European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00003.19P.0124.000
Spruch:
Den Revisionen wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:
Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 17.612 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 2. 2009 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen
a) dem Erstbeklagten die mit 2.792,71 EUR (darin 464,84 EUR USt und 3,67 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 2.883,72 EUR (darin 290,12 EUR USt und 1.143 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.684,88 EUR (darin 208,98 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens sowie
b) dem Zweitbeklagten die mit 2.793,44 EUR (darin 464,84 EUR USt und 4,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 2.883,72 EUR (darin 290,12 EUR USt und 1.143 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.684,88 EUR (darin 208,98 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten waren seit Jänner 2000 unbeschränkt haftende Gesellschafter einer OEG. Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 von der OEG ein Lokal. Aufgrund behaupteter Mängel des Lokals forderte die Klägerin nach Übergabe des Lokals 186.000 EUR von der OEG mit Klage zurück und zahlte den restlichen Kaufpreis von 80.000 EUR nicht, weshalb die OEG mit Schreiben vom 19. 10. 2006 den Rücktritt vom Vertrag erklärte und der Erstbeklagte gerichtlich die Rückgabe des Lokals forderte. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 16. 5. 2008 wurde das Begehren der Klägerin abgewiesen, dem Begehren des Erstbeklagten hingegen stattgegeben. In Erfüllung dieses vom Berufungsgericht am 22. 1. 2009 bestätigten Urteils stellte die Klägerin das Lokal am 26. 2. 2009 an den Erstbeklagten zurück. Die Klägerin hatte im genannten Verfahren keine Zug‑um‑Zug‑Einrede auf Refundierung des Kaufpreises erhoben.
Am 26. 4. 2006 schied der Zweitbeklagte aus der OEG aus und trat seinen Gesellschaftsanteil an den Erstbeklagten ab. Dies wurde dem Firmenbuch nie angezeigt. Die Klägerin wusste davon seit damals Bescheid. Mit Eintragung vom 27. 3. 2009 wurde die OEG im Firmenbuch auf Antrag beider Beklagter gelöscht.
In einem weiteren Prozess begehrte die Klägerin von der OEG und beiden Beklagten die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreisteils von 187.665,58 EUR. Mit Schriftsatz vom 24. 7. 2009 zog sie ihre Klage gegen die OEG zurück. Mit Beschluss vom 18. 9. 2009 wurde das gegen die OEG geführte Verfahren für nichtig erklärt. Die Beklagten machten eine Gegenforderung in der Höhe von 105.687,50 EUR brutto als Benützungsentgelt für 34 Monate (1. 5. 2006 bis 26. 2. 2009) geltend. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 31. 7. 2012 sprach das Gericht aus, dass die Klageforderung mit 187.665,58 EUR und die Gegenforderung mit 105.687,50 EUR zu Recht bestehen.
Die OEG verfügt seit dem 2. 7. 2010 über keine gültige UID‑Nummer mehr. Sie machte in der Folge die in der Gegenforderung enthaltene Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2013 geltend. Mit Umsatzsteuerbescheid für 2013 vom 28. 1. 2015 wurde der Vorsteuerabzug als unzulässig erkannt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin wurde vom Finanzamt Wien 9/18/19/Klosterneuburg mit Bescheid vom 12. 8. 2015 als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin kein weiteres Rechtsmittel.
Ob die Klägerin vor den angeführten Finanzverfahren wusste, dass die OEG seit 2. 7. 2010 über keine UID‑Nummer mehr verfügte, und ob die Beklagten jemals über eine UID‑Nummer verfügten, konnte nicht festgestellt werden.
Die Klägerin begehrt Zahlung von 17.612 EUR sA. Die Beklagten seien nicht berechtigt gewesen, im Vorprozess mit dem Benützungsentgelt auch die Umsatzsteuer zu fordern, weil die OEG zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr existent gewesen sei und sie selbst im Zusammenhang mit dem Geschäftslokal keine gewerbliche Tätigkeit mehr ausgeübt hätten. Mit der Verrechnung der Umsatzsteuer im Vorprozess hätten sie vorgetäuscht, dass sie die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen würden. Nur deshalb habe ihnen das Erstgericht das Benützungsentgelt inklusive 20 % USt zugesprochen. Die Beklagten hafteten daher deliktisch für den bei der Klägerin mangels Vorsteuerabzugs eingetretenen Schaden in dieser Höhe. Die Beklagten seien durch den Mehrwertsteuerbetrag unrechtmäßig bereichert.
