Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen der Kläger und des Beklagten werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die Kläger waren leitende Angestellte der P***** Handelsgesellschaft mbH. Zur Durchführung bzw Finanzierung eines Management-buy-out gründeten sie mit Dipl.-Ing. Thomas P***** eine Gesellschaft mbH, die mit der P***** Gesellschaft mbH verschmolzen und dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der beklagte Rechtsanwalt war von den Klägern mit der rechtlichen Abwicklung, insbesondere der Errichtung der dafür notwendigen Verträge beauftragt. Dipl.-Ing. P***** wurde im Hinblick darauf, daß er, anders als die Kläger, die ihre Beteiligungen kreditfinanzierten, in der Lage und willens war, seinen Anteil von 37 % des gesamten Kaufpreises der Gesellschaftsanteile von 14 Mio S sofort bar aufzubringen, mit Syndikatsvertrag eine Vorzugsdividende eingeräumt. Ua darüber und betreffend die Ausschüttung der künftigen Gewinne wurde bereits im September 1989 eine Rahmenvereinbarung getroffen. Die vom Beklagten in Kontakt mit dem Erstkläger, dem die Entwürfe zugemittelt wurden, mit Dipl.-Ing. P***** bzw dessen Rechtsfreund ausgehandelten endgültigen Verträge (Satzung, Syndikatsvertrag) wichen in einigen Punkten von dieser Rahmenvereinbarung ab.
Mit der Behauptung, der Beklagte habe sie hinsichtlich zweier von der Rahmenvereinbarung abweichender Punkte, die für sie nachteilig seien, nicht entsprechend beraten, weil er die Tragweite der Abweichungen selbst gar nicht erkannt habe, begehren die Kläger die Feststellung der Haftung der Beklagten für die ihnen in Zukunft daraus entstehenden Schäden.
Die Vorinstanzen gaben - ausgehend von einer Verschuldensteilung 1 :
1 - dem (vom Erstgericht konkretisierten) Klagebegehren zur Hälfte statt.
Das von beiden Streitteilen mit Berufung angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung.
Die Revisionswerber vertreten die Meinung, daß entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorlägen. Dies trifft aber nicht zu:
Rechtliche Beurteilung
1. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:
Der Beklagte meint, die Revision sei schon deshalb zulässig, weil die Kläger gar kein Feststellungsinteresse hätten. Das angestrebte bzw ergangene Feststellungsurteil sei nämlich nicht geeignet, "die Beseitigung der Unsicherheit für das Rechtsverhältnis zu garantieren". Ein Feststellungsinteresse sei auch deshalb zu verneinen, weil auch kein Schaden eingetreten sei.
Dem ist zu entgegnen:
Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werde. Unter Rechtsverhältnis ist die bestimmte, durch die Klagebehauptungen konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander (oder von Personen zu Sachen) zu verstehen. Darunter fallen auch die im § 228 ZPO gesondert genannten Rechte (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1089 mwN). Feststellungsfähig sind auch bedingte Rechtsverhältnisse, soferne nur der gesamte rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und lediglich die bereits bestimmt festgelegte Bedingung noch nicht eingetreten ist (SZ 41/153 ua). Auch bei einem unbestrittenen Rechtsverhältnis kann zu seiner näheren Aufklärung die Feststellung der sich daraus ergebenden einzelnen Rechte, Befugnisse und Verbindlichkeiten begehrt werden. Deshalb hat die Rechtsprechung sowohl die Feststellungsklage zur Wahrung von Gewährleistungsansprüchen zugelassen, als auch das Bestehen einer Schadenersatzpflicht als Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO anerkannt (NZ 1989, 95; SZ 60/180 uva). Das Argument des Beklagten, die Kläger hätten als Vorstände und Aktionäre der P***** Handels AG wesentlichen Einfluß auf die Höhe des ausschüttbaren Gewinnes; durch diese mögliche Einflußnahme wäre in einem Folgeprozeß die Zurechenbarkeit eines allfälligen Schadens zum hier verfahrensgegenständlichen des Beklagten neuerlich zu prüfen, ist nicht stichhältig. Es trifft zwar zu, daß die Schadenshöhe von zukünftigen Gewinnen der P***** Handels AG abhängt. Ein Schaden kann allerdings nur dann entstehen, wenn Gewinne erzielt werden, die zumindest die jährliche Vorzugsdividende von 673.030,-- S übersteigen. Den Klägern im Hinblick auf das gegenständliche Feststellungsbegehren ein "schadensmanipulatives" Verhalten zuzusinnen, erscheint nicht recht verständlich; die Annahme, die Kläger könnten sich als Vorstände und Aktionäre der P***** Handels AG im Hinblick auf den Feststellungsanspruch gegenüber dem Beklagten von anderen als unternehmerischen Zielen leiten lassen, ist nicht gerechtfertigt.
