d e r der Gefährdung abgewiesen wird. Die beiden Gründe müssen nicht kumulativ gegeben sein, denn durch die Abweisung des Antrages steht fest, daß sich der Antrag der gefährdeten Partei als ungerechtfertigt erwiesen hat (SZ 62/66, SZ 54/66 mwN). Die ratio dieser Bestimmung ist es auch, einen raschen Ausgleich für die einschneidenden Eingriffe einer sich als ungerechtfertigt erweisenden einstweiligen Verfügung, die ja auch bewilligt wurde, bevor das Zurechtbestehen des Anspruches feststand, zu schaffen.
Soweit das Rekursgericht seine Rechtsansicht auch auf SZ 26/201 gestützt hat, übersieht es, daß dort der auf § 394 Abs 1 zweiter Fall EO gestützte Ersatzanspruch deshalb abgewiesen wurde, weil noch nicht feststand, daß durch die einstweilige Verfügung ein S c h a d e n eingetreten ist: Dort wurden zur Sicherung eines Herausgabeanspruches von Fahrnissen eben diese Fahrnisse verwahrt und ein Schaden aus der dadurch unmöglichen Weiterverwendung der Fahrnisse behauptet, der erst dann eintreten konnte, wenn feststand, daß der Sicherungsgegner überhaupt zur Weiterverwendung berechtigt und nicht schon zum Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung zur Herausgabe verpflichtet war. Denn zu ersetzen sind (nur) alle Vermögensnachteile einschließlich des entgangenen Gewinnes, für die die einstweilige Verfügung die maßgebende Ursache war, also Schäden, die ohne die einstweilige Verfügung nicht entstanden wären (SZ 50/104 mwN). Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß nicht nur die Kosten des Provisorialverfahrens und die anläßlich der Aufhebung der einstweiligen Verfügung aufgelaufenen Vermögensnachteile anläßlich der Übernahme der verwahrten LKW-Züge, Umlade- und Reparaturkosten, welche das Rekursgericht für berechtigt hielt, sondern auch der behauptete Verdienstentgang während der Stehzeit und Transportmehrkosten wegen notwendiger Umwege während der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung Vermögensnachteile sind, die ohne die einstweilige Verfügung nicht entstanden wären, denn anders als in der durch SZ 26/201 entschiedenen Rechtssache stehen die LKW-Züge, welche die klagende Partei nur finanziert hat, hier im Eigentum der beklagten Partei, so daß sie im Hauptprozeß nur zur Zahlung der vereinbarten Beträge, nicht aber zur Herausgabe dieser Fahrnisse verpflichtet werden kann und auch nur Zahlung in Geld begehrt wird. Zusammenfassend sind daher alle von der beklagten Partei geltend gemachten Vermögensnachteile auch schon vor rechtskräftigem Abschluß des Hauptprozesses grundsätzlich ersatzfähig.
Während die ältere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über Kostenersatzansprüche nach § 394 Abs 1 EO mit der Begründung bejaht hatte, daß diese Ansprüche keine Kostenersatzansprüche nach §§ 40 f ZPO, sondern auf dem Grundsatz der Erfolgshaftung aufgebaute Schadenersatzansprüche seien, vertritt der Oberste Gerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung einhellig die Auffassung, daß der Rechtsmittelausschluß des § 528 Abs 2 Z 32 Pa, früher § 528 Abs 1 Z 2 ZPO (§ 78 EO), auch dann Platz greift, wenn der gemäß § 394 Abs 1 EO in Anspruch genommene Ersatz die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners im Verfahren über die einstweilige Verfügung zum Gegenstand hat. Eine Entscheidung im Kostenpunkt im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist überall dort anzunehmen, wo außerhalb eines Urteiles über Kostenfragen erkannt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß auch der Ersatz von Nebenleistungen begehrt wird, die nicht vom Einheitssatz des § 23 RATG umfaßt sind, soweit sie nur zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienten (SZ 57/42; 50/104; 48/83 mwN; 6 Ob 713/78; 7 Ob 651/88 ua; Heller-Berger-Stix 2863 f). Da dem erwähnten Rechtsmittelausschluß die Erwägung zugrundeliegt, daß eine Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe Kosten rechtsfreundlicher Vertretung zu ersetzen sind, nicht so bedeutend ist, daß ihre Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden müßte, sieht der erkennende Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Seine Grenze findet der Rechtsmittelausschluß für Entscheidungen "im Kostenpunkt" jedoch dort, wo es sich nicht mehr um Verfahrenskosten der anwaltlichen Vertretung und allenfalls der Partei selbst im Sicherungsverfahren handelt. Die Ansicht des Rekursgerichtes, der Rechtsmittelausschluß sei auch für jene Vermögensschäden anzunehmen, die die beklagte Partei bezüglich ihrer verwahrten LKW-Züge für aufgelaufene Reparatur-, Übernahme- und Umladekosten zu zahlen hatte, ist durch § 528 ZPO (§ 78 EO) nicht gedeckt. Der Revisionsrekurs der klagenden Partei war somit nur soweit zurückzuweisen, als Punkt 1)a) der Rekursentscheidung angefochten wird.