Beide Beklagten bestritten das Klagebegehren. Der Erstbeklagte brachte vor, im Vorprozess sei niemals vorgebracht worden, dass eine allfällige Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werde; vielmehr sei „klar“ gewesen, dass die OEG dies nicht mehr machen könne, weil sie bereits gelöscht sei. Die OEG habe bis 2010 über eine aufrechte UID‑Nummer verfügt, sodass die Beklagten im Vorprozess nicht arglistig oder prozessbetrügerisch gehandelt hätten. Der Klägerin habe klar sein müssen, dass ein Vorsteuerbetrag nicht zustehen könne, weil die OEG nicht mehr existiert habe. Es liege daher eine entschiedene Rechtssache vor.
Der Zweitbeklagte bestritt seine passive Klagslegitimation, weil er in den Verkauf des Lokals im Jahr 2006 überhaupt nicht mehr eingebunden gewesen sei, zumal er bereits mit 26. 5. 2006 (richtig: 26. 4. 2006) aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Die Klagsführung verstoße gegen die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess, weil die rechtskräftig zugesprochene Gegenforderung „neu aufgerollt“ werde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin habe gemäß Art XII Z 3 EGUStG einen Rückersatzanspruch.
Das Berufungsgericht gab – abgesehen von einer Teilabweisung des Zinsenbegehrens – den dagegen erhobenen Berufungen der Beklagten nicht Folge. Nach Verwerfung einer Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, die Klägerin mache einen deliktischen Schadenersatzanspruch und einen Bereicherungsanspruch geltend. Zusätzlich stütze sich die Klägerin – ohne die Anspruchsgrundlagen ausdrücklich voneinander zu trennen – auf Art XII Z 3 EGUStG. Nach letzterer Bestimmung komme es allein darauf an, ob der Ersatzberechtigte einen Vorsteuerabzug vorgenommen habe bzw schuldhaft unterlassen habe. Ein Vorsteuerabzug durch den Ersatzpflichtigen, auf den sich das erstinstanzliche Verfahren überwiegend konzentriert habe, sei für Art XII Z 3 EGUStG hingegen ohne Relevanz.
Ob ein Anspruch nach Art XII Z 3 EGUStG zu Recht bestünde, lasse sich aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse nicht abschließend beurteilen. Die Klägerin stütze ihr Begehren aber auch auf das allgemeine Bereicherungsrecht. Dieser Anspruch sei berechtigt. Im Vorprozess sei die Umsatzsteuer zugesprochen worden; die Berechtigung dieses Teils des Anspruchs sei jedoch weder vom Gericht erörtert noch von der Klägerin infrage gestellt worden. Die Rechtskraft der Vorentscheidung stehe einem anderen Sachverhaltsvorbringen nicht entgegen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Rückforderbarkeit eines irrtümlich im Rahmen eines rechtskräftigen Urteils geleisteten Umsatzsteuerbetrags nicht existiere.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der Beklagten sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie sind auch berechtigt.
1.1. Die Beklagten haben im Vorprozess Benützungsentgelt für die Benützung des Lokals als Gegenforderung eingewendet. In dieser Gegenforderung waren auch 20 % Umsatzsteuer enthalten. Dem lag offenbar die Erwägung zugrunde, dass es sich beim Benützungsentgelt für die (unfreiwillige) Zurverfügungstellung des Lokals bis zu dessen Rückstellung um „unechten“ Schadenersatz handelt, der grundsätzlich Umsatzsteuerpflicht auslösen kann (vgl 6 Ob 523/93). Die klagende Partei steht auf dem Standpunkt, der OEG stehe die USt für das Benützungsentgelt nicht zu.
1.2. Der Oberste Gerichtshof hat bei einer irrtümlich und ohne Missbrauchsabsicht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer, die nicht schon aufgrund der Leistung geschuldet war, angenommen, dass der daraus resultierende steuerrechtlich überhöhte Steuerausweis berichtigt werden kann. Dies führt zivilrechtlich zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Leistungsempfängers im Ausmaß der Überzahlung, wobei es bei dem dortigen vertraglichen Anspruch zuvor noch einer irrtumsrechtlichen Vertragsanpassung bedurfte (4 Ob 139/10k; 7 Ob 136/10s).