Das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle künftigen Nachteile aus dem Schadensereignis, wird von der Rechtsprechung regelmäßig dann bejaht, wenn die Möglichkeit offenbleibt, daß infolge dieses Ereignisses in Zukunft noch ein Schaden eintreten kann. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß bis zum Schluß der Verhandlung bereits ein Schaden eingetreten wäre. Es genügt vielmehr, daß sich ein solcher Vorfall, der einen konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und sich wiederholen kann bzw wenigstens ein Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann (NZ 1989, 95; SZ 60/180; SZ 56/38; ÖBl 1978, 37 uva). Für das Feststellungsinteresse genügt es daher, daß das Schadensereignis für einen künftigen Schaden ursächlich sein könnte. Die Feststellungsklage dient neben dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung auch der Vermeidung weiterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (NZ 1989, 95, SZ 56/38 uva). Rechtsschutz soll im Falle konkreter Aktualisierung einer theoretischen Kollisionslage gewährt werden (6 Ob 549/90).
Demnach haben die Vorinstanzen das Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne der zitierten oberstgerichtlichen Judikatur zutreffend bejaht.
Soweit sich der Beklagte weiters dagegen wendet, daß ihn der Zweitkläger konkludent beauftragt habe, und darzutun versucht, daß die Vorinstanzen § 863 ABGB verfehlt angewendet hätten, übersieht er die erstgerichtliche Feststellung, wonach ihn der Zweitkläger mündlich beauftragt hat, auch ihn bei der Durchführung des Management-buy-out zu vertreten.
Schließlich wird vom Beklagten auch die Ansicht vertreten, die Berufungsentscheidung stehe insoferne in Widerspruch zur oberstgerichtlichen Rechtsprechung, als die Beratungs- und Belehrungspflicht des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Vorbildung des Klienten überhaupt entfallen kann, wenn der Anwalt annehmen darf, daß der Mandant die Rechtslage und deren Konsequenzen vollständig erfaßt hat. Davon, daß diese Voraussetzung im vorliegenden Fall zuträfe, kann aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Rede sein.
Der Beklagte vermag sohin einen Revisionsgrund nach § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen.
