Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die dritt- und die viertklagende Partei sind schuldig, den Beklagten die mit 1.223,38 EUR (darin 203,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Juni 2002 schrieb die erstbeklagte Hochschülerschaft in einem nicht offenen Verfahren unter Zugrundelegung der ÖNORM A 2050 die Vergabe eines Auftrags zur Neuherstellung eines Internet-Portals aus. Mit der Durchführung der Ausschreibung hatte sie die A***** GmbH beauftragt. Zur Anbotslegung wurden sieben Unternehmen eingeladen, darunter die Rechtsvorgängerin der Erstklägerin (künftig nur: Erstklägerin).
Der Drittkläger ist der Geschäftsführer der Erstklägerin und mit Peter M*****, einem früheren Vorsitzenden der Erstbeklagten, persönlich bekannt. Diesem sandte er am 5. 6. 2002 folgendes E-Mail:
„Wir haben die Ausschreibungsunterlagen zur Einreichung für die Neuerstellung des ÖH-Portals erhalten. Kannst du mir einen kleinen Tipp geben, in welcher Budgethöhe das Ganze sich bewegt, würde uns beim Anbieten sehr weiterhelfen. Danke und liebe Grüße ...". Peter M***** antwortete am 10. 6. 2002: „Bin im Projekt leider nicht mehr involviert, das macht bereits das neue Team, kann dir daher inhaltlich kaum weiterhelfen, von dem abgesehen ist es meines Wissens eine gesetzlich normierte Ausschreibung, bei der es auch nicht ratsam wäre. Sorry ...". Peter M***** setzte am 24. 6. 2002 die Vorsitzende der Erstbeklagten von dieser Kontaktaufnahme in Kenntnis. Der Einladung zur Legung von Angeboten kamen drei Unternehmen nach. Als Bestbieter ging Mag. Hermann J***** als Inhaber des Unternehmens D***** hervor. Zweitbestbieter war die von der Erst- und von der Zweitklägerin gebildete Bietergemeinschaft, gefolgt von der Firma E*****. Der Viertkläger ist Geschäftsführer der Zweitklägerin. Er und der Drittkläger hegten damals Bedenken hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit des von Mag. Hermann J***** abgegebenen Angebots, weil dieser 50 %-iger Gesellschafter und Prokurist der die Ausschreibung durchführenden A***** GmbH ist. Letztere ist wiederum 27 %-ige Gesellschafterin der Firma E*****, bei der Mag. Hermann J***** Geschäftsführer und zu 5,4% Gesellschafter ist. Nachdem der Dritt- und der Viertkläger diese Verflechtungen aufgezeigt hatten, widerrief die Erstbeklagte die Ausschreibung mit der Begründung, dass nach Ausscheiden zweier Bieter nur noch die Bietergemeinschaft der Erst- und der Zweitklägerin als Bieter vorhanden sei, gegen die außerdem Bedenken bestünden, weil sich der Drittkläger um Informationen aus dem Bereich der Hochschülerschaft bemüht und die Zweitklägerin versucht habe, sich bei der ausschreibenden Firma A***** Informationen zu beschaffen. Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 26. 6. 2002 wurde der Erstklägerin mitgeteilt, dass die Ausschreibung widerrufen wird. Darin wird unter anderem ausgeführt, „dass gegen ihre Bewerbung Bedenken bestehen, weil Ihr Herr R***** sich um Informationen aus dem Bereich der Hochschülerschaft bemühte, die Sie bei der Bewerbung bevorzugen sollten. Die Firma S***** GmbH (Anm: Zweitklägerin) versuchte sich bei der ausschreibenden Firma A***** Informationen zu beschaffen". Die Erst- und die Zweitklägerin hatten sich darauf verlassen, dass die Erstbeklagte die Ausschreibung korrekt gemäß ÖNORM durchführt. Sie brachten gegen die Erstbeklagte zu 2 Cg 29/03t des Landesgerichts Linz eine Schadenersatzklage über 17.962,05 EUR ein. In diesem Prozess brachte der Beklagtenvertreter am 17. 2. 