OGH 6Ob549/90

OGH6Ob549/9010.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leo R***, Pensionist, 8786 Rottenmann, Westrandsiedlung 314, vertreten durch Dr. Harald Jesser, DDr. Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Dr. Erich H***, Rechtsanwalt, 8940 Liezen, Hauptstraße 14, vertreten durch Dr. Franz Josef Rainer, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Feststellung (Streitwert S 305.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1989, GZ 6 R 141/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 11. April 1989, GZ 4 Cg 81/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß der Beklagte ihm für jeden Schaden hafte, der ihm aus der fehlerhaften Verfassung des Mietvertrages vom 1. Juni 1987 (abgeschlossen zwischen dem Kläger als Vermieter und Helmut F*** als Mieter) entstehe oder entstehen werde. Er brachte vor, der Beklagte habe im Mai 1987 einen Mietvertrag zwischen dem Kläger und Helmut F*** verfaßt, ohne zuvor Grundbucherhebungen durchgeführt zu haben. Aus diesem Grunde seien in den Mietvertrag auch Parkflächen aufgenommen worden, die nicht im Eigentum des Klägers stünden. Helmut F*** habe in der Folge beim Bezirksgericht Rottenmann eine Klage auf Auflösung des Mietvertrages und auf Leistung von Schadenersatz gegen den Kläger eingebracht. Der Kläger sei in jenem Verfahren in erster Instanz zu einer Schadenersatzleistung von S 222.714,- samt Anhang, verurteilt worden. Diese Umstände habe der Beklagte als Vertragsverfasser zu verantworten. Helmut F*** habe dem Kläger gegenüber die Geltendmachung weiterer Ersatzansprüche angekündigt. Überdies weigere er sich, trotz Benützung des Bestandobjektes den Mietzins zu bezahlen, sodaß dem Kläger auch daraus ein Schaden entstehe. Er habe daher ein rechtliches Interesse an der als baldigen Feststellung, daß ihm der Beklagte für alle aus der mangelhaften Verfassung des Mietvertrages erwachsenden Schäden ersatzpflichtig sei. Der Beklagte wandte ein, es fehle an einem rechtlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Das Verfahren vor dem Bezirksgericht Rottenmann sei noch nicht beendet, es lasse sich nicht absehen, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstehen werde. Im übrigen habe der Beklagte bei der Abfassung des Mietvertrages keine Fehler begangen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab:

Paula R***, die geschiedene Ehefrau des Klägers, ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 11 KG Trieben. Auf dieser Liegenschaft befinden sich die beiden Häuser Tauernstraße 24 und 24 a. Dem Kläger steht auf Grund der Scheidungsvereinbarung am Gebäude Tauernstraße 24 a ein lebenslanges Fruchtgenußrecht zu. Er vermietete in den letzten Jahren dieses Objekt laufend als Geschäftslokal. 1987 erklärte Helmut F*** sein Interesse, das Lokal vom Kläger zu mieten. Der Kläger übergab Helmut F*** einen schriftlichen Mietvertragsentwurf. Helmut F*** war daran interessiert, auch ein Benützungsrecht an einer vor dem Geschäft gelegenen Parkfläche zu erhalten. In weiterer Folge verfaßte der Beklagte einen weiteren schriftlichen Vertragsentwurf, der die Mitvermietung der vor dem Hause gelegenen Parkfläche vorsah, und der am 1. Juni 1987 vom Kläger und Helmut F*** in der Kanzlei des Beklagten unterfertigt wurde. In der Folge untersagte die geschiedene Ehegattin des Klägers Kunden des Helmut F*** das Parken vor dem Geschäftslokal und stellte ein Parkverbotsschild auf. Helmut F*** brachte daraufhin am 27. November 1987 zu C 114/87 beim Bezirksgericht Rottenmann eine Klage gegen Leo R*** ein. In jenem Verfahren begehrte er zuletzt Zug um Zug gegen Rückstellung des Mietobjektes den Ersatz seiner Investitionen in Höhe von fast S 300.000,- und brachte vor, für ihn sei die Einräumung eines Benützungsrechtes an der Parkfläche von entscheidender Bedeutung für den Abschluß des Mietvertrages gewesen. Das Bezirksgericht Rottenmann sprach Helmut F*** einen Großteil der geltend gemachten Forderung samt Anhang zu und wies einen Teilbetrag ab. Beide Streitteile erhoben Berufung. Über diese Rechtsmittel ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage sei ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung erforderlich. Ein aktueller Anlaß zu einer vorbeugenden Klärung sei nicht gegeben, weil die Rechtsposition des Klägers nicht gefährdet sei. So lange das im vollen Umfang auch vom Kläger bekämpfte Urteil des Bezirksgerichtes Rottenmann nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei dem Kläger noch kein Schaden entstanden. Obsiege er in jenem Prozeß, wäre der gesamte finanzielle Aufwand des Verfahrens über die Feststellungsklage vergeblich gewesen. Seine von Helmut F*** abgelehnte Mietzinsforderung könne der Kläger gegen diesen mit Leistungsklage geltend machen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-

übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte weiters aus, dem Kläger drohe auch für den Fall des Unterliegens im Verfahren C 114/87 des Bezirksgerichtes Rottenmann kein Verlust seiner allfälligen Regreßansprüche gegen den Kläger, da die Verjährungsfrist frühestens mit dem Tage der Zustellung jenes Urteiles letzter Instanz zu laufen beginne und er dann seine Schadenersatzansprüche durch Leistungsklage geltend machen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werde. Unter Rechtsverhältnis ist die bestimmte, durch die Klagsbehauptungen konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander (oder von Personen zu Sachen) zu verstehen. Darunter fallen auch die im § 228 ZPO gesondert genannten Rechte (Fasching, ZPR2, Rz 1089 mwN). Feststellungsfähig sind auch bedingte Rechtsverhältnisse, soferne nur der gesamte rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und lediglich die bereits bestimmt festgelegte Bedingung noch nicht eingetreten ist (SZ 41/153 ua). Auch bei einem unbestrittenen Rechtsverhältnis kann zu seiner näheren Aufklärung die Feststellung der sich daraus ergebenden einzelnen Rechte Befugnisse und Verbindlichkeiten begehrt werden. Deshalb hat die Rechtsprechung sowohl die Feststellungsklage zur Wahrung von Gewährleistungsansprüchen zugelassen (EvBl 1982/32), als auch das Bestehen einer Schadenersatzpflicht als Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO anerkannt (NZ 1989, 95; SZ 60/180 uva). Den rechtlichen Ausführungen der Vorinstanzen und des Beklagten, es stehe zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch gar nicht fest, daß dem Kläger überhaupt ein Schade erwachse, dieser entstehe erst mit einer rechtskräftigen Verurteilung des Klägers im Prozeß gegen seinen Mieter, ist folgendes entgegenzuhalten: Das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle künftigen Nachteile aus dem Schadenereignis, wird von der Rechtsprechung regelmäßig dann bejaht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß infolge dieses Ereignisses in Zukunft noch ein Schaden eintreten kann. Nicht ist es dagegen erforderlich, daß bis zum Schluß der Verhandlung bereits ein Schaden eingetreten ist. Es genügt vielmehr, daß sich ein solcher Vorfall, der einen konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und sich wiederholen kann wenigstens ein Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann (NZ 1989, 95; SZ 60/180; SZ 56/38; ÖBl 1978, 37 uva). Für das Feststellungsinteresse genügt es daher, daß das Schadensereignis für einen künftigen Schaden ursächlich sein könnte. Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung sondern auch der Vermeidung weiterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (NZ 1989, 95; SZ 56/38 uva). Rechtsschutz soll im Falle konkreter Aktualisierung einer theoretischen Kollisionslage gewährt werden (6 Ob 651/83). Da der Kläger im Verfahren C 114/87 vor dem Bezirksgericht Rottenmann in erster Instanz bereits zu beträchtlichem Geldersatz und zur Bezahlung von Prozeßkosten an Helmut F*** verurteilt worden ist, kann keineswegs mehr davon gesprochen werden, daß die Kollisionslage zwischen den Streitteilen - hier schon angedrohte Regreßansprüche wegen behaupteter Fehler des Beklagten bei der Verfassung des Mietvertrages - nicht in ein sehr aktuelles, konkretes Stadium getreten wäre. Der Kläger behauptete auch, daß ihm seitens seines Mietvertragspartners Helmut F*** für die Zukunft weitere Ersatzansprüche angekündigt worden seien und dieser auch laufend Mietzinsforderungen des Klägers mit eigenen Ansprüchen kompensiere. Ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung, ob und allenfalls in welchem Umfange der Beklagte für künftige Regreßansprüche aus einem bereits eingetretenen Ereignis hafte, kann ihm daher nicht abgesprochen werden. Eine

solche - vorbeugende - Feststellungsklage kann durchaus geeignet sein, künftige Rechtsstreitigkeiten sowohl zwischen den Streitteilen im vorliegenden Verfahren als auch zwischen dem Kläger und Helmut F*** zu vermeiden oder abzukürzen.

Da die Vorinstanzen wegen ihrer abweichenden Rechtsansicht schon das rechtliche Interesse des Klägers verneint haben, liegen bisher noch keine Entscheidungsgrundlagen dafür vor, ob der Beklagte ein haftungsbegründendes Verhalten gesetzt hat. Das Verfahren wird daher nunmehr insoweit zu ergänzen sein. Erst dann kann beurteilt werden, ob und in welchem Umfange das Klagebegehren berechtigt ist. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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