OGH 6Ob33/23f

OGH6Ob33/23f25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J* L*, vertreten durch Dr. Gerhard W. Huber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei M* W*, vertreten durch Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwalt in Lambach, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 9. November 2022, GZ 22 R 229/22s‑48, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 4. Juli 2022, GZ 2 C 312/20s‑44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00033.23F.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist Spitalsarzt und behandelte im Mai 2018 die Beklagte. Nach einer Behandlung verliebte sich die Beklagte ausgesprochen heftig in den Kläger. Ab Sommer 2018 versuchte sie unablässig und intensiv, mit ihm auf unterschiedlichste Art und Weise in Kontakt zu treten. Sie schrieb ihm zahlreiche seitenlange Liebesbriefe an seine Privatadresse und deponierte solche auch am Arbeitsplatz des Klägers. Auch per SMS und Whatsapp kontaktierte sie ihn laufend mit zahlreichen, großteils sehr langen Nachrichten, in denen sie dem Kläger teils Vorwürfe machte, teils ihre Liebe und Sehnsucht nach ihm beschrieb.

[2] Zwischen dem Kläger und der Beklagten gab es keine Liebesbeziehung und auch keinen Sexualkontakt. Trotzdem behauptete die Beklagte wiederholt und öffentlich, so etwa im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung in einem Strafverfahren wegen Stalkings oder in einem Brief an die Staatsanwaltschaft und auch im gegenständlichen Unterlassungsverfahren, sie habe Sexualkontakt mit dem Kläger gehabt und sei von ihm schwanger geworden. Dabei behauptete sie beispielsweise auch die nun von den Vorinstanzen untersagten (unwahren) Umstände.

[3] Darüber hinaus schrieb die Beklagte einen über 200 Seiten langen Roman, der von einem Verlag veröffentlicht wurde, in dem sie ihre Begegnung mit dem Kläger beschreibt und der auch die erfundene Intimbeziehung zwischen den beiden enthält. Für das kundige Leserpublikum sind durch eine hohe Zahl an Identifizierungsmerkmalen sowohl der Kläger als auch die Beklagte als Romanfiguren gut erkennbar. Die Beklagte hinterließ zumindest ein Exemplar ihres Romans am Arbeitsplatz des Klägers, wo es eine Arztkollegin in ihrem Postfach vorfand und den Kläger darauf ansprach.

[4] Die Beklagte sprach auch mit einer Arztkollegin und erzählte ihr die Geschichten über den Kläger und sich. Sie versuchte außerdem über eine Mitarbeiterin im Spital, Kontakt zum Kläger herzustellen.

[5] Obwohl der Kläger die Beklagte mehrfach ersuchte, keinen Kontakt mehr mit ihm aufzunehmen, ließ sie nicht von ihm ab und kontaktierte ihn immer wieder. Der Kläger teilte der Beklagten mehrfach bei persönlichen Gesprächen mit, dass er einen Kontakt mit ihr nicht wolle und eine Liebesbeziehung ablehne. Er riet ihr auch, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie mit seiner Ablehnung nicht zurechtkomme.

[6] Etwa seit der gegenständlichen Klagseinbringung im März 2020 gab es keine Kontaktaufnahmeversuche durch die Beklagte mehr.

[7] Die Beklagte leidet seit 2018 trotz Therapie an einer anhaltenden wahnhaften Störung, einem Liebeswahn. Diese Störung ist therapieresistent. Die Beklagte hat keine Krankheitseinsicht. Sie ist aus psychiatrischer Sicht nicht in der Lage, einem Kontaktaufnahmeverbot und einem Unterlassungsgebot willentlich Folge zu leisten. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die Beklagte auch in Zukunft nicht an Weisungen des Gerichts wird halten können. Es ist bei ihr zwar neben dem Wahn auch noch ein gesunder Anteil in ihrer Persönlichkeit vorhanden, sodass es für sie möglich ist zu erkennen, dass weitere Kontaktaufnahmeversuche zum Kläger zu finanziellen Konsequenzen führen könnten; das aber wird sie nicht davon abhalten. Sollte ihr Liebeswahn wieder aufflammen, wird sie den Kläger weiterhin belästigen. Es kann etwa im Fall, dass sich bei der Beklagten gewisse Lebensumstände ändern oder auch, sollte sie aus gesundheitlichen Gründen wieder einen Krankenhausaufenthalt antreten müssen, dazu kommen, dass ihr Liebeswahn wieder aufbricht und sie dann erneut damit beginnt, den Kläger zu belästigen. Obwohl sie schon etwa zwei Jahre lang keinen Kontakt mehr mit dem Kläger aufgenommen hat, ist ihr Wahnkonstrukt auch noch aktuell vollständig aufrecht und unverrückbar.

