OGH 3Ob542/94

OGH3Ob542/9419.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 30.4.1993 verstorbenen Franz R*****, über den Revisionsrekurs des Sohnes Johann R*****, vertreten durch Dr.Heinz Repp, öffentlicher Notar in Gmunden, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 27. April 1994, GZ R 317/94-51, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Peuerbach vom 22.Februar 1994, GZ A 87/93t-40, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser setzte mit Notariatsakten vom 2.3.1993 seine Ehegattin Theresia R***** zur Universalerbin ein und beschränkte allfällige Noterben auf den Pflichtteil; weiters übergab er die in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** an seine Ehegattin. Laut Punkt 5 des Übergabsvertrages vom 2.3.1993 erfolgt die Übergabe bzw Übernahme des Vertragsobjektes am heutigen Tag und gehen ab heute angefangen Gefahr und Zufall sowie Last und Vorteil auf die Übernehmerin über. Laut Punkt 9 wird der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, daß ihm die grundverkehrsbehördliche Genehmigung bzw die gemeindeamtliche Bestätigung nach dem Grundverkehrsgesetz erteilt wird.

Die Genehmigung durch die Bezirksgrundverkehrskommission P***** erfolgte nach dem Tod des Erblassers mit Bescheid vom 6.5.1993. Das Eigentumsrecht für Theresia R***** wurde mit Beschluß vom 21.9.1993 im Grundbuch einverleibt.

Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 22.2.1994 aus, mangels eines 30.000 S übersteigenden Nachlaßvermögens werde eine Verlassenschaftsabhandlung von Amts wegen nicht eingeleitet (§ 72 Abs 3 AußStrG). Weiters ergingen Verständigungen an Bankinstitute, daß nunmehr Theresia R***** über Konten des Erblassers verfügungsberechtigt sei; Theresia R***** wurde angewiesen, ein auf die mj. Theresia R*****, geboren *****, entfallendes Guthaben auf ein Sparbuch zu erlegen.

Gegen diesen Beschluß erhob der Sohn des Erblassers, Johann R*****, Rekurs. Die Liegenschaft, die der Erblasser mit Übergabsvertrag vom 2.3.1993 an seine Ehegattin übergeben habe, wäre in das gemäß § 97 Abs 1 AußStrG zu errichtende Inventar aufzunehmen gewesen. Der Erblasser sei nämlich im Zeitpunkt seines Todes noch grundbücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaft gewesen. Die Übernehmerin habe daher - für den Fall, daß der Übergabsvertrag rechtsgültig zustandegekommen sein sollte - nur einen obligatorischen Anspruch gegen die Verlassenschaft auf Eigentumsübertragung durch Verbücherung. Der bloße Naturalbesitz der Liegenschaft und der Anspruch auf Übertragung des Eigentums daran könnten nicht ausreichen, um die für das Nachlaßinventar maßgeblichen Besitzverhältnisse zu verändern. Daher müsse die Liegenschaft gemäß § 97 Abs 1 AußStrG in das Inventar aufgenommen werden, weshalb gemäß § 72 Abs 2 AußStrG eine Verlassenschaftsabhandlung nicht unterbleiben könne.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs mit dem angefochtenen Beschluß nicht Folge; es bejahte die Rekurslegitimation des Noterben trotz des Umstandes, daß ihm freistehe, die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung zu begehren, was er mit Antrag vom 23.3.1994 nunmehr getan habe. Der Umstand, daß eine teilweise Inventarisierung stattgefunden habe, stehe einer Verfügung nach § 72 Abs 2 AußStrG nicht entgegen. Einer Beschlußfassung nach § 72 Abs 2 (und 3) AußStrG stehe entgegen, wenn zum Nachlaß Liegenschaften gehören. Ob dies der Fall sei, hänge von den Besitzverhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ab. Eine im Eigentum des Erblassers stehende Liegenschaft gehöre dann nicht zum Nachlaß, wenn sie bereits einem Dritten zum Besitz übergeben worden sei. Gemäß Punkt 5. des Notariatsaktes vom 2.3.1993 sei die Übergabe bzw Übernahme des Vertragsobjektes am heutigen Tag erfolgt. Die Liegenschaft falle daher nicht in die Verlassenschaft des noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Übergebers. Auch der Umstand, daß die Wirksamkeit des Vertrages von der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhänge, ändere daran nichts. Bei der entsprechenden Vertragsklausel handle es sich nicht um eine eigentliche Parteienbedingung, sondern um eine Rechtsbedingung, deren Festlegung nichts anderes als eine überflüssige und bedeutungslose Hinzufügung darstelle. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000,-- übersteige und daß der Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei, weil zu der konkreten Frage eine jüngste höchstgerichtliche Judikatur nicht vorgefunden worden sei; die Entscheidung 8 Ob 644/91 betreffe einen nicht vergleichbaren Fall.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Sohnes des Erblassers, Johann R*****, ist nicht berechtigt.

