European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00231.20V.1217.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Behauptung und/oder die Verbreitung der Äußerung, er stehe „im Visier der Justiz“, sei „ein Fall für die Staatsanwaltschaft“ und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen. Außerdem stellt der Kläger ein Widerrufsbegehren.
[2] Der Kläger bringt dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte habe am 4. Juli 2019 mehrere von ihr verfasste gleichlautende E‑Mails an mehrere Rechtsanwälte versandt. Darin habe sie den Eindruck erweckt, der Kläger sei „ein Fall für die Justiz“ und/oder „stehe im Visier der Justiz“. Diese Behauptung sei unwahr, kreditschädigend und ehrenbeleidigend. Der Kläger habe die Beklagte vergeblich aufgefordert, diese Äußerungen zu unterlassen.
[3] Die Beklagte bestritt. Ihre Ausführungen im E‑Mail vom 4. Juli 2019 seien richtig und würden Tatsachen darstellen, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich seien.
[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei stellte es neben dem Inhalt des inkriminierten E‑Mails fest, dass gegen den Kläger kein strafgerichtliches Verfahren anhängig ist. Er wird nirgendwo als Beschuldigter, Verdächtiger oder Angezeigter geführt.
[5] Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Äußerungen der beklagten Partei rufschädigend (§ 1330 Abs 2 ABGB) und ehrenbeleidigend (§ 1330 Abs 1 ABGB) seien. Die von der Beklagten vorgebrachten Anschuldigungen basierten lediglich auf ihrer eigenen Einschätzung. Die Beklagte führe nicht aus, warum der Kläger bei Erstattung seiner Prozessbehauptungen in den verschiedenen Verfahren nicht den Angaben seiner Mandantin hätte folgen dürfen und inwiefern der Kläger über die angebliche Unrichtigkeit von Aussagen gewusst habe. Insoweit ergebe sich aus dem Vorbringen der Beklagten kein Verstoß des Klägers gegen § 178 ZPO.
[6] Mit Beschluss vom 30. 4. 2020 (ON 21) wies das Erstgericht einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls ab. Mit Beschluss vom 15. 5. 2020 (ON 25) wies das Erstgericht einen Antrag auf (neuerliche) Zustellung einer Protokollsabschrift ab. Mit Beschluss vom 20. 5. 2020 (ON 32) erteilte das Erstgericht der beklagten Partei einen Verbesserungsauftrag, in dem es drei von der Beklagten persönlich eingebrachte Eingaben zur Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt zurückstellte.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. In der Hauptsache erwog es nach Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit und einer Mängelrüge, einer behaupteten Aktenwidrigkeit und einer Beweisrüge in rechtlicher Sicht, die Rechtsmittelausführungen seien nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zutreffend. Das Erstgericht habe die ständige Judikatur zu § 1330 ABGB richtig dargestellt und die von der Beklagten getätigten Äußerungen sowohl als ehrenbeleidigend als auch als kreditschädigend angesehen. Dem setze die Beklagte in der Berufung nichts Substantielles entgegen.
[8] Den Rekursen gegen die Abweisung des Antrags auf Berichtigung des Protokolls und des Antrags auf (neuerliche) Zustellung einer Protokollsabschrift gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Den Rekurs gegen den Verbesserungsauftrag wies es zurück.
[9] Das Urteil des Berufungsgerichts bekämpft die Beklagte mit außerordentlicher Revision, die Rekursentscheidungen mit „außerordentlichen Revisionsrekursen“.
[10] Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Rechtsmittel sind nicht zulässig.
[12] 1.1. Dabei ist zunächst auf die Revisionsrekurse einzugehen, weil auf diesen der Schwerpunkt der Rechtsmittelausführungen liegt.
[13] 1.2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.
[14] 1.3. Entgegen den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs kann keine Rede davon sein, dass die Beschlüsse in untrennbarem Zusammenhang mit der Sacherledigung stünden. Einen derartigen untrennbaren Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof vielmehr etwa bei einem Beschluss angenommen, mit dem die Berichtigung einer Entscheidung über ein Räumungsbegehren erfolgte (RS0120190). Ebenso wurde ausgesprochen, dass ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein Beschluss des Erstgerichts teilweise bestätigt wurde, nur dann zur Gänze angefochten werden kann, wenn der bestätigende und der abändernde Teil der Rekursentscheidung in einem so engen, unlösbaren sachlichen Zusammenhang stand, dass sie nicht auseinandergerissen werden konnten, so dass auch die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich zu beurteilen ist (RS0044238).