2004 vor, „die Kläger wären verpflichtet gewesen, schon ihre Bedenken aus der Ausschreibung, welche sie dargelegt haben, der beklagten Partei unverzüglich mitzuteilen und dort authentisch der Aufklärung nachzukommen. Ein solches Verhalten hätte den Eintritt des Vertrauensschadens verhindert. ... dass sich die rechtliche Verpflichtung zur Aufklärung und zur Mitteilung der Bedenken aus den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes ergibt. Insbesondere auch aus den Bestimmungen über Verschulden und Mitverschulden". Mit Zwischenurteil vom 22. 7. 2004 stellte das Landesgericht Linz fest, dass der Schadenersatzanspruch der dortigen Klägerinnen dem Grunde nach zu Recht besteht. Ausdrückliche Ausführungen zu einem Mitverschulden der Erst- und der Zweitklägerin finden sich in diesem Zwischenurteil nicht. Es enthält - im Zusammenhang mit dem Kontakt zwischen dem Drittkläger und Peter M***** - folgenden Satz: „Als bekannt darf vorausgesetzt werden, dass natürlich die Kenntnis der Budgethöhe einer Ausschreibung ein Hilfsmittel bei der Preisfindung für den Anbieter sein kann". Das Zwischenurteil erwuchs nach Bestätigung mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 2. 3. 2005 in Rechtskraft.
Die Erstbeklagte ist Herausgeberin, Verlegerin und Medieninhaberin
der Wochenschrift „ÖH-*****", ihrem offiziellen Organ. In der Ausgabe
Nr 12 vom 23. 5. 2005 und in der Ausgabe Nr 13 vom 30. 5. 2005 dieser
Zeitschrift erschien eine vom Zweitbeklagten - dem Vorsitzenden der
Erstbeklagten - verfasste „Stellungnahme zur ÖH Homepage". Darin
heißt es unter anderem: „ ... Im Juni 2002 schrieb die
Hochschülerschaft Linz durch die damalige Vorsitzende
EDV-Dienstleistungen zur Einrichtung eines Internet-Portals ÖH-
Linz-Web aus ... Da die ÖH und deren ehrenamtliche Mitarbeiterinnen
nicht über ein hinreichendes Know-how für eine solche Ausschreibung verfügen, wurde die Firma A***** in Linz damit beauftragt. Diese führte die Ausschreibung durch, verschwieg der ÖH aber, dass sie an zwei Unternehmen beteiligt ist, die sich im Ausschreibungsverfahren bewarben. Als die damalige ÖH-Vorsitzende dies erfuhr, hat sie richtig gehandelt und diese Anbieter aus dem Verfahren ausgeschlossen. R*****/S***** blieben somit als einzige Anbieter über. Diese hatten allerdings versucht, sich durch persönliche Bekanntschaft mit einem ehemaligen Hochschülerschaftsvorsitzenden wettbewerbswidrige Vorteile zu beschaffen, weshalb dann auch diese ausgeschlossen wurden und das Ausschreibungsverfahren abgebrochen wurde. ... Von der Firma A*****, die die Ausschreibung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hatte, wurde das Honorar zurückgefordert, welches die ÖH auch zurückerhielt. R*****/S***** verlangten von der ÖH in der Folge einen weit überhöhten Schadenersatz, was wir grundsätzlich und in der Höhe ablehnten. R*****/S***** klagten den angeblich entstandenen Schaden ein. Die selektive Veröffentlichung von unvollständigen Verfahrensunterlagen soll die ÖH offensichtlich unter Druck setzen, überhöhte Forderungen anzuerkennen. Dass die Ausschreibung von A***** nicht korrekt durchgeführt wurde, ist offensichtlich. Das Gericht stellte daher fest, dass R*****/S***** grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch haben. Ein Sachverständiger muss jetzt noch prüfen, wie hoch der Schaden tatsächlich sein kann. Das Gericht wird zu beurteilen haben, welchen Prozentsatz des vom Sachverständigen festzustellenden Schadens R*****/S*****, die offensichtlich wenigstens ein Mitverschulden trifft, ersetzt erhalten. Geklärt sind damit weder die Verschuldensfrage noch die tatsächliche Höhe des Anspruches, dh das Verfahren wird weiterhin noch einige Zeit dauern ....".
Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches beantragten der Dritt- und der Viertkläger, den Beklagten Behauptungen zu verbieten, wonach
- die klagenden Parteien versucht hätten, sich durch persönliche Bekanntschaft mit einem ehemaligen Vorsitzenden der erstbeklagten Partei wettbewerbswidrige Vorteile im Vergabeverfahren zur Neuerstellung der Internet-Homepage „ÖH *****" zu beschaffen, weshalb sie aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden seien und das Ausschreibungsverfahren abgebrochen worden sei;
- die klagenden Parteien offensichtlich ein Mitverschulden am Widerruf des Vergabeverfahrens bzw ein Mitverschulden an dem ihnen entstandenen Schaden treffe;
- die Verschuldensfrage im Verfahren 2 Cg 29/03t des Landesgerichts Linz noch nicht geklärt sei.
Sie brachten vor, das Landesgericht Linz habe in seinem Zwischenurteil festgestellt, dass die Erstbeklagte rechtswidrig und „zumindest grob fahrlässig" gegen Bestimmungen der ÖNORM A 2050 verstoßen habe und der Widerruf der Ausschreibung rechtswidrig gewesen sei. Ein Mitverschulden der Erst- und der Zweitklägerin sei nicht festgestellt worden, sondern vielmehr ein Alleinverschulden der Erstbeklagten. In dem diese Entscheidung bestätigenden Urteil des Oberlandesgerichts Linz sei der auf den Kontakt des Drittklägers zu Peter M***** gestützte Einwand eines Mitverschuldens der Erst- und der Zweitklägerin ebenfalls verworfen worden. Durch die unrichtigen Behauptungen des Zweitbeklagten in der Zeitschrift der Erstbeklagten werde der unzutreffende Eindruck erweckt, die Kläger hätten sich im Zuge des Ausschreibungsverfahrens rechtswidrig verhalten, und zwar durch eine illegale Kontaktaufnahme mit einem persönlichen Bekannten, von dem sie sich die Mitteilung interner Informationen über die Ausschreibung erhofft hätten, sodass sie auf Grund einer verbotenen Inanspruchnahme persönlicher Kontakte letztlich eigentlich selbst an ihrem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren schuld seien. Weiters werde der ebenfalls unzutreffende Eindruck vermittelt, dass die Erstbeklagte das Vergabeverfahren zu Recht abgebrochen habe, sich auch die Kläger im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht korrekt verhalten hätten und sie deshalb ein Mitverschulden am Widerruf der Ausschreibung bzw an dem ihnen entstandenen Schaden treffe. Die inkriminierten Behauptungen seien rufschädigend. Der Vorwurf, sich „wettbewerbswidrige Vorteile zu beschaffen", sich also rechtswidrig und illegal zu verhalten, sei auch eine Ehrenbeleidigung. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Die beanstandeten Behauptungen betreffend das Mitverschulden bzw die Verschuldensfrage seien weder eine Ehrenbeleidigung noch rufschädigend. Letzteres gelte auch für die Behauptung des Versuches der Erlangung eines Wettbewerbsvorteiles, weil die Namen „R*****/S*****" nicht der Erst- und der Zweitklägerin zugeordnet worden seien bzw werden könnten. Davon abgesehen seien alle Behauptungen wahr. Insbesondere habe das Zwischenurteil nicht über den am 17. 2. 2004 erhobenen Mitverschuldenseinwand abgesprochen. Der inkriminierte Artikel sei von den Klägern selbst veranlasst worden, weil sie unmittelbar vor den Hochschülerschaftswahlen vom 31. 5. bis 2. 6. 2005 das Zwischenurteil allen wahlwerbenden Gruppierungen übersandt und damit eine Skandalisierung der Angelegenheit im Wahlkampf bewirkt hätten. Die Stellungnahme des Zweitbeklagten sei deshalb zur Information der Studierenden notwendig gewesen. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der Wortlaut der vom Drittkläger an Peter M***** gerichteten Anfrage lasse nur die Interpretation zu, dass die Kläger versucht hätten, Informationen über das von der Erstbeklagten für den Auftrag veranschlagte Budget zu erhalten, um über entsprechende Richtlinien für die Höhe des zu erstellenden Angebotes zu verfügen. Im Zwischenurteil sei darauf mit dem Hinweis Bezug genommen worden, es dürfe als bekannt vorausgesetzt werden, dass die Kenntnis der Budgethöhe einer Ausschreibung ein Hilfsmittel bei der Preisfindung für den Anbieter sein könne. Die Vorgangsweise der Kläger sei ein Anhaltspunkt dafür, dass sie versucht hätten, für die zu erwartende Anbieterkonkurrenz im begonnenen Ausschreibungsverfahren in wettbewerbswidriger Weise Vorteile zu erlangen. Wäre die Anfrage entsprechend beantwortet worden, hätten sie gegenüber den anderen Anbietern einen nicht unerheblichen Vorteil genossen. Der im Artikel des Zweitbeklagten erhobene Vorwurf, dass die Anbieter R*****/S***** versucht hätten, sich durch persönliche Bekanntschaft einen wettbewerbswidrigen Vorteil zu beschaffen, sei somit im Tatsachenkern nicht unwahr. Der Tatbestand des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB werde durch diese Meinungsveröffentlichung nicht erfüllt. Gleiches gelte für die weitere Formulierung, dass R*****/S***** offensichtlich wenigstens ein Mitverschulden treffe und somit weder die Verschuldensfrage noch die tatsächliche Höhe des Anspruches geklärt sei. Im Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 2. 3. 2005 werde ausgeführt, dass die Verhaltensweise der Kläger keine Unzuverlässigkeit nach ÖNORM A 2050 darstelle, auf Grund derer sie als Bieter auszuscheiden gewesen wären. Der Vorwurf eines Mitverschuldens verletze die Ehre der Kläger nicht, sondern könnte allenfalls nach § 1330 Abs 2 ABGB tatbestandsmäßig sein. Die Tatbestandsmäßigkeit setze allerdings Verschulden voraus, das jedoch den Beklagten im Hinblick darauf, dass das Zwischenurteil vom 22. 7. 2004 nicht ausdrücklich auf ein Mitverschulden Bezug genommen habe, nicht angelastet werden könne. Das Rekursgericht erließ in Stattgebung des Rekurses des Dritt- und des Viertklägers die beantragte einstweilige Verfügung. Die inkriminierten Äußerungen seien Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB, die unwahr seien. Die erste inkriminierte Aussage erwecke beim unbefangenen Durchschnittsleser den Eindruck, die Kläger hätten durch eine unzulässige und verpönte Handlung selber (berechtigten) Anlass für den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren und den Widerruf der Ausschreibung gegeben. Diese Behauptung stehe jedoch im Widerspruch zu den im Schadenersatzprozess gefällten und schon vor Veröffentlichung des Artikels rechtskräftig gewordenen Entscheidungen, mit denen das Gericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Anfrage des Drittklägers an Peter M***** keinen (gerechtfertigten) Grund darstellte, die Erst- und die Zweitklägerin wegen Unzuverlässigkeit bzw Vertrauensunwürdigkeit als Bieter auszuscheiden und die Ausschreibung zu widerrufen. Die dieses Prozessergebnis negierende, einen gegenteiligen Anschein erweckende Äußerung des Zweitbeklagten sei daher unwahr, sei doch ihr Aussagegehalt schon in einem gegen die Erstbeklagte ergangenen Urteil für unzutreffend befunden