2. Zur außerordentlichen Revision der Kläger:
Die Kläger verweisen zunächst auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ecolex 1998, 125 und ecolex 1998, 689, geben diese Entscheidungen aber unrichtig wieder. Sie besagen, daß ein bauausführender Werkunternehmer bei Verletzung der Bauaufsicht, mit der ein Architekt vom Bauherrn beauftragt wurde, kein seine Haftung minderndes Mitverschulden des Bauherrn geltend machen kann. Für den vorliegenden Fall läßt sich aus diesen Entscheidungen nichts gewinnen. Die Meinung der Kläger, zwischen der Haftung eines Anwalts und eines Architekten sei "im rechtlichen Sinne" nicht zu unterscheiden, kann in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Der beklagte Anwalt im vorliegenden Fall ist einem mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten nicht vergleichbar. Der hier zu entscheidende Fall ist auch mit jenen Causen nicht ganz vergleichbar, in denen der Oberste Gerichtshof das Verschulden des Rechtsanwalts deshalb als erheblich gravierender angesehen hat, als die Sorglosigkeit seines Klienten in eigenen Angelegenheiten, weil es ja Aufgabe des Anwalts ist, seinen Mandanten zu belehren (RIS-Justiz RS0038682); oder etwa weil schon der Gesetzgeber verlangt, daß sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, damit ihnen als im Gerichtsbetrieb Unerfahrenen kein Versehen unterläuft (8 Ob 594/89 = AnwBl 1991, 116). Der vorliegende Fall ist nämlich dadurch geprägt, daß der Beklagte nicht nur mit der Errichtung der Verträge beauftragt war, sondern bereits in die eigentlichen Vertragsverhandlungen eingebunden war, wobei die Vertragsziele im Detail noch nicht feststanden. Bei den Verhandlungen über die dem Vertragspartner der Kläger einzuräumende Vorzugsdividende waren aber auch (und sogar besonders) rein wirtschaftliche Überlegungen maßgebend. Daß der Beklagte dabei einer gewissen kontrollierenden Unterstützung der Kläger in der Richtung bedurfte, ob die von ihm ausgehandelten Vertragspunkte den Intentionen der Kläger entsprächen, liegt auf der Hand. Wie der Oberste Gerichtshof zu JBl 1989, 727 ausgesprochen hat, besteht eine Obliegenheit zur Kontrolle der Tätigkeit des Anwaltes, insbesondere während einer Prozeßführung, zwar grundsätzlich nicht, und zwar auch nicht durch den (mehr oder minder) Rechtskundigen; dies gelte aber nicht, wenn der Anwalt zB von sich aus eine Frage zur Diskussion stelle oder deutliche Indizien für ein Fehlverhalten des Anwaltes sprächen, die dem Klienten iVm der nach § 1304 ABGB aufzuwendenden Sorgfalt in die Augen fallen müßten.
Im vorliegenden Fall durfte der Beklagte, der ja sämtliche Entwürfe dem Erstkläger vorgelegt hat, einerseits mit einer gewissen begleitenden Kontrolle rechnen; anderseits ist aber auch die Ansicht des Erstgerichtes zu teilen, daß sowohl dem Erstkläger als auch dem Beklagten "recht ähnliche, teilweise eigentlich unfaßbare Säumnisse und Fehler vorzuwerfen" seien. Der Erstrichter will damit zweifellos zutreffend zum Ausdruck bringen, daß die Fehler bei der Vertragsformulierung ins Auge fallend waren. Zutreffend haben die Vorinstanzen den Klägern (zum Zweitkläger gleich im folgenden) zum Vorwurf gemacht, insofern in eigenen Angelegenheiten sorglos gewesen zu sein. Diese Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten bedeutet ein "Mitverschulden" im Sinne des § 1304 ABGB; diese Gesetzesbestimmung erfordert nach herrschender Meinung keine Rechtswidrigkeit im technischen Sinn (ZVR 1985/9; JBl 1990, 524; Reischauer in Rummel2 Rz 1 zu § 1304 mwN). In welchem Maße aber die Kläger im Hinblick auf die von ihnen zu verantwortende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ihren Schaden selbst zu tragen haben, ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit. Die Verschuldensteilung gemäß § 1304 ABGB stellt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0044262), es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung vor. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Die Revisionswerber wollen einen Revisionsgrund weiters auch daraus ableiten, daß mangelnde Kausalität für das "Verhalten danach" auf Klientenseite nicht nur dann gegeben sei, wenn ein Rechtsanwalt bereits eine verbindliche Vereinbarung zu Lasten seiner Klienten abgeschlossen habe, sondern auch dann, wenn er "einen in diese Richtung gehenden verantwortlichen Rechtsschein gesetzt hat, sodaß seine Klienten von einer verbindlich getroffenen Vereinbarung ausgehen mußten". Feststellungen, die dahin interpretiert werden könnten, der Beklagte habe einen derartigen "verantwortlichen Rechtsschein" gesetzt, wurden hier aber nicht getroffen, sodaß sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.
