OGH 1Ob396/53

OGH1Ob396/5329.7.1953

SZ 26/201

Normen

EO §394
EO §394

 

Spruch:

Ersatzansprüche nach § 394 EO.

Entscheidung vom 29. Juli 1953, 1 Ob 396/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Aussee; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Der von den Sicherungswerbern zur Sicherung ihres Anspruches auf Rückstellung (Herausgabe) von Fahrnissen gestellte und von den Sicherungsgegnern bekämpfte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem in erster Instanz am 15. Dezember 1950 stattgegeben worden war, ist schließlich vom Obersten Gerichtshof mit dem Beschluß vom 8. August 1951 wegen Abganges der Anspruchs- und Gefährdungsbescheinigung abgewiesen worden. Die Sicherungsgegner stellten nun unter Berufung auf § 394 EO. den Antrag, den Sicherungswerbern einen Schadenersatzbetrag von 1.810.372.20 S zur Zahlung an sie aufzuerlegen, welchen Betrag sie

1. für Verwaltungskosten für das gesamte Maschinenvermögen in der Zeit vom 15. Dezember 1950 bis 19. September 1951 (Dauer der einstweiligen Verfügung),

2. für entgangene Zinsen durch gehinderten Abverkauf in der Zeit vom 1. Jänner 1951 bis 19. September 1951 und

3. Kosten notwendiger und zweckmäßiger anwaltlicher Vertretung beanspruchten. Dieses Begehren wurde zunächst um 175.500 S und schließlich auf 300.000 S "aus praktischen Erwägungen" mit dem Beifügen eingeschränkt, daß dadurch nicht die drei geltend gemachten "Rechtsgrunde" für den Schadenersatz geändert werden, obzwar es dem Gerichte infolge der Einschränkung leicht fallen werde, schon allein aus dem ersten geltend gemachten Rechtstitel "Verwaltungskosten vom 15. Dezember 1950 bis 19. September 1951", die in der Höhe von 402.885.26 S bescheinigt seien, dem eingeschränkten Begehren stattzugeben.

Das Erstgericht hat im Sinne des Begehrens der Sicherungsgegner entschieden und den Antrag der Sicherungswerber auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Bezirksgericht Z. zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreites abgewiesen, gleichzeitig den Sicherungswerbern die mit 5868.18 S bestimmten Kosten des Antrages vom 1. Oktober 1951 sowie die Kosten der Äußerung vom 21. März 1952 im Betrage von 9669.12 S zur Zahlung an die Sicherungsgegner auferlegt. Es begrundete seine Entscheidung damit, daß die vorgelegten Belege der Antragsteller sowie die vorliegenden Wertfeststellungen bezüglich der von der einstweiligen Verfügung betroffenen Maschinen in Verbindung mit den Angaben des als Auskunftsperson vernommenen Eduard R. den Schluß auf Entstehung von Kosten der Maschinenverwaltung während der Dauer der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung in der jedenfalls erreichten Höhe von 300.000 S zuließen und daß die Festsetzung dieser Ziffer mit Rücksicht auf die verhältnismäßige Schwierigkeit der genauen Berechnung gemäß § 273 ZPO. erfolgte.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß in der Hauptsache dahin ab, daß es den eingeschränkten Antrag der Sicherungsgegner kostenpflichtig abgewiesen hat.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Sicherungsgegner Folge, hob die Beschlüsse der zweiten Instanz teilweise auf und trug dem Erstgericht neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 394 EO. hat die Partei, auf deren Antrag die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, ihrem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für welchen die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird, wenn ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweist oder wenn sie die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bestimmte Frist versäumt. Der dritte Fall kommt nach der Aktenlage nicht in Betracht, ebensowenig steht der erste Fall, da eine rechtskräftige Erledigung des Klagsanspruchs der Sicherungswerber, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung seinerzeit erlassen wurde, in dem vor dem Bezirksgerichte Z. anhängigen Streite noch aussteht, nicht zur Erörterung. Der zweite Fall (wenn das Ansuchen der gefährdeten Partei sich sonst als ungerechtfertigt erweist) ist gegeben, sofern etwa dem Rekurse oder Widerspruche des Sicherungsgegners Folge gegeben, die einstweilige Verfügung aufgehoben und das Sicherungsbegehren nunmehr abgewiesen wird. Durch diese Aufhebung, mag sie auch in höherer Instanz erfolgt sein, erscheint klargestellt, daß schon im Zeitpunkt der Bewilligung der einstweiligen Verfügung diese ungerechtfertigt und die getroffenen Sicherungsmaßnahmenunbegrundet waren. Der häufigste Fall ist der, daß die vom Erstgerichte angenommene Gefährdung als ungenügend erachtet wird oder daß es dem Gegner im Widerspruchsverfahren gelingt, glaubhaft zu machen, daß die angenommene Gefährdung nicht vorhanden ist. Es mag hier auch an den Fall gedacht werden, wo der Zeitpunkt, bis zu welchem die einstweilige Verfügung bewilligt worden ist, fest bestimmt ist und vorübergeht, noch bevor der Rechtfertigungsprozeß rechtskräftig beendigt wurde und ohne daß der Sicherungswerber eine Fristverlängerung erwirkt hätte, weil dieser Fall nicht mit jenem gleichzusetzen ist, wo der Sicherungwerber die Frist zur Erhebung der Rechtfertigungsklage versäumt hat. Wenn die Zeit, bis zu welcher die einstweilige Verfügung bewilligt worden war, abgelaufen ist, kann deshalb noch immer nicht der Antrag nach § 394 Abs. 1 EO. gestellt werden, sondern erst, wenn die erste Voraussetzung, die rechtskräftige Aberkennung des gesicherten Anspruchs hinzukommt (ZBl. 1916, M. Teich, S. 380 ff.).

