Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 14. 9. 1991 geschlossene Ehe der Beklagten mit Ing. Herbert W***** wurde über gemeinsamen Antrag der Eheleute am 23. 5. 2001 mit einem in der Tagsatzung verkündeten Beschluss gemäß § 55a EheG geschieden. Die Parteien verzichteten damals auf Rechtsmittel, aber nicht auf Zustellung einer Beschlussausfertigung. Der Mann verstarb am 22. 6. 2001 noch vor Zustellung des Scheidungsbeschlusses. Die Eheleute hatten sich mit dem Erbvertrag vom 5. 6. 1998 für den Fall ihres Ablebens wechselseitig zu ¾ des Nachlasses als Erben eingesetzt. Über das restliche Viertel des Nachlasses verfügte der Ehemann mit dem Testament vom 9. 7. 1998 zu Gunsten seiner Frau. Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Ehemanns der Beklagten. Dieser setzte sie mit seinem Testament vom 7. 6. 2001 zur Alleinerbin ein.
Die Beklagte gab im Verlassenschaftsverfahren auf Grund des Erbvertrages eine bedingte Erbserklärung hinsichtlich ¾ des Nachlasses ab. Die Klägerin stützte ihre zum gesamten Nachlass abgegebene bedingte Erbserklärung auf das Testament vom 7. 6. 2001. Im Abhandlungsverfahren wurde ihr die Klägerrolle zugeteilt. Mit ihrer am 3. 12. 2001 beim Erstgericht eingelangten Erbrechtsklage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Erbrechtstitel der Beklagten gegenüber demjenigen der Klägerin unwirksam sei. Das Testament vom 7. 6. 2001 sei im Vertrauen auf die Rechtskraft der Scheidung und dem Außerkrafttreten des Erbvertrages errichtet worden. Die Ehepartner hätten mit ihrem Rechtsmittelverzicht auch auf die Möglichkeit zur Zurücknahme des Scheidungsantrages verzichtet. Es stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 7 B-VG dar, wenn unterschiedliche Rechtsfolgen davon abhängig gemacht werden, ob das zuständige Gericht seiner Verpflichtung zur umgehenden Zustellung einer Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung nachkomme. Der Erbe eines verstorbenen Ehegatten müsse sich mit jener Rechtsposition zufrieden geben, die sein Gesamtrechtsvorgänger gehabt habe. Dieser habe hier wirksam auf Rechtsmittel gegen den Scheidungsbeschluss verzichtet.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Mangels Zustellung des Scheidungsbeschlusses sei die Scheidung der Ehe nicht rechtswirksam geworden, der Erbvertrag daher noch gültig aufrecht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den im Wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass nach dem klaren Wortlaut des § 224 Abs 2 letzter Satz AußStrG die materielle Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses an die Zustellung der Ausfertigung und nicht etwa an die Verkündung des Beschlusses und an den nachfolgenden Rechtsmittelverzicht geknüpft sei. Wenn ein Scheidungsbeschluss infolge Ablebens eines der Ehepartner nicht zugestellt werden könne, sei der Scheidungsbeschluss trotz Rechtsmittelverzicht nicht rechtswirksam und könne nicht rechtskräftig werden. Die eheauflösenden Rechtswirkungen des Scheidungsbeschlusses seien nicht eingetreten. Der Erbvertrag vom 5. 6. 