Spruch:
Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 13.3.1994 verstorbene deutsche Staatsangehörige Lonny H***** hinterließ drei Söhne, Erwin, Klaus und Jürgen H*****. Sie war zum Todeszeitpunkt grundbücherliche Eigentümerin von 5/8-Anteilen der Liegenschaft EZ 202 und 2/120-Anteilen der Liegenschaft EZ 203 je des Grundbuches Schiefling am See. Das Amtsgericht München bestätigte mit Erbschein vom 2.Mai 1994, daß die Erblasserin von ihren drei Söhnen zu je 1/3 beerbt wurde.
Erwin und Klaus H***** beantragten die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens über das in Österreich gelegene Liegenschaftsvermögen, gaben zu je einem Drittel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen aufgrund des Testamentes vom 23.9.1954 im Zusammenhang mit der letztwilligen Verfügung vom 1.8.1967 ab und beantragten die Errichtung eines Inventars.
Jürgen H***** vertritt die Ansicht, ein Verlassenschaftsverfahren sei mangels Liegenschaftsvermögens in Österreich nicht durchzuführen. Die Erblasserin habe ihm mit Übergabsvertrag vom 7.9.1993 ihre Miteigentumsanteile übergeben. Er habe zwischenzeitig, nach dem Tod der Erblasserin, bücherlich Eigentum erworben. Die Erblasserin sei daher zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr im Besitz inländischen Liegenschaftsvermögens gewesen, was Voraussetzung für eine Inventarisierung sei.
Erwin und Klaus H***** beriefen sich auf die im Anwaltsblatt 1993, 432 veröffentlichte Entscheidung, wonach der bloße Naturalbesitz einer Liegenschaft nicht ausreiche, um die für das Nachlaßinventar maßgeblichen Besitzverhältnisse zu ändern. Sie bestritten auch eine Übergabe der Liegenschaft an Jürgen H*****. Zum einen enthalte der Übergabsvertrag keinen Übergabszeitpunkt, zum anderen sei der Erblasserin als Gegenleistung die Dienstbarkeit des Fruchtgenußrechts auf Lebenszeit eingeräumt worden, so daß sie bis zu ihrem Tod Rechtsbesitzer gewesen sei. Dies bedeute, daß sie ihren Besitz bis zum Todeszeitpunkt nicht aufgegeben habe.
Mit Beschluß vom 8.5.1996 ON 17 trug das Erstgericht dem Gerichtskommissär auf, Inventar und Schätzung der obgenannten Liegenschaftsanteile durchzuführen.
Am 14.5.1996 stellten Erwin und Klaus H***** den Antrag, ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zur ungeteilten Hand zu überlassen.
Jürgen H***** sprach sich dagegen aus. Eine Besorgung und Verwaltung des Nachlasses stehe nur allen Miterben gemeinsam zu und dürfe nicht gegen den Widerspruch eines Erben überlassen werden. Er sei aufgrund des Übergabsvertrages vom 7.9.1993 Eigentümer und Besitzer der Liegenschaftsanteile. Eine Überlassung der Besorgung und Verwaltung dieser Anteile an die übrigen Erben verletze seine Rechte auch insoweit, als sie sich nicht auf das Erbrecht stützen.
Mit Beschluß vom 4.6.1996 ON 22 wies das Erstgericht den Antrag auf Besorgung und Verwaltung des Nachlasses ab.
Das Rekursgericht gab dem gegen den Beschluß vom 8.5.1996 ON 17 gerichteten Rekurs des Jürgen H***** Folge und wies den Antrag auf Inventarisierung der Liegenschaft mit der wesentlichen Begründung ab, die nach Ausstellung einer verbücherungsfähigen Urkunde in natura übergebene Liegenschaft gehöre nicht in den Nachlaß der grundbücherlichen Eigentümerin. Der Rechtsbesitz der Erblasserin als Fruchtgenußberechtigte stehe dem nicht entgegen. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Aufnahme vom im Todeszeitpunkt bereits übergebenen, grundbücherlich aber noch im Eigentum des Erblassers stehenden Liegenschaften in das Inventar uneinheitlich sei (ON 26).