[8] Aufgrund ihrer wahnhaften Störung wurde für die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens der Beklagtenvertreter zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt, dies mit dem Wirkungskreis der Vertretung im gegenständlichen Verfahren.

[9] Der Kläger begehrt die Unterlassung jeglicher Kontaktaufnahme sowie der Behauptung und/oder Verbreitung verschiedener Äußerungen durch die Beklagte und brachte vor, dass diese seit Juni 2018 über verschiedenste Kommunikationskanäle und entgegen seiner ausdrücklichen Ablehnung mit ihm Kontakt herstelle und dadurch auch seine private Lebensführung unzumutbar mache. Auch mit der Schilderung einer erfundenen Intimbeziehung zu ihm greife sie in die Persönlichkeitsrechte ein. Es sei zu befürchten, dass sie auch in Zukunft mit derselben Intensität diese unerwünschten Kontaktaufnahmen fortsetze. Der Unterlassungsanspruch setze kein Verschulden voraus. Diese Frage sei erst in einem allfälligen Exekutionsverfahren zu klären.

[10] Die Beklagte hielt dem – soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz – entgegen, sie stehe aufgrund der genannten Vorfälle und aufgrund ihrer Liebe zum Kläger seit Herbst 2018 in ständiger psychotherapeutischer Behandlung. Sie leide an einer wahnhaften Störung, und es fehle ihr die entsprechende Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit. Sie sei nicht in der Lage, dem vom Kläger begehrten Unterlassungsgebot willentlich Folge zu leisten. Ein Zuwiderhandeln gegen einen allfälligen Unterlassungstitel könnte auch durch Beugestrafen nicht verhindert werden. Die Schaffung eines solchen Titels gegen die derzeit handlungsunfähige Beklagte würde diese in einem folgenden Exekutionsverfahren zur Impugnationsklage nötigen, wodurch sie gegenüber einer voll handlungsfähigen Person entgegen § 21 Abs 1 ABGB benachteiligt würde.

[11] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Intensität der Eingriffe in die Privatsphäre seien mehr als erheblich, und ein die fortgesetzten Kontaktaufnahmen rechtfertigender Grund bestehe nicht. Aus der Entscheidung 7 Ob 232/16t ergebe sich, dass auch bei einer Unterlassungsklage die Prüfung der Zurechnungsfähigkeit eines Verletzers von Persönlichkeitsrechten erst im Exekutionsverfahren zu klären sei.

[12] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Eine Unterscheidung bezüglich der Handlungsfähigkeit des Täters danach, ob eine Vollstreckung durch die Sicherheitsbehörden oder durch das Exekutionsgericht erfolgen werde, sei nicht vorzunehmen. Der besondere Schutz des § 21 Abs 1 ABGB stelle Personen nicht automatisch über die Interessen einer gefährdeten Partei. Es stehe dem Opfer frei, eine einstweilige Verfügung nach § 382c EO zu beantragen. Werde auf Grundlage einer bloßen Bescheinigung des Sachverhalts eine einstweilige Verfügung erlassen, werde dem Opfer Schutz durch die Sicherheitsbehörden genauso gewährt wie die Verhängung von Strafen im Exekutionswege. Gehe das Opfer den Weg über die ein höheres Beweismaß erfordernde Unterlassungsklage, könne keine Abweisung nur aus dem Grund erfolgen, weil es dem Täter aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht möglich sei, dem Unterlassungsgebot willentlich zu folgen. Dies würde den Schutzgedanken seit dem 2. Gewaltschutzgesetz unterlaufen.