1998 sei weiterhin gültig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass die materielle Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses nicht eingetreten sei. Die Neufassung des § 224 AußStrG durch das EheRÄG 1999 habe Klarheit dahin geschaffen, dass es für die materiellen Rechtsfolgen eines Scheidungsbeschlusses nicht auf die formelle Rechtskraft, sondern auf die materielle Rechtskraft ankomme, die erst mit der Zustellung der Beschlussausfertigung an beide Parteien eintrete. Dies gehe aus dem Einfügen des Klammerzitates "(§ 416 Abs 1 ZPO)" im § 224 Abs 2 zweiter Satz AußStrG klar hervor. Die Rechtsprechung habe schon vor dem EheRÄG 1999 die Auffassung vertreten, dass die Ehe noch nicht mit der Verkündung des Scheidungsbeschlusses oder des Scheidungsurteils und dem anschließenden Rechtsmittelverzicht der Parteien aufgelöst werde, sondern erst durch die Zustellung der Gerichtsentscheidung. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass der Rechtsmittelverzicht bewirke, dass der Scheidungsantrag nicht mehr zurückgenommen werden könne. Entgegen einem vorgelegten privaten Rechtsgutachten bedeute dieses unterschiedliche Ergebnis auch keine Gleichheitswidrigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen Art 7 B-VG. Das zeitliche Auseinanderfallen von formeller und materieller Rechtskraft für den Fall der Abgabe eines Rechtsmittelverzichts sei keine Besonderheit des § 224 AußStrG. Auch im Zivilprozess werde eine Gerichtsentscheidung nach Verkündung und Rechtsmittelverzicht erst mit der Zustellung der Parteien wirksam (materiell rechtskräftig im Sinne des § 416 Abs 1 ZPO). Ausgenommen seien lediglich die im § 416 Abs 3 ZPO angeführten Fälle. Die materielle Rechtskraft hänge auch im außerstreitigen Verfahren von der Zustellung der Entscheidung an die Parteien ab. Eine unsachliche Differenzierung im Sinne des Art 7 B-VG könne darin nicht erblickt werden. Der Anregung auf Anfechtung des § 224 Abs 2 letzter Satz AußStrG beim Verfassungsgerichtshof sei daher nicht nachzukommen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung. Die Klägerin regt ferner an, § 224 Abs 2 letzter Satz AußStrG iVm § 416 Abs 1 ZPO beim Verfassungsgerichtshof wegen Verstoßes gegen Art 7 Abs 1 B-VG anzufechten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
I. Entscheidungswesentlich ist die Auslegung des § 224 AußStrG idF des EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125:
"(1) Jeder Ehegatte kann den Antrag auf Scheidung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses (§ 411 Abs 1 ZPO) zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme des Antrags hat die Folge, dass ein schon ergangener Scheidungsbeschluss wirkungslos wird, ohne dass dieser einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses (§ 416 Abs 1 ZPO) stirbt".
Die Einfügung der Klammerzitate "(§ 411 Abs 1 ZPO)" und "(§ 416 Abs 1 ZPO)" sollte nach dem Willen des Gesetzgebers Zweifel darüber beseitigen, ob im Fall eines Rechtsmittelverzichts beider Ehegatten nach mündlicher Verkündung des Scheidungsbeschlusses die eheauflösende Rechtswirkung schon mit dem Verzicht (formelle Rechtskraft) oder aber erst mit der Zustellung der Beschlussausfertigung an beide Parteien (materielle Rechtskraft) eintritt. Nach den Gesetzesmaterialien ist die Frage im Sinne der dazu herrschenden Meinung (zur Rechtslage vor der Novellierung) durch die Klammerausdrücke dahin klargestellt, dass erst mit der Zustellung des Scheidungsbeschlusses an beide Ehegatten das Eheband aufgelöst wird (RV zum EheRÄG 1999, RV 1653 BlgNR 20. GP 31; ebenso Hopf/Stabentheiner, Das EheRÄG 1999, ÖJZ 1999, 821, 861 [875]). II. Die in den EB zur RV angesprochene herrschende Meinung ist zwar zu relativieren, weil im Schrifttum durchaus unterschiedliche Standpunkte vertreten wurden. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem EheRÄG war jedoch einheitlich. Danach wurde von folgenden Grundsätzen ausgegangen: Die Ehe wird durch die Verkündung des Scheidungsurteils oder des Scheidungsbeschlusses und den Rechtsmittelverzicht der Parteien noch nicht aufgelöst (RIS-Justiz RS0041668). Auch im außerstreitigen Verfahren wird ein Beschluss den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung rechtswirksam, wenn nicht auf Zustellung verzichtet wurde (RS0006014). Wenn im Ehescheidungsverfahren eine Partei nach der Verkündung des Scheidungsurteils (oder des Scheidungsbeschlusses) und nach dem im Anschluss daran von den Parteien erklärten Rechtsmittelverzicht, aber vor der Zustellung der Urteilsausfertigungen stirbt, ist das Scheidungsurteil wirkungslos geworden (RS0041706). Dies gilt auch für den Scheidungsbeschluss (1 Ob 411/97s). Dem Rechtsmittelverzicht kommt nur die Bedeutung des Ausschlusses der Anfechtbarkeit zu (3 Ob 23/74). Im Rechtsmittelverzicht liegt nicht gleichzeitig auch ein schlüssiger Verzicht auf die Zustellung des Scheidungsbeschlusses (1 Ob 411/97s). Die Vorinstanzen sind von dieser zur alten Rechtslage ergangenen oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen. Daran ist nach der erfolgten Klarstellung durch das EheRÄG umso mehr festzuhalten. III. Trotz dieser eindeutigen Klarstellung durch den Gesetzgeber strebt die Revisionswerberin ein gegenteiliges Ergebnis an und stützt sich dabei auf ein privates Rechtsgutachten, dessen Ergebnisse in der Zwischenzeit in erweiterter Form veröffentlicht wurden (Böhm/Fuchs,
Zum Eintritt der Rechtskraft und der zivilrechtlichen Wirkungen des Ehescheidungsbeschlusses, ÖJZ 2002, 628). Die Autoren beschreiben zunächst den Ausgangssachverhalt, dann folgen Ausführungen zum Erbvertrag, zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses und zu den Besonderheiten des Scheidungsverfahrens. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Ansichten des Schrifttums zum hier gestellten Rechtsproblem referiert. Die Autoren äußern Zweifel daran, im Rechtsmittelverzicht auch einen Verzicht auf Zustellung der Entscheidungsausfertigung zu erblicken, gelangen aber schon auf der Grundlage des geltenden Gesetzestextes zu einer Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses ab dessen Verkündung und dem nachfolgenden beiderseitigen Rechtsmittelverzicht. Ihre Thesen sind dabei zusammengefasst folgende:
a) Die Parteien hätten sich mit dem Rechtsmittelverzicht jeder Sachdisposition über die Aufrechterhaltung der Ehe begeben. Wenn sich eine Partei nach dem Tod des Partners allein auf die mangelnde Zustellung des Scheidungsbeschlusses berufe, verstoße dies gegen das Prinzip von Treu und Glauben;
b) der Zustellung der Entscheidung komme keine Schutzfunktion zu. Dazu sei auf den Gesetzeszweck des § 416 Abs 3 ZPO zu verweisen (sofortige Wirksamkeit eines verkündeten Anerkenntnis- oder Verzichtsurteils);
c) § 224 Abs 2 AußStrG (und § 460 Z 8 Satz 1 ZPO) seien teleologisch auf die Konstellationen zu reduzieren, in denen gar nicht oder nur einseitig auf Rechtsmittel verzichtet wurde. Bei beiderseitigem Rechtsmittelverzicht sei die Entscheidung zugleich formell und materiell rechtskräftig und wirksam.