1.3. Nach Reischauer (in Rummel, ABGB3 § 1323 Rz 25) ist bei zumindest leicht fahrlässigem, unberechtigtem Verlangen der Umsatzsteuer eine Ersatzpflicht des Geschädigten/Bereicherten gegeben, wobei er diese Haftung mit einer Analogie zur culpa in contrahendo rechtfertigt.
1.4. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass über die Berechtigung der Umsatzsteuer bereits im Vorprozess, in dem diese Forderung compensando eingewendet worden war, mit Urteil abgesprochen wurde.
2. Die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderung begründet bis zur Höhe des Betrags, mit dem aufgerechnet wurde, die Rechtskrafteinrede (§ 411 Abs 1 ZPO; RIS‑Justiz RS0041281).
3.1. Die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen zählt zu den Grundwertungen des Zivilverfahrensrechts. In einigen neueren Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Bestandschutz rechtskräftiger Entscheidungen aus Art 6 EMRK abgeleitet (EGMR 28. 10. 1999, Brumarescu gegen Rumänien und EGMR 24. 7. 2003, Ryabykh gegen Russland; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 515 Rz 79; dazu auch Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540]). Endgültige Gerichtsentscheidungen müssen bindend sein und dürfen nicht oder nur unter strikten Voraussetzungen aufgehoben werden (EGMR 28. 10. 1999, Brumarescu gegen Rumänien und EGMR 24. 7. 2003, Ryabykh gegen Russland, Grabenwarter/Pabel aaO).
3.2. Die materielle Rechtskraft äußert Einmaligkeits‑ und Bindungswirkung (dazu Klicka in Fasching/Konecny 3 § 411 Rz 15 ff). Die Einmaligkeitswirkung (ne bis in idem) schließt zwischen den gleichen Parteien die neuerliche Anhängigmachung desselben Begehrens aus, das auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt ist und verwehrt die Sachverhandlung und Entscheidung über dieses idente Rechtsschutzbegehren (1 Ob 113/13v; Klicka aaO Rz 15). Die Außerachtlassung dieses Prozesshindernisses bewirkt die Nichtigkeit der trotzdem gefällten Sachentscheidung und des vorangegangenen Verfahrens in der Hauptsache (Klicka aaO Rz 15 mwN).
3.3. Wenn das neue Klagebegehren selbst nicht mit dem bereits entschiedenen Begehren ident ist, aber seine Entscheidung von dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung logisch abhängt, ist demgegenüber kein Raum für die Einmaligkeitswirkung. Diesfalls greift vielmehr die Bindungswirkung (Klicka aaO Rz 16 mwN). Diese schließt nur die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs‑ bzw Rechtsverhältnisses aus, nicht aber die Verhandlung und Entscheidung über das neue Klagebegehren. Der zweite Richter hat vielmehr von dem rechtskräftig festgestellten Anspruch bzw Rechtsverhältnis auszugehen und ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen (1 Ob 113/13v; 7 Ob 115/07y; Klicka aaO Rz 16).
3.4. Die Einmaligkeitswirkung greift auch ein, wenn sich das zweite Verfahren als die reine Negation, das heißt das kontradiktorische Gegenteil des Urteils des Vorprozesses erweist (1 Ob 183/14i; Klicka aaO Rz 50). Trotz äußerlicher Verschiedenheit der Begehren handelt es sich diesfalls um denselben Anspruch, wenn im Folgeprozess nur die Negation der ersten Entscheidung angestrebt wird. Die Einmaligkeitswirkung greift aber nur beim begrifflichen Gegenteil, das heißt bei reiner Negation des entschiedenen Anspruchs ein. Steht demgegenüber die nunmehrige Klage mit dem ergangenen Urteil nur in einem Unvereinbarkeitsverhältnis in dem Sinne, dass der rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den nunmehrigen Prozess bildet, greift nicht die Einmaligkeitswirkung, sondern die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft ein (Klicka aaO Rz 50 mwN). In diesem Fall ist daher das zweite Verfahren wegen Präjudizialität unter Bindung an die Entscheidung des ersten Verfahrens inhaltlich zu entscheiden.