[13] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich die höchstgerichtliche Judikatur seit der Entscheidung 7 Ob 150/97b ausschließlich mit dem Thema der Handlungsfähigkeit bei Erlassung einer einstweiligen Verfügung befasst habe, jedoch keine Rechtsprechung dazu vorliege, ob seit dem 2. Gewaltschutzgesetz (BGBl I 2009/40) dies auch auf Unterlassungsklagen uneingeschränkt anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grundzulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[15] 1.1. Persönlichkeitsrechte sind absolute Rechte und genießen als solche Schutz gegen Eingriffe Dritter (RS0008999). Droht ihre Verletzung, steht dem Inhaber ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zu (RS0008999 [T2]).

[16] 1.2. Dies gilt auch für das Persönlichkeitsrecht auf körperliche Unversehrtheit (5 Ob 162/09y; RS0114307; RS0008999 [T3, T7]). Der Oberste Gerichtshof hat zum Recht auf Wahrung der körperlichen Integrität bereits klargestellt, dass eine einstweilige Verfügung nach § 382e EO aF (nunmehr § 382c EO) Schutz vor dem verpönten faktischen Verhalten einer Person bieten soll, die einen anderen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Täter zurechnungsfähig oder einer Willensbildung/‑beugung zugänglich ist (7 Ob 185/17g [ErwGr 3.2.]; 7 Ob 232/16t [ErwGr 3. f]). Dies wurde auch damit begründet, dass die einstweilige Verfügung Voraussetzung und Grundlage für die Vollstreckung durch die Sicherheitsbehörden durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt ist, die ungeachtet der Delikts‑, Handlungs- und Einwilligungsfähigkeit des von ihr Betroffenen vorzunehmen ist. Schon der dargelegte Zweck der einstweiligen Verfügung gebietet es, dass erst in dem Fall, dass neben dem Vollzug durch die Sicherheitsbehörden auch ein Exekutionsverfahren nach §§ 354 ff EO (durch Geld- bzw Haftstrafen) angestrengt werden sollte, im Exekutionsverfahren zu klären ist, ob den Verpflichteten ein Verschulden trifft bzw ob er aufgrund seines Persönlichkeitszustands allenfalls keiner Willensbeugung zugänglich ist (7 Ob 185/17g [ErwGr 3.2.]; 7 Ob 232/16t [ErwGr 4.] unter Ablehnung der Entscheidung 7 Ob 150/97b).

[17] 1.3. Argumente gegen diese Rechtsprechungenthält die Revision nicht.

[18] 1.4. § 382c EO (bzw § 382e EO aF) schafft keine neue Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Unterlassung von drohenden Eingriffen in die körperliche Integrität, sondern setzt das Bestehen dieses Anspruchs voraus (zur Rechtfertigung durch Unterlassungsklage mit inhaltlich entsprechendem Begehren König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 4.78/1; vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR² §§ 382e–382i EO Rz 87). Er konnte auch bereits vor Einführung des § 382e EO aF mit dem 2. Gewaltschutzgesetz (BGBl I 2009/40) durch einstweilige Verfügung nach § 381 Z 2 EO gesichert werden (5 Ob 162/09y).

[19] 1.5. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb die Voraussetzungen für das Bestehen ein und desselben Unterlassungsanspruchs im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung andere sein sollen als etwa in einem zu deren Rechtfertigung geführten (§ 382e Abs 3 EO) Hauptverfahren. Auch die neben der Vollstreckung nach § 355 EO bestehende Möglichkeit der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung durch die Sicherheitsbehörden ändert daran nichts (siehe zu diesem Problemkreis im Übrigen Punkt 3. ff). Zutreffend hat daher das Berufungsgericht erkannt, dass sich das Bestehen des Unterlassungsanspruchs gegen einen Handlungsunfähigen nicht danach richten kann, ob eine einstweilige Verfügung nach § 382c EO beantragt wurde oder ob über diesen Anspruch im Hauptverfahren zu entscheiden ist.

[20] 1.6. Auch im Unterlassungsprozess wegen drohender Eingriffe in die körperliche Integrität ist daher die Handlungsfähigkeit des Beklagten keine Voraussetzung für dessen Verurteilung.