IV. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Die Parteien können zwar im Rahmen ihrer Dispositionsfreiheit über ihre Rechtsschutzansprüche verfügen. Wann die Verfügungen wirksam werden, regelt aber der Gesetzgeber (vgl etwa die gesetzlichen Leistungsfristen). Mit dem Hinweis auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben wird nicht viel mehr als der Gedanke des Rechtsmissbrauchs - worauf sich hier die Revisionswerberin auch beruft - angesprochen, der hier aber nicht zum Tragen kommt, wenn sich die Beklagte auf den Gesetzeswortlaut, die logisch systematische Interpretation, die historische Entstehungsgeschichte (vgl dazu die Darlegungen von Böhm/Fuchs aaO über den früher vorherrschenden Typus der "Hausfrauenehe") und die Gesetzesmaterialien (Erläuterungen zur RV) zu stützen vermag. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt für eine Schädigungsabsicht der Beklagten im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB. Dass der Zustellung des Scheidungsbeschlusses keine Schutzfunktion mehr zukomme, bleibt eine bloße These, solange nicht der Gesetzeszweck der Aufschiebung des Eintritts der materiellen Wirksamkeit erörtert wird. Der Hinweis auf § 416 Abs 3 ZPO und eine allenfalls denkbare Analogie zu dieser Gesetzesstelle versagt jedenfalls dann, wenn im sogenannten "favor matrimonii" (Grundsatz, dass eine Ehe nach Möglichkeit doch noch aufrechterhalten werden soll [Rechberger/Simotta, ZPR5 Rz 788]) ein verfassungskonformes Anliegen des Gesetzgebers erblickt werden kann. Dazu ist auf die folgenden Ausführungen zur Anregung der Revisionswerberin auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens wegen Verletzung des Sachlichkeitsgebots (Art 7 Abs 1 B-VG) zu verweisen.
V. Die Revisionswerberin meint (im Anschluss an das private Rechtsgutachten), es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum § 224 Abs 2 letzter Satz AußStrG einerseits beim Tod eines der Ehepartner auf den von Zufälligkeiten abhängigen Zeitpunkt der Zustellung des Ehescheidungsbeschlusses anknüpfe, andererseits aber der Antrag auf Scheidung bis zur Rechtskraft des Ehescheidungsbeschlusses im Sinne der formellen Rechtskraft des § 411 Abs 1 ZPO zurückgenommen werden könne. Die Differenzierung sei unsachlich. Böhm/Fuchs verstehen die gesetzliche Regelung als "willkürlich" und insofern als einen "eklatanten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz", wenn höchst unterschiedliche Rechtsfolgen von der sanktionslosen Verpflichtung der Gerichte zur Ausfertigung und Zustellung der Entscheidung abhängig gemacht werden, worauf die Parteien keinen Einfluss hätten. Dem ist zunächst zu erwidern, dass die Säumigkeit des Gerichtes keineswegs sanktionslos bleiben muss. Verschuldetes Organverhalten führt zu Amtshaftungsansprüchen. Die unterschiedliche Regelung, dass für die Zurücknahme des Scheidungsantrags der frühere Zeitpunkt der formellen Rechtskraft maßgeblich ist, für die Auflösung des Ehebandes aber die Zustellung des Scheidungsbeschlusses (oder des Scheidungsurteils: § 460 Z 8 Satz 1 ZPO), kann sachlich durchaus mit der verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzgeberischen Absicht begründet werden, Ehen möglichst lange aufrecht zu erhalten, wofür sozialpolitische Erwägungen des historischen Gesetzgebers sprechen, auf die auch Böhm/Fuchs verweisen (aaO 635). Der "favor matrimonii" und die zu Grunde liegenden sozialen Erwägungen haben ihre Bedeutung auch nach dem Zurückdrängen der sogenannten "Hausfrauenehe" noch nicht verloren. Es bestehen keine Bedenken dagegen, die Auflösung des Ehebandes auch nach einem Rechtsmittelverzicht von der Zustellung des Scheidungsbeschlusses abhängig zu machen, wenn dadurch der Bestand der Ehe - wenn auch nur mehr für kurze Zeit - verlängert wird. Zentrale Bedeutung erlangt der Zeitpunkt der Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses vor allem für den besonders geregelten Fall des Versterbens eines Ehepartners kurz nach Verkündung des formell