Die klagende Partei regt, wie schon in ihrem Rekurs, an, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, die Bestimmung des § 394 EO als verfassungswidrig aufzuheben, weil hiedurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf rechtliches Gehör ebenso verletzt werde wie Art 18 B-VG durch die formalgesetzliche Delegation, den Entschädigungsbetrag "auf Antrag nach freier Überzeugung durch Beschluß festzusetzen", ohne daß die Ausübung dieses Ermessens in irgendeiner Weise näher konkretisiert sei.
§ 394 Abs 1 EO bestimmt, daß das Gericht die Höhe des Ersatzes für alle dem Sicherungsgegner durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile auf Antrag nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) durch Beschluß festzusetzen hat. Die Festsetzung des Ersatzbetrages hat, da besondere für dieses Verfahren maßgebliche Bestimmungen nicht bestehen, nach den Verfahrensbestimmungen der §§ 55 bis 59 EO zu erfolgen (3 Ob 504,505/85). Sie ist von der aus dem Jahre 1896 stammenden EO in ein formloses, selbständiges Verfahren eigener Art vor dem Sicherungsgericht verwiesen. Die Lehre vertritt hiezu die Ansicht, daß es sich dabei um ein besonders rasches Verfahren handeln müsse. Die einstweilige Verfügung bedeute oft einen gravierenden Eingriff in die Rechtssphäre des Gegners, so daß diesem genauso rasch, wie die behauptete Gefahr von der gefährdeten Partei abzuwenden war, die zugefügten Vermögensnachteile ersetzt werden müssen, wenn sich die mangelnde Unrechtssituation herausgestellt habe. Diese Erwägungen sind grundsätzlich zutreffend. Nach § 55 EO ergehen die gerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen im Exekutionsverfahren, soweit in diesem Gesetz nicht etwas anderes geboten ist (und für das Verfahren nach § 394 EO bestehen, wie schon ausgeführt, keine Sondernormen) ohne vorherige mündliche Verhandlung. Eine vom Gesetz angeordnete Einvernehmung der Parteien oder der sonstigen Beteiligten ist an die für mündliche Verhandlungen geltenden Vorschriften nicht gebunden. Es muß auch nicht jeder der zu befragenden Personen Gelegenheit gegeben werden, sich über die von den übrigen Personen abgegebenen Erklärungen zu äußern. Gemäß Abs 2 leg cit kann aber das Gericht auch vor Beschlußfassungen, für die es das Gesetz nicht verlangt, behufs Feststellung der erheblichen Tatsachen die mündliche oder schriftliche Einvernehmung einer oder beider Parteien oder sonstiger Beteiligter anordnen und diese zur Beibringung der nötigen Urkunden und anderer Beweise auffordern. Das Gericht kann gemäß Abs 2 die ihm notwendig erscheinenden Aufklärungen auch ohne Vermittlung der Parteien einholen und zu diesem Zweck von Amts wegen alle hiezu geeignet erscheinenden Erhebungen pflegen und nach Maßgabe der Vorschriften der ZPO die erforderlichen Bescheinigungen oder Beweisaufnahmen anordnen. Daraus ergibt sich der Vorteil einer weitgehenden Vereinfachung und elastischen Gestaltung des Exekutionsverfahrens. Die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit sind nicht in solcher Weise verankert wie in der ZPO. Das rechtliche Gehör stellt jedoch einen Grundpfeiler der österreichischen Rechtsordnung dar, dem durch Art 6 MRK Verfassungsrang zuerkannt ist. Danach hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Zu den Garantien, die Art 6 Abs 1 MRK gewährleistet, zählt demnach auch das rechtliche Gehör. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 55 Abs 3 EO gebietet es daher, die dort normierte Befugnis des Gerichtes zur bindenden Verpflichtung zu machen, wenn nach der Lage des Falles eine verläßliche Klärung die Stellungnahme des Antragsgegners erfordert, insbesondere dem Letzteren ein erheblicher Nachteil entstehen kann. Nach der jüngeren Rechtsprechung des OGH (SZ 54/124; SZ 62/124 und für das Exekutionsverfahren 3 Ob 100/92) muß zur Wahrung des durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten rechtlichen Gehöres den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Wenn, wie im Exekutionsverfahren, der Rekurs unter dem Neuerungsverbot steht, muß dem Gegner, zu dessen Lasten wesentliche Feststellungen getroffen werden, nicht nur die Gelegenheit zur Stellungnahme, sondern auch zum angriffsweisen Vorbringen von für ihn vorteilhaften Tatsachen und Beweismitteln gegeben werden (SZ 54/124 mwN). Werden diese fundamentalen Grundsätze verletzt, so stellt dies, auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich Nichtigkeit vorsieht, zumindest einen gravierenden Verfahrensmangel dar (vgl. auch Heller-Berger-Stix, 625 f). Im Bewilligungsverfahren über einen Antrag auf einstweilige Verfügung ist das rechtliche Gehör dadurch gewahrt, daß die Exekutionsordnung ein kontradiktorisches Widerspruchsverfahren vorsieht, bei Ansprüchen nach § 394 EO fehlt jedoch eine gleichartige Verfahrensvorschrift.
Der klagenden Partei kann aber nicht beigepflichtet werden, daß auch bei verfassungskonformer Auslegung § 394 EO nicht ausreichend gesetzlich determiniert wäre, denn die Bestimmung verweist hinsichtlich der Festsetzung der Höhe des Entschädigungsbetrages nach freier Überzeugung - den Grund des begehrten Schadenersatzes muß das Gericht von Amts wegen unter Zuhilfenahme aller in § 55 EO vorgesehenen Möglichkeiten und, wie ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der Äußerung und Verteidigungsmittel des Gegners ermitteln - ausdrücklich auf § 273 ZPO. Danach darf aber, wenn feststeht, daß einer Partei der Ersatz eines Schadens gebührt, nur dann auf Antrag oder von Amts wegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festetzen, wenn der Beweis über den streitigen Betrag - auch daraus ergibt sich, daß der Gegner gehört und dem Verfahren beigezogen werden muß - gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist. In allen anderen Fällen sind die Beweise aufzunehmen.
Da das Rekursgericht den aufgezeigten Verfahrensmangel nur hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens verneint hat, war dieser aufzugreifen und, soweit nicht bereits Rechtskraft eingetreten ist, die Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn aufzutragen.
Für das gestellte Feststellungsbegehren fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Grundlage. Ein derartiges Feststellungsbegehren erweist sich im Verfahren nach § 394 EO aber auch als entbehrlich, weil dem Antragsteller nach dieser Bestimmung "die durch die Einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile" zu ersetzen sind, dem Antragsteller daher die Möglichkeit offensteht, diese innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren ab Schadenseintritt (jederzeit) geltend zu machen. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens für künftig noch eintretende Schäden aus Anlaß der Einstweiligen Verfügung durch die Vorinstanzen war daher zu bestätigen.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf den §§ 402 und 78 EO sowie 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)