Hingegen gab das Rekursgericht dem gegen den Beschluß vom 4.6.1996 ON 22 erhobenen Rekurs der erblasserischen Söhne Erwin und Klaus H***** nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Jürgen H***** sei ungeachtet des Umstandes, daß er eine Erbserklärung noch nicht abgegeben habe, antrags- und rekurslegitimiert. Aus dem Erbschein des Amtsgerichtes München ergebe sich, daß er ein aktives Interesse am Erbantritt bekundet habe. Überdies sei fraglich, ob angesichts des Erwerbs der Liegenschaftsanteile der Verstorbenen durch Jürgen H***** eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich stattfinden werde, in welchen Fällen die Rechtsprechung eine Rechtsmittellegitimation bisher bejaht habe. Überdies stehe Besitz und mittlerweile erworbenes Eigentum des Miterben Jürgen H***** einer Inventarisierung entgegen (ON 27).
Beide Entscheidungen des Rekursgerichtes wurden von Erwin und Klaus H***** bekämpft. Klaus H***** zog jedoch seinen zunächst auch gegen den Beschluß vom 12.7.1996 ON 26 erhobenen Revisionsrekurs zurück.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Söhne Erwin und Klaus H***** gegen den Beschluß ON 27:
Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG liegen nicht vor.
Der außerordentliche Revisionsrekurs richtet sich gegen die Abweisung des Antrages auf Übertragung der Besorgung und Verwaltung des in Österreich befindlichen unbeweglichen Nachlasses an die Rechtsmittelwerber. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht Miterben ein Recht auf Besorgung und Verwaltung des Nachlasses grundsätzlich nur zur ungeteilten Hand zu (SZ 49/148). Sie bilden eine Verwaltungsgemeinschaft, auf welche die §§ 833 f ABGB sinngemäß anwendbar sind. Die Übertragung der Verwaltung an einen oder mehrere Erben ist möglich, wenn die Gesamtheit damit einverstanden ist; sie muß daher unterbleiben, wenn nur ein Erbe widerspricht (Welser in Rummel, ABGB I2 Rz 20 ff zu § 810).
Berufenen Erben kommt im allgemeinen Parteistellung im Abhandlungsverfahren erst mit Abgabe der Erbserklärung zu (SZ 42/50; EvBl 1974/300 ua). Der Oberste Gerichtshof hat die Parteistellung eines berufenen Erben jedoch auch dann bejaht, wenn es zweifelhaft war, ob eine Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten ist (EvBl 1974/300; SZ 56/195) oder der Erbanwärter ein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hatte (EFSlg 55.420, 61.284).
Die Entscheidung des Rekursgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Die Abgabe der Erbserklärung ist im hier anhängigen Verlassenschaftsverfahren nur deshalb unterblieben, weil Jürgen H***** die Ansicht vertritt, mangels Vermögens der Erblasserin in Österreich finde eine Abhandlung nicht statt. Sein aktives Interesse am Erbantritt ergibt sich jedoch schon aus der Teilnahme an dem vor dem Amtsgericht München geführten Verlassenschaftsverfahren.
Überdies hat Jürgen H***** aufgrund des mittlerweile grundbücherlich durchgeführten Übergabsvertrages Eigentum erworben. Die Übertragung der Besorgung und Verwaltung dieses Vermögens an die Revisionsrekurswerber müßte daher zwangsläufig in sein rechtsgeschäftlich erworbenes Eigentumsrecht eingreifen. Schon aus diesem Grund hat das Rekursgericht die Beteiligtenstellung Jürgen H***** im Abhandlungsverfahren zutreffend bejaht (EFSlg 67.300) und den Antrag seiner Brüder auf Besorgung und Verwaltung des Nachlasses abgewiesen (vgl GlU 10.509).
2. Zum Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Klaus H***** gegen den Beschluß ON 26:
Für die Frage der Inventarerrichtung ist entscheidungswesentlich, ob die Liegenschaftsanteile zum Nachlaßvermögen gehören. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis jenes Vermögens enthalten, in dessen Besitz sich die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes befunden hat. Ob sich eine Sache im Besitz des Erblassers befunden hat, hat das Abhandlungsgericht ohne Verweisung auf den Rechtsweg zu entscheiden (NZ 1969, 42, 137), auch wenn sie ein Dritter in Händen hat. Die Entscheidung des Abhandlungsgerichts über die Aufnahme in das Inventar hat nur für das Verlassenschaftsverfahren Wirkung, nicht jedoch darüber hinaus (NZ 1969, 42, 137).