[21] 2.1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Beklagte das (absolute; siehe Punkt 1.1.) Persönlichkeitsrecht des Klägers auf Achtung seiner Privatsphäre (vgl 8 Ob 155/06m) verletzt hat.

[22] 2.2. Grundlage des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Privatsphäre sind §§ 16 und 1328a ABGB. Droht eine Verletzung der Privatsphäre, steht dem Inhaber ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zu (6 Ob 203/16w [ErwGr 3.1.]; 1 Ob 61/08i; 8 Ob 155/06m).

[23] 2.3. Auch die Regelungen über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre (§ 382d EO) schaffen keine neue Anspruchsgrundlage (vgl ErläutRV 1316 BlgNR 22. GP 7 f zu § 382g EO aF), sondern setzen den soeben dargelegten Unterlassungsanspruch vielmehr voraus. Nur das Bestehen eines solchen Unterlassungsanspruchs kann somit die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382d EO rechtfertigen (vgl 1 Ob 61/08i; 8 Ob 155/06m).

[24] 2.4. Eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre nach § 382d Z 1, 3 und 8 EO kann – neben einer Exekution nach § 355 EO – auch durch die Sicherheitsbehörden durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt vollstreckt werden (§ 382i Abs 1 Z 3 und Abs 3 EO).

[25] 2.5. Die oben dargelegten Erwägungen zur Unterlassung drohender Eingriffe in die körperliche Integrität lassen sich somit auf den insoweit gleichgelagerten Anspruch auf Unterlassung drohender Eingriffe in die Privatsphäre übertragen.

[26] 2.6. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Handlungsfähigkeit der Beklagten keine Voraussetzung für deren Verurteilung zur Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre des Klägers ist.

[27] 2.7. Schon deshalb ist der unberechtigten Revision ein Erfolg zu versagen.

[28] 3. Im Übrigen überzeugen auch die Argumente der Revision, die sich vornehmlich auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung 7 Ob 150/97b stützt, aus nachstehenden Gründen nicht:

[29] 3.1. Für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs kommt es nicht auf ein Verschulden an (Punkt 1.1.), daher ist materiell‑rechtlich auch die Deliktsfähigkeit des die absolut geschützten Güter Gefährdenden nicht vorauszusetzen. Auch wenn die Durchsetzung daran scheitern sollte, dass die Verhängung von Beugestrafen nach § 355 EO Verschuldensfähigkeit erfordert (vgl RS0085147), ist zwischen dem Bestehen des Anspruchs und seiner derzeitigen Vollstreckbarkeit zu unterscheiden. Dies insbesondere deshalb, weil eine freiwillige Befolgung der Unterlassungspflicht trotz Verschuldensunfähigkeit nicht völlig von der Hand zu weisen ist (Koziol,Gedanken zum privatrechtlichen System des Rechtsgüterschutzes, in FS Canaris I [2007] 631 [640 f]). Vor allem ist es denkbar, dass der Sachwalter/Erwachsenenvertreter oder Angehörige im Rahmen der Personensorge dann besondere Anstrengungen entfalten, um ein urteilskonformes Verhalten des Beklagten sicherzustellen (Kodek, Besitzstörung 294; ähnlich auch Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1394 Rz 30; differenzierend Hirsch, Ist der Unterlassungsanspruch wirklich verschuldensunabhängig? JBl 1998, 541; P. Bydlinski, Die Eigenmacht im Besitzstörungsrecht RZ 1998, 97 [98 f]).

[30] So gab es etwa nach den Feststellungen auch im vorliegenden Fall seit der gegenständlichen Klagseinbringung keine Kontaktaufnahmeversuche durch die Beklagte mehr.

[31] 3.2. Zwar stehen gemäß § 21 Abs 1 ABGB schutzberechtigte Personen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Eine Verurteilung zur Unterlassung belastet den Delikts‑ und/oder Geschäftsunfähigen aber auch dann nicht ungebührlich, wenn der die Deliktsfähigkeit verhindernde Umstand auch in naher Zukunft noch gegeben sein sollte, zumal er lediglich verpflichtet ist, den Eingriff in die absolut geschützte Rechtssphäre eines anderen aufzugeben. Eine Vollstreckung nach § 355 EO ist ohnedies nur bei schuldhaft gesetzten Verstößen gegen das Unterlassungsurteil möglich (Kodek, Besitzstörung 290, 292; Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht 221 f, insb auch FN 675).