3.5. Als Beispiel hiefür wird in der Literatur der Fall der bereicherungsrechtlichen Rückforderung des durch Urteil zuerkannten Anspruchs angeführt (Klicka aaO Rz 50). Werde A zur Zahlung von 100 EUR an B aus einem Kaufvertrag verurteilt und von B aufgrund dieser Entscheidung Exekution geführt, so wäre eine auf Bereicherungsrecht gestützte Klage des A gegen B auf Rückzahlung der 100 EUR zwar zulässig, aber unbegründet. A erhebe mit seiner Bereicherungsklage zwar einen anderen Anspruch als jenen, der Gegenstand des ersten Verfahrens war (nämlich einen Bereicherungsanspruch, während es sich ursprünglich um den Kaufpreisanspruch handelte); im zweiten Prozess sei aber die Vorfrage zu beurteilen, ob eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorliege (Klicka aaO Rz 50 mwN).
3.6. Eine Durchbrechung der Rechtskraft sieht das österreichische Recht nur in seltenen Ausnahmefällen vor (dazu Klicka aaO Rz 140 ff). Nach völlig herrschender Auffassung kann die Rechtskraft, weil diese prozessualen Ursprungs ist, nur mit den durch die Prozessordnung gewählten Mitteln beseitigt werden (Klicka aaO Rz 141). Hiezu zählen etwa die Nichtigkeits‑ und Wiederaufnahmsklage. Hingegen bildet die allfällige Unrichtigkeit der Entscheidung (dazu Klicka aaO Rz 146 ff) keinen Grund für eine Durchbrechung der Rechtskraft, könnte diese doch dann ihre streitbereinigende Wirkung nicht entfalten.
4.1. Damit erweist sich aber der Anspruch der klagenden Partei, soweit dieser auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützt ist, als unbegründet. Rechtsgrund der Zahlung durch Aufrechnung war das im Vorprozess ergangene Urteil (vgl Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 1431 Rz 2 mwN). Dies würde selbst dann gelten, wenn dieses Urteil inhaltlich unzutreffend wäre (Lurger aaO). Insoweit steht dem Anspruch der Klägerin daher die Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses entgegen.
4.2. Weder aus den zitierten Entscheidungen des 1. und des 7. Senats noch aus der Lehrmeinung Reischauers lässt sich aber eine Grundlage für eine Durchbrechung der Rechtskraft ableiten.
4.3. Gleiches gilt für deliktische Ansprüche der Klägerin. Nach einhelliger Auffassung sind Schadenersatzklagen wegen sittenwidriger Erlangung oder Ausbeutung der Rechtskraft eines Urteils ausgeschlossen (Klicka aaO Rz 151). Die Rechtsordnung räumt hier dem Interesse der Rechtssicherheit den Vorrang vor dem Interesse, behauptete Mängel des Urteils unbegrenzt geltend machen zu können, ein (Klicka aaO). Die einzigen berücksichtigungswürdigen Ausnahmen sind in den Bestimmungen über die Nichtigkeits‑ und Wiederaufnahmsklage (§§ 529 ff ZPO) abschließend geregelt (Klicka aaO Rz 151).
5.1. Auch aus Art XII Z 3 EGUStG (Bundesgesetz vom 15. Juni 1972 über die Einführung des Umsatzsteuergesetzes 1972 BGBl 1972/224) ist für die klagende Partei nichts abzuleiten. Nach dieser Bestimmung berührt „ der Umstand, dass jemand, der Anspruch auf Ersatz für eine Sache oder Leistung hat, als Unternehmer zum Abzug von Vorsteuern (§ 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972) berechtigt ist, […] an sich die Bemessung des Ersatzes nicht. Schließt der Ersatzbetrag auch Umsatzsteuer ein, so erwächst jedoch dem Ersatzpflichtigen gegen den Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch in der Höhe des Umsatzsteuerbetrags, sobald und soweit ihn der Ersatzberechtigte als Vorsteuer abziehen könnte. Dient der Ersatzbetrag dazu, die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung einer Sache oder Leistung zu ermöglichen, so ist als Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte den Vorsteuerabzug geltend machen könnte, der Zeitpunkt anzusehen, in dem er dies unter Annahme einer unverzüglichen Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung tun könnte. Der Ersatzberechtigte ist verpflichtet, dem Ersatzpflichtigen Auskunft über den Vorsteuerabzug zu geben und ihm in die darauf bezüglichen Belege Einsicht zu gewähren “.