Nicht recht verständlich, jedenfalls aber verfehlt, ist der zur Schadenskausalität des Verhaltens der Kläger von diesen erhobene Einwand, dem Beklagten seien ja die grundlegenden Zusammenhänge der Vereinbarung gar nicht klar gewesen und er habe die Kläger daher auch nicht entsprechend aufklären können. Ändert doch der Umstand, daß der Beklagte offenbar selbst die wirtschaftlichen Zusammenhänge "nicht zur Gänze durchblickte" (Ersturteil S 18 oben) nichts daran, daß die Kläger wegen der ihnen vorzuwerfenden Sorglosigkeit nicht selbst erkannt haben, daß die ihnen vorgelegten, von der Rahmenvereinbarung abweichenden Vertragsentwürfe für sie einen schädlichen Erfolg zeitigen könnten.
Die Kläger halten weiters ihre völlige Gleichbehandlung, "nämlich des an den Verhandlungen zT aktiv mitwirkenden Erstklägers und des bloß vertretenen Zweitklägers" "in einer revisionswürdigen Weise" für rechtswidrig. Es ist ihnen einzuräumen, daß die Vorinstanzen den Umstand, daß tatsächlich vorwiegend, ja fast ausschließlich der Erstkläger in die Vertragsverhandlungen eingebunden war bzw vom Beklagten darüber informiert wurde, nicht erörtert haben. Es steht aber fest, daß der Zweitkläger, der den Erstkläger schon seit rund 20 Jahren kannte, zu ihm absolutes Vertrauen hatte und daher "damit einverstanden war, daß der Erstkläger auch in seinem Namen sämtliche Verhandlungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Management-buy-outs, insbesondere der Errichtung der hiezu erforderlichen Verträge mit Dipl.-Ing. P***** führte". Wenn aber der Zweitkläger sich nicht der Mühe unterzog, selbst aktiv an den Verhandlungen teilzunehmen, sondern den Erstkläger - für alle Beteiligten erkennbar - in jeder Weise für sich agieren ließ, muß er sich die dem Erstkläger vorzuwerfenden Versäumnisse und Sorglosigkeiten in gleicher Weise wie dieser, sein Vertreter, vorwerfen lassen (vgl Apathy in Schwimann, ABGB2 Rz 12 zu § 1017 mwN:
fahrlässige Unkenntnis des Vertreters ist dem Vertretenen zurechenbar).
Soweit die Kläger auch bemängeln, daß in Ansehung beider Fakten "Thesaurierung" und "Wegfall der Anrechnungsbestimmungen" dieselbe Kürzung vorgenommen (dh in Ansehung der Schadensteilungsquote nicht differenziert) wurde, sind sie neuerlich darauf zu verweisen, daß die Verschuldensteilung im Einzelfall keinen Revisionsgrund darstellt. Warum die von den Vorinstanzen herangezogenen Gründe, wie die Kläger behaupten, "sachverhaltsbedingt überhaupt nur für das erste Faktum zur Debatte stehen" sollen, ist nicht verständlich.
Schließlich führen die Kläger noch ins Treffen, die Beiziehung eines Wirtschaftstreuhänders durch den Erstkläger sei für den vom Beklagten zu vertretenden Schaden völlig irrelevant und könne insbesondere nicht dazu führen, daß die Folgen der gesetzlichen Regelung aufgehoben würden, daß nur den Rechtsanwalt, nicht auch seinen Klienten ein gesteigerter Sorgfaltsmaßstab (§ 1299 ABGB) treffe. Daß die Vorinstanzen bei der Gewichtung der Sorglosigkeit der Kläger auch auf ihre sachverständige Beratung Bedacht genommen haben, ist aus dem Blickwinkel jener Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die zwischen juristisch Gebildeten und Laien dahin differenzieren, daß letztere einer eingehenderen juristischen Belehrung bedürfen, als ein Fachkundiger (4 Ob 557/87; 6 Ob 740/87; 1 Ob 516/89 = RdW 1989, 220 = AnwBl 1990, 49), zu billigen.
Auch die außerordentliche Revision der Kläger ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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