[15] 1.4. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Über die gestellten Anträge (Widerspruch gegen ein Protokoll, Antrag auf neuerliche Zustellungen der Protokollsabschrift) kann vielmehr völlig unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens entschieden werden. Damit erweist sich der Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrags auf Berichtigung des Protokolls und des Antrags auf (neuerliche) Zustellung einer Protokollsabschrift richtet, als jedenfalls unzulässig.
[16] 2.1. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen einen Verbesserungsauftrag des Erstgerichts (ON 32) richtet, fehlt es an einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO. Auch die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage mit Revisionsrekurs anfechtbar (RS0044501; RS0044507 [T2]; Neumayr in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 528 Rz 3; Musger in Fasching/Konecny 3§ 528 Rz 3; Petrasch, ÖJZ 1989/743). Die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung der Zurückweisung einer Berufung, die nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar ist, und eines Rekurses ist wegen der typischerweise geringeren Bedeutung von Beschlüssen sachlich gerechtfertigt (Petrasch, ÖJZ 1989, 751; Musger aaO § 528 ZPO Rz 4).
[17] 2.2. Musger (aaO) erwägt die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 Fall 2 ZPO (Vollrekurs), wenn die mit Rekurs angefochtene Entscheidung für den Rechtsschutz der Parteien eine Bedeutung hat, die jener eines Urteils gleichkommt, insbesondere im Fall des Rekurses gegen eine Klagezurückweisung. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt, geht es doch nicht um die Zurückweisung der Klagebeantwortung und damit der gesamten Rechtsverteidigung der Beklagten, sondern lediglich die Zurückweisung eines Rekurses gegen einen Verbesserungsauftrag.
[18] 2.3. Nach ständiger Rechtsprechung greifen Verbesserungsaufträge noch nicht in die Rechtsstellung des Adressaten ein. Erhält der Einschreiter einen Verbesserungsauftrag, so kann er diesen daher überhaupt nicht anfechten (vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 §§ 84 bis 85 ZPO Rz 26; Kodek in Fasching/Konecny 3§§ 84, 85 ZPO Rz 276 ff). Erst die Zurückweisung des nicht verbesserten Schriftsatzes berührt die Interessen des Einschreiters (RS0036243; Kodek aaO Rz 280 und 283).
[19] 2.4. Warum diese Rechtsprechung nicht zutreffend sein sollte oder auf den vorliegenden Fall nicht Anwendung finden sollte, führt der Revisionsrekurs nicht aus. Damit bringt der Revisionsrekurs insoweit keine erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung, sodass er mangels einer Rechtsfrage der von § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zurückzuweisen war.
[20] 3.1. Auch die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Soweit die Beklagte behauptet, dass sie keine Gelegenheit zur Erstattung einer Klagebeantwortung hatte, ist ihr zu erwidern, dass sie gegen das Versäumungsurteil Widerspruch erhoben hat. Der Widerspruch hat nach § 397a Abs 1 ZPO den Inhalt der Klagebeantwortung zu enthalten. Zudem hat der Beklagtenvertreter in der Tagsatzung vom 6. 3. 2020, in der über den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist und den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil verhandelt wurde, ausdrücklich erklärt, „dass er sich ausreichend vorbereiten konnte“. Ausdrücklich hat der Beklagtenvertreter auf sein Vorbringen im Widerspruch und im Schriftsatz ON 15 verwiesen. In der Folge erstattete der Beklagtenvertreter auch ausführlich ergänzendes Vorbringen und stellte Beweisanträge. Damit kann vom Vorliegen der behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens aber keine Rede sein (§ 510 Abs 3 ZPO).