5.2. Diese Bestimmung gehört nach wie vor dem geltenden Recht an. Durch das Zweite Bundesrechts ‑ bereinigungsgesetz
(Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen, BGBl I 2018/61) wurde sie ausdrücklich aufrechterhalten (S 76 der Anlage).
5.3. Bei dem in Art XII Z 3 EGUStG eingeräumten Anspruch handelt es sich um einen Bereicherungsanspruch sui generis ( Huber/Hofinger , Zivilrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Einführung des Umsatzsteuergesetzes, ÖJZ 1975, 337 [346]; Kodek , Prozesskostenersatz und Umsatzsteuer – Zum Bereicherungsanspruch nach Art XII Z 3 EGUStG, RdW 1988, 56 ff). Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Ersatzpflichtige eine Judikatsschuld erfüllt oder ohne
Urteil geleistet hat (RIS-Justiz RS0075909). Soweit der ursprüngliche Ersatzbetrag bereits rechtskräftig zuerkannt wurde, bewirkt Art XII Z 3 EGUStG damit im Ergebnis eine spezifische Rechtskraftdurchbrechung ( Kodek aaO).
5.4. Die Regelung ist im Zusammenhang mit der Umstellung der früheren Mehrwertsteuer auf eine All‑Phasen‑Netto‑Umsatzsteuer zu sehen. Die damit eingeführte offene Ausweisung der Umsatzsteuer (vgl § 11 Abs 1 UStG) macht erst einen Vorsteuerabzug möglich. Damit hat der Unternehmer nach Zahlung der Umsatzsteuer die Möglichkeit, die bezahlte Vorsteuer von seiner eigenen Umsatzsteuer‑Schuld abzuziehen. Art XII Z 3 EGUStG will die umsatzsteuerrechtlichen Fragen aus dem ersten Prozess ausklammern und diese einem zweiten Prozess vorbehalten. Der Schädiger kann daher seinen ihm gemäß Art XII Z 3 EGUStG zustehenden Rückersatzanspruch in einem gegen ihn geführten Schadenersatzprozess nicht geltend machen, sondern ist auf die Führung eines getrennten Rechtsstreits verwiesen (RIS‑Justiz RS0030251). Dadurch soll der erste Prozess entlastet werden.
5.5. Die Überschrift des Art XII EGUStG lautet „Ersatzrechtliche Sondervorschriften“. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 227 BlgNR 13. GP ; Bericht des Finanz‑ und Budgetausschusses 383 BlgNR 13. GP ) stellt diese Bestimmung sicher, dass sich das Gericht zunächst nicht um die Umsatzsteuer, „die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt wird“, zu kümmern habe, insbesondere nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden brauche, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof– soweit ersichtlich – in einer Entscheidung Art XII Z 3 EGUStG auch auf Kondiktionsansprüche angewendet (4 Ob 2385/96f).
5.6. Diese Auffassung lässt sich jedoch jedenfalls nicht auf eine Konstellation wie im vorliegenden Fall übertragen: Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt Art XII Z 3 EGUStG nur in Fällen in Betracht, in denen der Ersatzberechtigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ausdrücklich verweist das Gesetz hier auf § 12 UStG. Art XII Z 3 EGUStG bietet daher keine selbständige Grundlage für die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs, sondern setzt diese Möglichkeit voraus.