Nach herrschender Rechtsprechung ist für die Frage, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen ist, der Besitz des Erblassers am Todestag maßgebend, nicht jedoch das Eigentum (NZ 1967, 110; NZ 1975/190; EvBl 1967/187). Eine Liegenschaft, die der Erblasser nach Verfassung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde dem Erwerber tatsächlich übergeben hat, gehört nicht zum Nachlaß (NZ 1975, 190; RZ 1991/57), sie ist somit auch nicht zu inventarisieren.
Der Revisionsrekurswerber beruft sich auf die im Anwaltsblatt 1993, 432 veröffentlichte Entscheidung, wonach der bloße Naturalbesitz nicht ausreiche, um die für das Nachlaßinventar maßgeblichen Besitzverhältnisse zu ändern. Dieser vereinzelt gebliebenen Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis 3 Ob 542/94 = NZ 1995, 112 unter Hinweis auf die zitierte ständige Rechtsprechung entgegengetreten und hat ausgeführt, die nach Ausstellung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde in natura übergebene Liegenschaft gehöre nicht in die Verlassenschaft des im Zeitpunkt seines Ablebens noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Übergebers. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu den vom Revisionsrekurswerber zitierten Entscheidungen. In JBl 1976, 144 war die Frage zu beurteilen, ob eine Liegenschaft im Zeitpunkt der Konkurseröffnung im Eigentum des Gemeinschuldners stand. In SZ 52/12 vertrat der Oberste Gerichtshof die Ansicht, von einem übertragenen Vermögen im Sinn des § 1409 ABGB könne im Falle einer Eigentumswohnung erst ab Einverleibung des Eigentumsrechts gesprochen werden. In beiden Entscheidungen war daher zu beurteilen, ob die bloße Übergabe einer Liegenschaft den Eigentumsübergang bewirkt, während es im gegenständlichen Fall für die Frage, ob eine Liegenschaft in den Nachlaß fällt, allein auf die Besitzverhältnisse im Zeitpunkt des Todes ankommt.
Hat daher Jürgen H***** vor dem Tod der Erblasserin Sachbesitz erworben, sind die Liegenschaftsanteile nicht in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen, eine Inventarisierung unterbliebe.
Daß der Erblasserin ein Fruchtgenußrecht eingeräumt wurde, schließt einen allfälligen Sachbesitz des Erwerbers nicht aus (Koziol/Welser, Grundriß II10, 21). Der außerbücherliche Eigentümer, der ein Fruchtgenußrecht einräumt, bleibt Sachbesitzer, er hat die Liegenschaft in seiner Gewahrsame und will sie als die seine behalten. Hingegen übt der Fruchtgenußberechtigte ein auf Dauer angelegtes, mit der Innehabung der Sache verbundenes Gebrauchsrecht im eigenen Namen aus und ist deshalb Rechtsbesitzer (Koziol/Welser aaO 20, 169; Petrasch in Rummel, ABGB I2 Rz 3 zu § 509; SZ 56/111).
Der Übergabsvertrag bildet zunächst nur den Erwerbstitel, die Art des Besitzerwerbes (der Modus) richtet sich nach § 312 ABGB, wobei auch eine Übergabe im Wege der Erklärung durch Besitzkonstitut in Frage kommt (§ 428 1.Halbsatz ABGB) Jürgen H***** hat - einen entsprechenden Modus vorausgesetzt - ein mit dem ideellen Mitbesitz verbundenes Benutzungsrecht erlangen können (Spielbüchler in Rummel, ABGB I2 Rz 2 zu § 312).
Die Entscheidung des Rekursgerichtes steht mit diesen Grundsätzen in Einklang. Seine Auffassung, wonach die Übertragung des Sachbesitzes an Jürgen H***** mit dem Vertragsabschluß erfolgte, ist nicht zu beanstanden, zumal der Besitzerwerb durch Besitzkonstitut gemäß § 428
1. Halbsatz ABGB erfolgte. Den im Übergabsvertrag enthaltenen Erklärungen kann nichts anderes entnommen werden, als daß die Erblasserin als bisherige Sachbesitzerin die Anteile in Hinkunft (ab Vertragsabschluß) als Fruchtgenußberechtigte (und somit Rechtsbesitzerin) für den Erwerber innehaben wird (Koziol/Welser II10 27 f).
Entgegen der - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ansicht des Rekursgerichtes wird das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage verneint. Der Revisionsrekurs wird daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 (1) AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a (1) und § 510 Abs 3 ZPO).
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