[21] 3.2. Im Übrigen kann auf die zutreffende Beurteilung der Vorinstanzen verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Beklagte hat den Wahrheitsbeweis für ihre Äußerungen nicht erbracht. Die Behauptung, dass der Kläger „im Visier der Justiz“ stehe, würde zumindest erfordern, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren geführt wird oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl 6 Ob 57/20f). Dies ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen jedoch nicht der Fall. Der bloße Umstand, dass die Beklagte allenfalls Strafanzeige erstattet hat, ist hiefür ebensowenig ausreichend wie die Eigeneinschätzung der beklagten Partei über das angebliche Vorliegen strafbaren Verhaltens.
[22] 3.3. Zutreffend hat schon das Erstgericht darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt nach § 9 Abs 1 RAO verpflichtet ist, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs‑ und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten. Ein Rechtsanwalt ist daher im Rahmen seiner berufsmäßigen Parteienvertretung verpflichtet, alles zu unternehmen, was den Interessen seines Klienten dienlich ist (RS0055917).
[23] 3.4. Die Grenze, die der Rechtsanwalt in seiner Tätigkeit nicht überschreiten darf, liegt sehr hoch. Sie ist definiert durch den dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag, durch sein Gewissen und den zu vermeidenden Widerstreit mit dem Gesetz (RS0120386). Die Richtigkeit einer ihm erteilten vollständigen Information muss der Rechtsanwalt, solange sich nicht dagegen erhebliche Anhaltspunkte ergeben, nicht prüfen und von sich aus auch nicht weitere Nachforschungen anstellen (RS0106940). Disziplinär wäre lediglich, wenn ein Rechtsanwalt wissentlich unrichtige Behauptungen aufstellt, um sich oder seinem Klienten Vorteile zu verschaffen (Brenn in Fasching/Konecny 3§ 178 ZPO Rz 4).
[24] 3.5. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar auszugsweise Unterlagen zu verschiedenen Prozessen vorgelegt, in welchen der Kläger als Rechtsvertreter auftrat. Dabei wirft die Beklagte dem Kläger vor, wahrheitswidrig vorgebracht zu haben. Sie führt aber – wie gleichfalls das Erstgericht zutreffend erkannte – nicht aus, warum der Kläger den Angaben seiner Mandanten nicht hätte folgen dürfen und inwiefern der Kläger über die angebliche Unrichtigkeit der Aussage wusste. Damit hat die Beklagte aber weder ein disziplinäres noch ein strafrechtswidriges Verhalten des Klägers dargestellt.
[25] 3.6. Soweit die Beklagte vermeint, sie sei nicht ausreichend angeleitet worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass im Rahmen der Ausführung einer auf einen Verstoß gegen die Anleitungspflicht (§§ 182, 182a ZPO) gestützten Mängelrüge auch die Darstellung jenes Vorbringens gehört, das der Rechtsmittelwerber bei entsprechender Anleitung erstattet hätte (Rassi in Fasching/Konecny³ §§ 180, 180a ZPO Rz 94 mwN). Der bloße Umstand, dass der Kläger in einem Verfahren behauptete, dass ein bestimmter Weg zumindest seit 1953 genutzt werde, und in einem anderen Verfahren vorgebracht hat, dass anstelle des Wegs bis 1984 eine Villa stand, reicht zur Erbringung des Wahrheitsbeweises jedenfalls nicht aus. Abgesehen davon, dass keineswegs a priori auszuschließen ist, dass sich der Wegverlauf im Laufe der Zeit geringfügig verändert hat, ergibt sich aus diesem Vorbringen auch in keiner Weise, wieso der Kläger positiv wusste, dass dieses Vorbringen unrichtig sein soll.
[26] 3.7. Die behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz hat bereits das Berufungsgericht mit eingehender Begründung verneint, sodass darauf im Revisionsverfahren nicht mehr einzugehen ist (RS0042963). Soweit Zeugen lediglich zum Beweis geführt wurden, dass „die Ausführungen im Mail vom 4. 7. 2019 wahr sind“, lag dem Beweisantrag von Vornherein kein ausreichend substantiiertes Tatsachenvorbringen zugrunde.
[27] 3.8. Zusammenfassend bringt die Revision somit keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)