5.7. Nach § 12 Abs 1 Z 1 lit a Satz 1 UStG kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung im Sinne des § 11 UStG an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Art XII Z 3 EGUStG ist sohin auf Konstellationen zugeschnitten, in denen der Ersatzberechtigte Lieferungen bzw Leistungen bezieht und dafür von einem Dritten Ersatz verlangen kann. Auf das hier vorliegende Zwei‑Personen‑Verhältnis passt diese Regelung jedoch nicht: Ein Vorsteuerabzug der ersatzberechtigten OEG selbst (bzw des Erstbeklagten als Gesamtrechtsnachfolger) für das von der OEG verlangte Benützungsentgelt kommt evident nicht in Betracht. Dabei handelt es sich gerade nicht um eine Leistung, die die OEG in Anspruch genommen und die sie nunmehr im Wege des (Schaden‑)Ersatzrechts auf einen Dritten überwälzen will, sondern die auf ihre eigene Leistungserbringung, nämlich die Zuverfügungstellung des Lokals, entfallende Umsatzsteuer. Diese könnte allenfalls bei Vorliegen der sonstigen umsatzsteuerrechtlichen Voraussetzungen von der Klägerin als Vorsteuer geltend gemacht werden; mit Art XII Z 3 EGUStG hat dies jedoch nichts zu tun.
6.1. Schon der Wortlaut und die systematische Stellung des Art XII Z 3 EGUStG zeigen, dass es sich dabei nicht um ein generell verallgemeinerungsfähiges Grundprinzip handelt. Vielmehr ist die Regelung ausdrücklich als „ersatzrechtliche Sondervorschrift“ überschrieben. Auch für eine analoge Anwendung auf andere Fälle besteht keine Grundlage. Voraussetzung für eine Analogie ist das Vorliegen einer Lücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit des positiven Rechts (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 7 Rz 17 ff).
6.2. Dass es neben der in Art XII Z 3 EGUStG ausdrücklich geregelten Konstellation aber noch andere Fälle gibt, in denen die Umsatzsteuer‑Pflicht im Allgemeinen oder die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs im Besonderen eine Rolle spielen kann, war dem Gesetzgeber zweifellos bekannt. Eine generelle Ausklammerung umsatzsteuerrechtlicher Fragen aus dem jeweils ersten Prozess hat der Gesetzgeber aber nicht angeordnet. Damit hätte die klagende Partei die Berechtigung der im Vorprozess als Gegenforderung eingewendeten Umsatzsteuer bereits im Rahmen des Vorprozesses bestreiten müssen.
7.1. Der klagenden Partei ist einzuräumen, dass die Rechtskraftwirkung stets zeitbezogen ist (Klicka aaO Rz 85 ff; vgl RIS‑Justiz RS0041582 [T4]).
7.2. Nachträgliche Änderungen sind von der Rechtskraft nicht erfasst. Beispiele wären etwa, dass der Beklagte den urteilsmäßigen zuerkannten Anspruch in der Folge erfüllt oder der Kläger darauf verzichtet hat. Diesfalls könnte sich der Beklagte gegen die Exekutionsführung wehren. Ebenso kann ein wegen mangelnder Fälligkeit abgewiesenes Begehren nach Eintritt der Fälligkeit neuerlich eingeklagt werden (Klicka aaO § 411 ZPO Rz 97).
7.3. Allerdings ermöglicht nicht jede nachträgliche Sachverhaltsentwicklung eine Neubeurteilung, sondern nur eine solche, die bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der ersten Entscheidung erheblich ist. Daher kann ein wegen mangelnder Fälligkeit abgewiesenes Begehren später unter Behauptung der mittlerweile eingetretenen Fälligkeit neuerlich erhoben werden, nicht aber, wenn im ersten Prozess das Begehren nicht mangels Fälligkeit abgewiesen wurde, sondern mangels Bestehens des Anspruchs, mangels Aktivlegitimation oder aus anderen Gründen, hinsichtlich deren sich die Sachverhaltsgrundlage nicht geändert hat. Andernfalls würde die Behauptung einer Sachverhaltsänderung eine inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit des Urteils des Vorprozesses ermöglichen.
7.4. Zusammenfassend steht der Berechtigung des Klagebegehrens daher die Bindungswirkung des Urteils des Vorprozesses entgegen, sodass die Urteile der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern waren.
8. Aufgrund der Abänderung war die Kostenentscheidung auch für das Verfahren vor den Vorinstanzen neu zu fassen. Diese sowie die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der für das erstinstanzliche Verfahren vom Erstbeklagten verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht nicht zu. Die Tagsatzung am 12. 12. 2017 dauerte 1 Stunde.
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