Unter dem Worte "Ansuchen" im zweiten Falle ist wohl zweierlei zu verstehen, u. zw. nicht nur der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sondern auch der durch die Verfügung zu sichernde Anspruch. Würde nur der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung und nicht auch der dahinterstehende Anspruch gemeint sein, hätte das Wort "sonst" keinen rechten Sinn. Im gegebenen Falle hat der Oberste Gerichtshof weder den Anspruch gemeint sein, hätte das Wort "sonst" keinen rechten Sinn. Deshalb das Ansuchen um Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen. Ist die einstweilige Verfügung die Ursache eines Schadens, dann ist dieser Schaden dem Sicherungsgegner zu ersetzen, wenn die Verfügung die maßgebende Ursache des Schadens ist, d. h. wenn er ohne die einstweilige Verfügung nicht entstanden wäre. Damit also eine Haftpflicht der gefährdeten Partei nach § 394 EO. eintritt, ist erforderlich: 1. der Eintritt eines Vermögensschadens auf der Seite des Gegners der gefährdeten Partei und 2. die einstweilige Verfügung als maßgebende Ursache dieser Vermögensnachteile. Dem Sicherungsgegner gebührt in jedem Falle volle Genugtuung, also damnum emergens und lucrum cessans (Walker - Jaitner, S. 391; Pollak, S. 72; Neumann - Lichtblau, II, S. 1255; ZBl. 1916, M. Teich a. a. O.). Der früheste Zeitpunkt für die Erhebung des Antrages auf Schadenersatz wird dann gegeben sein, wenn die einstweilige Verfügung bereits als ungerechtfertigt festgestellt wurde. Auf den vorliegenden Fall angewendet, ergibt sich aus dem bisher Gesagten:

