Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 199,87 EUR (darin 33,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt mit der am 19. 10. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage die Räumung der Ehewohnung. Seine Ehe mit der Beklagten sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Kenitra (Marokko) geschieden worden. Die Beklagte sei für schuldig erkannt worden, die Ehewohnung zu räumen. Die Entscheidung des marokkanischen Gerichts über das eheliche Güterrecht widerspreche nicht dem österreichischen ordre public und stehe einem neuerlichen Aufteilungsverfahren entgegen.
Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs. Bei der zu räumenden Wohnung handle es sich um die gemeinsame Ehewohnung. Die Klage sei als Aufteilungsantrag im Sinne der §§ 229 ff AußStrG zu qualifizieren. Marokkanisches Recht sei wegen dessen Verletzung des ordre public (Verstoßungsrecht des Ehegatten) nicht anzuwenden. Die Beklagte und die Kinder hätten keine andere Wohnmöglichkeit.
Außer Streit gestellt wurde, dass die Parteien marokkanische Staatsbürger sind, dass die am 21. 7. 1990 geschlossene Ehe von einem marokkanischen Gericht mit der "Urkunde der widerruflichen Verstoßung" vom 4. 4. 2001 geschieden wurde und dass es sich bei der zu räumenden Wohnung um die ehemalige gemeinsame Ehewohnung der Parteien (im Inland) handelt.
Das Erstgericht stellte mit Beschluss vom 15. 2. 2002 fest, dass für die Rechtssache der streitige Rechtsweg unzulässig sei und überwies die Rechtssache an eine andere (für Außerstreitsachen zuständige) Gerichtsabteilung.
Unabhängig von dem anzuwendenden Sachrecht habe über die vorliegende Klage das nach den §§ 114a und 76 JN zuständige Bezirksgericht im Verfahren nach den §§ 229 ff AußStrG zu entscheiden. Ob einer meritorischen Erledigung die Entscheidung des marokkanischen Gerichts entgegenstehe, werde im Verfahren außer Streitsachen zu beurteilen sein. Der streitige Rechtsweg sei im Jahr nach Rechtskraft der Scheidung für Ansprüche betreffend die Ehewohnung unzulässig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Gemäß § 20 Abs 1 IPRG sei für die Beurteilung der Ehescheidung marokkanisches Recht anzuwenden. Dies gelte auch für eine nacheheliche Vermögensaufteilung. Nach dem Grundsatz der lex fori sei die Entscheidung aber im Verfahren außer Streitsachen zu treffen, auch wenn die Vermögensauseinandersetzung nach dem Heimatrecht der Parteien im streitigen Rechtsweg auszutragen wäre. Hier ergebe sich aus Art 52a des Gesetzbuches des Personen- und Erbrechtes für Marokko, dass jeder, der seine Frau verstoße, eine Abfindung nach Maßgabe seiner Wohlhabenheit und seiner Situation zu leisten habe. Bereits aus dieser Bestimmung würden sich bereits gewisse Kriterien für die Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens ergeben. Mangels eines Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommens mit Marokko entfalte die Entscheidung des marokkanischen Gerichtes keine Wirkungen. Die Vermögensaufteilung sei im außerstreitigen Verfahren durchzuführen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage einer Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zufolge einer nach marokkanischem Recht erfolgten Verstoßung liege noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor.
Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass der Beschluss der Vorinstanzen "ersatzlos behoben" werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig, hilfsweise aber mangels erheblicher Rechtsfragen als unzulässig zurückzuweisen. Hilfsweise wird beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
I. Zum Einwand, der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig:
Der 5. Senat des Obersten Gerichtshofes geht von der Unanfechtbarkeit einer Konformatsentscheidung (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) aus, wenn von beiden Vorinstanzen die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs bejaht wurde (RS0044538; zuletzt 5 Ob 133/02y). Demgegenüber halttn andere Senate die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen ins außerstreitige Verfahren der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gleich und demgemäß einen Revisionsrekurs (unter der Voraussetzung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage) für zulässig (RS0103854; RS0106813). Für diese Rechtsmeinung führt unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Rechtsprechungslinie des 5. Senates die Entscheidung 1 Ob 2386/96f (in dieser ging es ua um eine die Ehewohnung betreffende Teilungsklage) ins Treffen, dass bei der Überweisung einer Rechtssache vom streitigen ins außerstreitige Verfahren eine definitive Versagung des im streitigen Verfahren auszutragenden Rechtsschutzbegehrens betreffend den Teilungsanspruch nach den §§ 830, 831 ABGB bewirkt werde, weil im außerstreitigen Verfahren nach anderen Grundsätzen (insbesondere nach Billigkeit) zu entscheiden sei. Dieser Ansicht hat sich der 9. Senat angeschlossen (9 Ob 52/01i). Der 5. Senat hat zwar in der Folge seine Linie in den im § 37 MRG angeführten mietrechtlichen Angelegenheiten beibehalten, dabei aber das Argument der definitiven Versagung des Rechtsschutzes aufgegriffen. Der 5. Senat begründet den Rechtsmittelausschluss nunmehr damit, dass für die Sachentscheidung in den mietrechtlichen Angelegenheiten immer dieselben materiellrechtlichen Grundsätze unabhängig von der Verfahrensart anzuwenden seien, sodass in der Überweisung der Rechtssache in die andere Verfahrensart keine (endgültige) Verneinung des Rechtsschutzanspruchs zu erblicken sei, "im Gegensatz zur zB im nachehelichen Aufteilungsverfahren auch materiellrechtlich nach anderen Grundsätzen als im streitigen Verfahren zu treffenden Entscheidung" (5 Ob 6/98p). Der 5. Senat relativiert damit seine Entscheidungslinie und schränkt sie auf die besonderen mietrechtlichen Fälle ein. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nach der jetzt einheitlichen Rechtsprechung (vgl auch 6 Ob 316/98h) die Konformatsentscheidung, mit der eine der Zurückweisung der Klage gleichzuhaltende Überweisung vom streitigen in das außerstreitige Verfahren verfügt wird, unter der Voraussetzung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (9 Ob 52/01i) anfechtbar ist.
II. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liegt nicht vor. Auf das Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur materiellrechtlichen Rechtslage nach marokkanischem Recht kommt es hier nicht an:
1. Entscheidungsgegenstand ist nur die anzuwendende Verfahrensart. Ausländische Normen sind nur bei der Prüfung materiellrechtlicher Fragen anzuwenden. Auf das Verfahren sind stets die österreichischen Prozessvorschriften anzuwenden (RIS-Justiz RS0076618). Diese enthalten keine Bestimmungen, die die Anwendung ausländischen Verfahrensrechtes ermöglichen. Es sind daher von österreichischen Gerichten nur inländische Verfahrensvorschriften anzuwenden (RS0009195).
2. Macht ein Ehegatte binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung gegen den anderen Ehegatten Ansprüche hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend, so hat das Prozessgericht mit Beschluss die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen (§ 235 Abs 1 AußStrG). Diese verfahrensrechtliche Vorschrift legt zwingend die Verfahrensart fest, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch die Ehewohnung betrifft (RS0008565), unabhängig von dem nach der Kollisionsnorm des § 20 IPRG anzuwendenden materiellen Recht. Dabei ist von den Behauptungen des Klägers bzw des Antragstellers auszugehen (RS0005861). Über das Rechtsschutzbegehren ist auch dann im Verfahren außer Streitsachen abzusprechen, wenn die Kollisionsnormen wegen einer Auslandsberührung auf ausländisches Recht verweisen (RS0008498). Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Im Revisionsrekurs werden dagegen nur Argumente aus dem materiellen (marokkanischen) Recht vorgetragen, die nur für die Sachentscheidung, nicht aber für die Verfahrensart von Relevanz sein können. Auf das "Verstoßungsrecht" und das nacheheliche Vermögensrecht in Marokko kommt es bei der verfahrensrechtlichen Frage nach der anzuwendenden Verfahrensart aus folgenden Gründen nicht an:
3. Eine ausländische Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe ist nur wirksam, wenn deren Anerkennung vom Gericht ausgesprochen wird. Eine gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung ist jedoch nicht erforderlich, wenn beide Ehegatten im Zeitpunkt der Erlassung der ausländischen Entscheidung ausschließlich dem Staat angehört haben, dessen Behörde entschieden hat (§ 228a Abs 1 AußStrG idF KindRÄG 2001, BGBl I 2000/135). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass beide Streitteile im Zeitpunkt der in Marokko ausgesprochenen Ehescheidung ("Verstoßung") marokkanische Staatsangehörige waren. Ist demnach eine (konstitutive) gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung der ausländischen Ehescheidung als sogenannte "Heimatstaatentscheidung" nicht erforderlich, ist - jedenfalls bei der hier vorzunehmenden Prüfung der Verfahrensart - auch nicht zu untersuchen, ob sie allenfalls den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht (§ 228a Abs 2 AußStrG idgF; vgl RV 296 BlgNR 21. GP, 106).
4. Der Streit über die Verfahrensart wird hier kontradiktorisch bis zu seiner Erledigung im Zivilprozess geführt. Er ist ein Zwischenstreit, in dem der Obsiegende Anspruch auf Kostenersatz hat (vgl 1 Ob 2117/96x). Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, steht ihr ein Kostenersatz für die Revisionsrekursbeantwortung zu (§§ 41 und 50 ZPO). Die Kostenbemessungsgrundlage im Räumungsstreit ist gemäß § 10 Z 2 lit b RATG von der Größe der Wohnung abhängig (über 60 m2 Nutzfläche 870 EUR, bei kleineren Wohnungen 440 EUR). Die Parteien haben über die Nutzfläche keine Angaben gemacht. Es kommt daher für die Kostenbemessungsgrundlage nur der Zweifelstreitwert nach § 14 RATG (730 EUR) in Frage. Auf dieser Basis waren die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu bestimmen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)