[32] Dies steht auch im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung zur Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB. Danach kann eine solche Klage unabhängig vom Eintritt eines Schadens sowie von Zurechnungsfähigkeit, Verschulden oder Störungsabsicht gegen jeden unberechtigten nicht hoheitlichen Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (1 Ob 47/00v; 1 Ob 296/98f; 6 Ob 224/68 JBl 1970, 35).

[33] 3.3. Die Handlungsunfähigkeit entfaltet auf Ebene des Exekutionsverfahrens, in dem der Prozessunfähige ohnedies eines Vertreters bedarf, ihre Wirkung in ausreichender Weise. Leitet der Kläger gegen den handlungsunfähigen Verpflichteten ein Exekutionsverfahren nach § 355 EO ein, kann der Verpflichtete die Schuldlosigkeit seiner Zuwiderhandlung mit Impugnationsklage geltend machen. Ist die Klage erfolgreich, wird keine Strafe verhängt, der Betreibende wird mit den Kosten des Impugnationsverfahrens belastet und hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der Exekutionskosten (vgl Kodek, Besitzstörung 293; idS auch Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht 221 f, insb auch FN 675).

[34] Damit unterscheidet sich die Situation des Beklagten nicht wesentlich von jener durch neuerliche Erhebung einer Unterlassungsklage mit der Behauptung, der Beklagte habe seine Handlungsfähigkeit wiedererlangt, auf die die Entscheidung 7 Ob 150/97b den dortigen Kläger verweist. Auch nach dieser Ansicht müsste sich dann der Beklagte auf einen neuerlichen Prozess einlassen und sich dort auf seine weiterhin bestehende Handlungsunfähigkeit berufen, um eine Klagsabweisung zu erreichen (Hirsch, JBl 1998, 541 [547]).

[35] 3.4. Soweit die Revision auf die den Handlungsunfähigen belastenden Kosten bei Unterliegen im Unterlassungsprozess hinweist, ist ihr entgegen zu halten, dass insoweit keine ins Gewicht fallende „Schlechterstellung“ des Handlungsunfähigen erfolgt, weil eine solche Kostenersatzpflicht grundsätzlich auch eine schuldlos handelnde zurechnungsfähige Person trifft. Deren Auswirkungen können überdies durch entsprechendes Prozessverhalten minimiert werden, etwa durch Anerkenntnis oder dem Anbieten eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs (vgl Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.303). Im Übrigen richtet sich gemäß § 393 Abs 2 EO der Kostenersatz im Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach §§ 382c und 382d EO (dazu oben Punkt 1.2.) ebenfalls nach §§ 40 ff ZPO.

[36] Die von der Revision gegen die Kostenersatzbestimmungen ins Treffen geführte UN‑Behindertenrechtskonvention ist nicht unmittelbar anwendbar, begründet keine subjektiven Rechte und kann daher auch nicht Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines anderen Rechtsakts sein (RS0131279 [T1]).

[37] 3.5. Aus § 49 Abs 2 ÄrzteG, der ausschließlich die Pflicht zur unmittelbaren ärztlichen Berufsausübung regelt (Wallner in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm2 § 49 ÄrzteG 1998 Rz 11), ist für die Beklagte schon angesichts der festgestellten Therapieresistenz der Krankheit und der hier zu beurteilenden Eingriffe in die Privatsphäre des Klägers nichts zu gewinnen.

[38] 3.6. Dies gilt auch für den Hinweis der Revision auf die Straffreiheit einer zurechnungsunfähigen Person nach § 21 Abs 1 StGB. Denn Grund für eine Vollstreckung des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 355 EO kann – wie bereits dargelegt – nur ein Verhalten bilden, das schuldhaft, also zumindest fahrlässig gesetzt wurde (RS0085147).

[39] 4. Die Revision bleibt somit erfolglos.

[40] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Der aufgrund eines Additionsfehlers verzeichnete geringfügige Mehrbetrag war zu korrigieren.

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