worden. Auch die weiteren Aussagen, dass den Dritt- und den Viertkläger „offensichtlich wenigstens ein Mitverschulden" (am Widerruf der Ausschreibung und dem dadurch eingetretenen Vertrauensschaden) treffe und somit die Verschuldensfrage im Verfahren 2 Cg 29/03t noch nicht geklärt sei, entsprächen nicht den Tatsachen. In Wahrheit sei die Frage des (Mit-)Verschuldens endgültig und rechtskräftig in dem Sinn abgehandelt worden, dass der Schadenersatzanspruch der Erst- und der Zweitklägerin dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehe. Im nachfolgenden Verfahren über die Anspruchshöhe sei der Mitverschuldenseinwand nicht mehr zu prüfen. Daher sei die Behauptung, dass die Kläger ein (Mit-)Verschulden treffe, über dessen Ausmaß im Schadenersatzprozess noch zu befinden sein werde, glattweg unrichtig. Die Äußerungen seien auch kreditschädigend. Das Rekursgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei und der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 20.000 EUR übersteige.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, und auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst im Wesentlichen geltend:
Zu Unrecht verbiete das Rekursgericht die erste vom Sicherungsbegehren betroffene Behauptung. Es sei nämlich wahr, dass die Kläger aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden seien und das Vergabeverfahren abgebrochen worden sei. Wahr sei weiters, dass der Abbruch damit begründet worden sei, dass der Dritt- und der Viertkläger versucht hätten, sich durch Anfrage an einen ihnen persönlich bekannten ehemaligen Vorsitzenden der Hochschülerschaft einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Auch die beiden anderen beanstandeten Behauptungen seien wahr, weil durch das Zwischenurteil des Landesgerichts Linz über den Mitverschuldenseinwand nicht entschieden worden sei, werde doch darin weder im Spruch noch in der Begründung auf das Mitverschulden eingegangen und im Übrigen sei die Äußerung einer Rechtsmeinung keine Tatsachenbehauptung. Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Wahre Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen fallen nicht unter § 1330 Abs 2 ABGB und können daher nach dieser Gesetzesstelle auch nicht untersagt werden. Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung und damit auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (6 Ob 93/98i = SZ 71/96; RIS-Justiz RS0031883).
Nach Auffassung des Rekursgerichts versteht ein unbefangener Durchschnittsleser die erste der beanstandeten Behauptungen dahin, die Kläger hätten durch eine unzulässige und verpönte Handlung - nämlich den Versuch, „sich durch persönliche Bekanntschaft mit einem ehemaligen Hochschülerschaftsvorsitzenden wettbewerbswidrige Vorteile zu beschaffen" - selber (berechtigten) Anlass für ihren Ausschluss aus dem Vergabeverfahren und Widerruf der Ausschreibung gegeben. Es folgte damit dem Standpunkt der Kläger, die unter anderem damit argumentierten, die Ausdrücke „wettbewerbswidrig" und „offensichtliches Mitverschulden" ließen einen „Durchschnittsstudenten" die Äußerung als Vorwurf rechtswidrigen, illegalen, verpönten Verhaltens verstehen.
Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB und Werturteilen kann im Einzelfall schwierig sein. Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (RIS-Justiz RS0031815; RS0031883 [T30]).
Die Auffassung des Rekursgerichts wird den genannten Grundsätzen nicht gerecht.