Auch wenn eine rechtskräftige Entscheidung betreffend die Aberkennung des Anspruchs der Sicherungswerber noch nicht vorliegt muß das Schadenersatzbegehren der Sicherungsgegner, soweit es auf die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Abwehr des schwerwiegenden Eingriffs in ihre Rechtssphäre durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung gestützt wird, grundsätzlich schon jetzt anerkannt werden, weil sich das Ansuchen um Erlassung der einstweiligen Verfügung in Ermangelung der nötigen Bescheinigungen von Haus aus als verfehlt erwiesen hat. Die Schadenersatzpflicht hinsichtlich solcher Kosten, ihren Nachweis vorausgesetzt, besteht unabhängig vom Ausgang des Prozesses vor dem zuständigen Gericht in Z., weil mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes feststeht, daß das Ansuchen um Erlassung einereinstweiligen Verfügung seitens der Sicherungswerber mit den angebotenen unzulänglichen Bescheinigungsmitteln nicht gedeckt werden konnte. Anders verhält es sich mit den von den Sicherungsgegnern geltend gemachten weiteren Schadenersatzbeträgen, betreffend Verwaltungskosten und entgangene Zinsen. Diesbezüglich kann von einem Schaden objektiv so lange nicht gesprochen werden, als der Streit vor dem Gerichte in Z. nicht rechtskräftig beendigt ist. In diesem Streite begehren die Sicherungswerber unter anderem auch Schadenersatz wegen Verzögerung der Ausfolgung der dort eingeklagten Fahrnisse. Stellt es sich heraus, daß die Sicherungswerber mit ihrem Anspruch Recht behalten, die Sicherungsgegner tatsächlich die Verpflichtung zur Herausgabe all der Sachen trifft, bezüglich deren sie durch die einstweilige Verfügung in der Verfügungsfreiheit beschränkt wurden, so wäre es in der Tat abwegig, in dieser Hinsicht eine Schädigung der Sicherungsgegner durch die einstweilige Verfügung allein deshalb anzunehmen, weil das Gesuch um Erlassung der einstweiligen Verfügung unzureichend bescheinigt worden ist. Soweit das eingeschränkte Begehren der Sicherungsgegner also auf Verwaltungskosten und Zinsenentgang gestützt wird, ist es zumindest verfrüht und wird erst gestellt werden können, wenn der Prozeß in Z. ohne Erfolg für die Sicherungswerber ausgeht. Im Zusammenhang damit sei noch bemerkt, daß nur im dritten Falle (verspätete Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution) die Frage des Ausganges des Prozesses über den Anspruch, dessen Sicherung angestrebt wurde, überhaupt keine Rolle spielt.

Nun haben die Gegner der gefährdeten Parteien ihr eingeschränktes Begehren entgegen der Annahme des angefochtenen Beschlusses nicht bloß auf die Verwaltungskosten und entgangenen Zinsen, sondern auch auf die Kosten anwaltlicher Hilfe bezogen. In letzterer Beziehung lassen aber die Entscheidungen der Untergerichte jede Feststellung vermissen, ob solche Kosten den Antragstellern überhaupt anerlaufen sind und in welcher Höhe sie ihnen gebühren. Zu dem Vermögensnachteil, deren Ersatz der Gegner der gefährdeten Partei nach § 394 EO. verlangen kann, gehören auch die Kosten des Rechtsanwalts, dessen er sich aus Anlaß der einstweiligen Verfügung bedient hat, u. zw. nicht nur die notwendigen oder normalen Vertretungskosten, sondern auch ein durch besondere Umstände gerechtfertigter Mehranspruch (Walker - Jaitner, S. 391). Die Ersatzpflicht des § 394 EO. ist gänzlich unabhängig gestellt von der Frage, ob den Sicherungswerbern hinsichtlich der Erwirkung der Sicherung irgendeine Schuld trifft; selbst Handeln in optima fide befreit sie nicht von der Ersatzpflicht. Die Zurückstellung des subjektiven Moments zeigt sich auch in der Feststellung des Umfanges des Schadenersatzes (Dr. Anton Rintelen, Die einstweilige Verfügung, S. 68 ff.). Es unterliegt keinem Anstand, einen Mehranspruch des Rechtsanwalts gegen seine Partei als Voraussetzung für die Ersatzpflicht der gefährdeten Partei in dem Verfahren nach § 394 EO. zu behandeln. Zu den Vermögensnachteilen, deren Vergütung der Gegner der gefährdeten Partei von ihr gemäß § 394 EO. beanspruchen kann, gehört auch ein Mehranspruch seines Anwalts im Sinne des § 2 Abs. 2 RAT. (19. Jänner 1927, SZ. IX/12), aber auch im Sinne des § 23 RAT. (Verordnung vom 31. Oktober 1947, BGBl. Nr. 259, in der Fassung der Verordnung vom 28. November 1949, BGBl. Nr. 280).

Vorstehende Erwägungen führen zur Aufhebung der untergerichtlichen Beschlüsse und zur Weisung an den Erstrichter, das Verfahren in der angegebenen Richtung zu ergänzen und sodann neuerlich zu entscheiden.

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