rechtskräftig gewordenen Scheidungsbeschlusses. Es muss dem Gesetzgeber überlassen bleiben, wie er den Eintritt der Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen regelt. Für den Statusprozess hat er die materielle Rechtswirksamkeit an die Zustellung der Entscheidung an die Parteien geknüpft, wie dies im Zivilprozess aber generell mit Ausnahme der besonderen Fälle des § 416 Abs 3 ZPO gilt. Wenn der Gesetzgeber das Eheband nicht vor Eintritt der materiellen Rechtswirksamkeit des Scheidungsbeschlusses aufgelöst wissen will, dient dies einem erkennbaren und legitimen rechtspolitischen Anliegen. Dazu braucht nur - losgelöst vom vorliegenden Anlassfall - auf die vermögensrechtliche Situation eines überlebenden Ehegatten verwiesen werden, der nur widerwillig dem Scheidungsbegehren des anderen zustimmte, dann aber wegen sofortiger Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses infolge Rechtsmittelverzichts unter Umständen existenziell notwendige Ansprüche (Witwenpension; Unterhaltsansprüche nach § 796 ABGB ua) verlöre. Die von der Revisionswerberin bekämpfte gesetzliche Regelung ist Ausdruck des "favor matrimonii", gegen den keine Bedenken in Richtung einer Unsachlichkeit bestehen. Die Revisionswerberin argumentiert dagegen mit einer Ungleichbehandlung, die darin liege, dass ab dem Rechtsmittelverzicht eine Zurückziehung des Scheidungsantrags nicht mehr zulässig ist, wie dies nach dem schon bisher klaren Gesetzeswortlaut auch in ständiger Rechtsprechung vertreten wurde (RS0008472). Böhm/Fuchs betrachten die unterschiedlichen Zeitpunkte für den Eintritt der Rechtsfolgen als unerklärbaren Wertungswiderspruch. Dem könnte hier entgegengehalten werden, dass es zwar der erwähnte Gesetzeszweck (der favor matrimonii) nahelegte, den Parteien die Möglichkeit zur Zurückziehung des Scheidungsantrages auch nach erfolgtem Rechtsmittelverzicht bis zur Zustellung des Scheidungsbeschlusses einzuräumen. Dann müsste aber folgerichtig § 224 Abs 1 AußStrG beim Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig angefochten werden. Diese Gesetzesstelle ist aber hier nicht anzuwenden. Darüber hinaus beruht das Abstellen auf die formelle Rechtskraft offenkundig auf der Erwägung, dass auch im Statusprozess die prozessuale Dispositionsfreiheit mit der Abgabe eines Rechtsmittelverzichts zur Gänze beendet werden soll (nur vergleichsweise sei dazu auf die Zurücknahme der Klage im Zivilprozess verwiesen, die nur bis zum Schluss der Verhandlung zweiter Instanz bzw bis zur Entscheidung des Berufungsgerichtes zulässig ist). Wann die materielle Rechtskraft der Gerichtsentscheidung eintreten soll, ist eine davon zu trennende weitere Frage, die mit der ersten keineswegs in einem derartigen untrennbarem Sachzusammenhang steht, der eine gleiche Wertung und Lösung erforderte.
Zusammenfassend ist auszuführen, dass die angefochtene Entscheidung im Einklang mit dem klaren Gesetzeswortlaut und der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur steht, sodass keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten sind. Die in der Revision vorgetragenen Argumente lösen jedenfalls nicht ausreichende verfassungsrechtliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs aus, die zu einer Antragstellung beim VfGH führen müssten. Auch wenn im Schrifttum solche Bedenken geäußert wurden, vermag dies allein weder eine Verpflichtung zur Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof auszulösen (dazu Gerlach/Somek, Zur Prüfungsbefugnis der Zivilgerichte gemäß Art 89 Abs 2 B-VG, ÖJZ 2002, 441 [444]), noch die Zulässigkeit der Revision zu begründen. Der Begründungsaufwand des Senates spricht nicht gegen diese Ansicht, weil er überwiegend auf die zu widerlegenden Argumente der Revisionswerberin zurückzuführen ist und nicht darauf, dass eine unklare (bedenkliche) Rechtslage vorläge.
Die außerordentliche Revsion ist daher gemäß § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
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