Voraussetzung für das Unterbleiben der Abhandlung nach § 72 Abs 2, 3 AußStrG ist u.a., daß Liegenschaften nicht zum Nachlaß gehören. Ob eine Sache in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen ist, hängt von den Besitzverhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ab (Eccher in Schwimann, ABGB, Rz 1 zu § 531). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, daß eine Liegenschaft, die im Eigentum des Erblassers stand, dann nicht zum Nachlaß gehört, wenn sie bereits einem Dritten zum Besitz übergeben wurde (RZ 1991/57; JBl 1970, 39; SZ 24/201; SZ 22/152; ZBl 1935/140; Eccher, Rz 14 zu § 531; Welser in Rummel, ABGB2, Rz 12 zu § 797, 798).

Die nach Ausstellung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde in natura übergebene Liegenschaft gehört somit nicht in die Verlassenschaft des im Zeitpunkt seines Ablebens noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Übergebers. Dem steht auch nicht die in Punkt 9 des Übergabsvertrages aufgenommene Erklärung entgegen, daß der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bzw gemeindeamtlichen Bestätigung nach dem Grundverkehrsgesetz abgeschlossen wird. Diese Vertragsbestimmung kann angesichts des übrigen Inhalts des Vertrages, wonach die Übergabe bzw Übernahme des Vertragsobjektes am Tag des Vertragsabschlusses erfolgt und ab diesem Tag Gefahr und Zufall sowie Last und Vorteil auf die Übernehmerin übergehen, nicht in dem Sinn aufgefaßt werden, daß der Parteiwille darauf gerichtet gewesen sei, den Vertrag erst mit der Genehmigung durch die Grundverkehrsbezirkskommission wirksam werden zu lassen. Wenn im Vertrag von einer Bedingung durch die Genehmigung der Grundverkehrskommission gesprochen wird, so bedeutet dies keine eigentliche Parteienbedingung, sondern eine Rechtsbedingung, bei der die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes nicht durch Parteiwillen, sondern durch das Gesetz bestimmt wird. Wenn die Parteien ein solches schon von Gesetzes wegen notwendiges Erfordernis noch ausdrücklich im Vertrag hervorheben, so liegt darin in der Regel nichts anderes als eine überflüssige und bedeutungslose Hinzufügung (vgl Gschnitzer in Klang, ABGB2 III 659 f; JBl 1970, 39). Anhaltspunkte für eine andere Auslegung lassen sich dem Akteninhalt nicht entnehmen.

Wie bereits bei vergleichbarem Sachverhalt in der Entscheidung JBl 1970, 39 ausgesprochen wurde, stehen diese Überlegungen nicht im Widerspruch zu der Entscheidung SZ 24/201; denn dort war von den Vertragspartnern die Wirksamkeit des Vertrages von der Genehmigung durch die Preisbehörde abhängig gemacht und bewußt hinaus geschoben worden. Welser (Rz 14 zu § 802) vertritt zwar die Ansicht, daß beim Fehlen der behördlichen Genehmigung für den Titelvertrag eine bereits faktische übergebene Liegenschaft einzubeziehen sei, wenn der Erblasser noch intabuliert ist, nimmt dabei jedoch nicht auf die konkreten Vertragsbestimmungen Bedacht.

Die Vorinstanzen haben somit zutreffend erkannt, daß die Übergabsliegenschaft nicht in das Inventar aufzunehmen ist.

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 644/91 (EvBl 1993/71 = AnwBl 1993, 432 [Graff]), auf die sich der Revisionsrekurswerber stützt, wurde ausgesprochen, daß der bloße Naturalbesitz der Liegenschaft und der Anspruch auf Übertragung des Eigentums daran nicht ausreichen können, um die für das Nachlaßinventar maßgeblichen Besitzverhältnisse zu verändern. Der erkennende Senat kann dieser vereinzelt gebliebenen Entscheidung, die sich mit der zitierten ständigen Rechtsprechung und einhelligen Lehre nicht auseinandersetzt, nicht folgen. In den dort zitierten Entscheidungen JBl 1976, 144 [F.Bydlinski] (= SZ 48/104), SZ 52/12 und ÖBA 1988, 401 wurde ausgesprochen, daß die bloße Übergabe einer Liegenschaft nicht den Übergang des Eigentums zu bewirken vermag. Für die Frage, ob eine Liegenschaft in den Nachlaß fällt, sind jedoch die Besitzverhältnisse zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich.

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