Der beanstandete Artikel des Zweitbeklagten wendet sich an Studenten und ist ersichtlich von der Stellungnahme des Zweitbeklagten zu dem Schadenersatzprozess der Erst- und Zweitbeklagten gegen die Erstbeklagte gekennzeichnet, deren offizielles Organ die Zeitschrift ist, in der der Artikel erschien. Da der Zweitbeklagte schrieb, das Gericht habe festgestellt, dass „R*****/S*****" grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch haben, ist vom Verständnishorizont eines Studenten durchaus klar, dass die beschriebene Kontaktaufnahme keinen berechtigten Anlass für den Ausschluss und den Abbruch des Vergabeverfahrens gegeben hat. Dass sie Anlass war, trifft nach den Feststellungen zu. Selbst wenn die geschilderte Kontaktaufnahme zur Erlangung „wettbewerbswidriger Vorteile" die Bedeutung haben sollte, dass damit der Vorwurf eines rechtswidrigen, illegalen, verpönten Verhaltens erhoben wird, so ist die Äußerung doch nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als wertende Meinungsäußerung anzusehen. Im Gesamtzusammenhang des Artikels ist in dem Vorwurf nur eine Äußerung einer bloßen subjektiven (kritisierenden) Wertung der Kontaktaufnahme und ihres Inhalts zu erblicken. Ob ein Verhalten in einem Vergabeverfahren wettbewerbswidrig ist oder eine Kontaktaufnahme auf Erlangung wettbewerbswidriger Vorteile gerichtet ist, kann nämlich nicht einfach aus dem Gesetz abgeleitet werden; eine Aussage darüber beruht daher auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung und gibt eine subjektive Überzeugung wieder, die nicht wahr oder unwahr sein kann (vgl SZ 72/118; RIS-Justiz RS0112211; RS0031675). Ehrenbeleidigend ist die Äußerung nicht, stellt sie doch einen angemessenen Kommentar eines tatsächlichen Vorfalles dar.
Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber erkannte das Rekursgericht zutreffend - auf die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung kann verwiesen werden -, dass im Schadenersatzprozess, den die Erst- und die Zweitklägerin gegen die Erstbeklagte führen, die Frage des behaupteten Mitverschulden nicht weiter zu prüfen war (und ist), nachdem das Zwischenurteil, das in seinem Spruch kein Mitverschulden feststellte, rechtskräftig geworden war. Wird nämlich Mitverschulden eingewendet, so kann ein Zwischenurteil nur dann gefällt werden, wenn gleichzeitig über die Mitverschuldensquote entschieden wird (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 § 393 ZPO Rz 8 mwN). Weil der Mitverschuldenseinwand nicht zu einem Ausspruch einer Mitverschuldensquote im Zwischenurteil führte, steht fest, dass der geltend gemachte Schadenersatzanspruch der Erst- und der Zweitklägerin dem Grunde nach zur Gänze zu Recht besteht.
Das Rekursgericht hat aber auch die weiter beanstandeten Äußerungen
zu Unrecht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Zur Abgrenzung
zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen im Sinn des § 1330
Abs 2 ABGB im Zusammenhang mit Rechtsfolgenbehauptungen vertritt der
Oberste Gerichtshof den Standpunkt, dass je nach der Lage des
Einzelfalls Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten
Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch
reine Werturteile sein können. Je weniger die zu beurteilende
Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist,
sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen (SZ 72/118; 6 Ob 266/00m; 4 Ob 105/06d; RIS-Justiz RS0112211).
Vom Verständnishorizont der angesprochenen Leser her gesehen gibt der Zweitbeklagte seine Rechtsauffassung wieder, dass das „R*****/S*****" im Artikel angelastete Verhalten ein Mitverschulden begründe und dieses im Schadenersatzprozess noch zu prüfen sei. Ob ein Verhalten eines Geschädigten dessen Mitverschulden begründet und ob die Rechtskraft eines Zwischenurteiles, das über einen Mitverschuldenseinwand nicht ausdrücklich abspricht, die Prüfung dieses Einwands ausschließt, kann nicht einfach aus dem Gesetz abgelesen werden; eine Aussage darüber beruht daher auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung und gibt eine subjektive Überzeugung wieder, auch wenn diese mangels Kenntnis irrig ist. Ob anders zu urteilen wäre, wenn dem Zweitbeklagten die Rechtslage bekannt gewesen wäre und er die Gegebenheiten bewusst falsch darstellen wollte, ist im vorliegenden Verfahren mangels entsprechender Feststellungen nicht zu erörtern.
Aus diesen Gründen war die den Sicherungsantrag abweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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