Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag, zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Parteien gegenüber der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei auf Unterlassung der Verbreitung unwahrer kreditschädigender Tatsachenbehauptungen und/oder ehrenrühriger Behauptungen werde der beklagten Partei geboten, die Behauptung, die drittklagende Partei von der Zeitschrift F***** hätte in mehreren Fällen bewiesenermaßen Leibwächtern von Dr. Jörg H***** Geld angeboten, wenn sie gegen Jörg H***** aussagen würden, oder ähnliche gleichartige wahrheitswidrige Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, ab sofort zu unterlassen; diese einstweilige Verfügung gelte bis zur rechtskräftigen Beendingung des über die gegenständliche Unterlassungsklage ergehenden Urteiles, abgewiesen wird.
Die klagenden Parteien werden mit ihrem Rechtsmittel auf diese Entscheidung verwiesen.
Die klagenden und gefährdeten Parteien sind schuldig, der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 18.696,24 S bestimmten Kosten (darin 3.116,04 S USt) des Sicherungsverfahrens erster Instanz, die mit 23.370,26 S (darin 3.895,03 S USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 15.833,35 S (darin 2.638,89 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Drittkläger (und drittgefährdete Partei, im Folgenden nur Drittkläger) ist politischer Redakteur des wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazins F*****, die erstklagende und erstgefährdete Partei (im Folgenden nur erstklagende Partei) ist Eigentümerin, Verlegerin (Medieninhaberin) und Produzentin desselben, der Zweitkläger (und zweitgefährdete Partei; im Folgenden nur Zweitkläger) Herausgeber und Chefredakteur des genannten Nachrichtenmagazins. Der Drittkläger recherierte in der sogenannten "Spitzelaffäre" und bemühte sich seit Oktober 1999, von einem Leibwächter einer Bekannten Dr. Jörg H*****s telefonisch über diesen und dessen Bekanntschaften sowie die Umstände seiner Reise nach Libyen Informationen zu erlangen. Er erkundigte sich bei diesem Leibwächter, ob dieser als ehemaliger Exekutivbeamter nicht etwas über illegale Anfragen wisse. Der Drittkläger äußerte Interesse an die FPÖ belastenden Fakten und fragte, ob der Leibwächter vielleicht sonst jemanden wisse, und meinte sinngemäß, dass an jemanden, der Mitteilungen über derartige Fakten machen könne, eine "Entschädigung" bezahlt würde, ohne anzugeben, ob es sich dabei lediglich um eine Vergütung für entstandene Kosten etc. oder aber eine sonstige Zahlung handle, und war auch nicht bereit, sich hier festzulegen. Am 29. Oktober 2000 nahmen an einer im Rahmen der in ORF 2 ausgestrahlten Fernsehsendung "Betrifft" veranstalteten Diskussion Vertreter von SPÖ und FPÖ sowie Prof. Ing. Alfred W***** als Vertreter der erstklagenden Partei teil. In der Diskussion wurde eine Erklärung des Beklagten - und Gegners der gefährdeten Partei - Klubobmanns der FPÖ (im Folgenden nur Beklagter) verlesen, wonach der Drittkläger vom F***** in mehreren Fällen bewiesenermaßen Leibwächtern von Jörg H***** Geld angeboten habe, wenn sie gegen Jörg H***** aussagen. Er werde diese Information an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.
Das Erstgericht erließ zugunsten des Zweit- und Drittklägers die aus dem Spruch ersichtliche einstweilige Verfügung, weil der Beklagte die Wahrheit seiner Behauptung nicht habe bescheinigen können, und wies den Sicherungsantrag der erstklagenden Medieninhaberin ab.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Zweit- und Drittklägers gegen diese Entscheidung mangels Beschwer zurück und gab in teilweiser Stattgebung des Rekurses des Beklagten dem Sicherungsantrag der klagenden Parteien teilweise in der Form Folge, dass es dem Beklagten gebot, die Behauptung, der Drittkläger von der Zeitschrift F***** hätte in mehreren Fällen bewiesenermaßen dem Leibwächter von Dr. Jörg H***** Geld angeboten, wenn er gegen diesen aussagen würden, oder ähnliche wahrheitswidrige Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und das "Mehrbegehren", dem Beklagten werde geboten, die Behauptung, der Drittkläger von der Zeitschrift F***** hätte bewiesenermaßen einem Leibwächter von Dr. Jörg H***** Geld angeboten, wenn er gegen Jörg H***** aussagen würde oder ähnliche gleichartige wahrheitswidrige Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, abwies.
Das Rekursgericht vertrat, soweit hier relevant, folgende Auffassung:
Die dem Drittkläger vorgeworfene Vorgangsweise - iSd zu Recht angewendeten Unklarheitenregel müsse die inkriminierte Äußerung in diesem Sinn verstanden werden - gefährde das wirtschaftliche Fortkommen der erstklagenden Partei als Medieninhaberin des angegriffenen Mediums, weil unlautere Recherchemethoden sowohl Leser vom Kauf (Unverlässlichkeit des Inhaltes) als auch potentielle Inserenten vom Inserat (unseriöses Medium) abhalten könnten. Der Beklagte habe gegen den wider ihn erhobenen Unterlassungsanspruch auch eingewendet, die inkriminierte Behauptung sei wahr. Der im Fall einer Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB demjenigen obliegende Wahrheitsbeweis, der die als nicht nur als unwahr, sondern darüber hinaus als ehrenrührig und kreditschädigend inkriminierte Behauptung aufgestellt und/oder verbreitet habe, sei aber schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätige; es genüge also der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns. Eine Äußerung sei noch grundsätzlich als richtig anzusehen, wenn sie nur in unwesentlichen Details nicht der Wahrheit entspreche. Es müsse als den Tatsachenkern nicht berührende Details angesehen werden, ob die angesprochene Person der/ein Leibwächter von Dr. Jörg H***** persönlich oder einer Bekannten von ihm gewesen sei, oder belastende Fakten gegen Dr. Jörg H***** persönlich oder gegen die FPÖ im Allgemeinen nachgefragt würden. Die Ankündigung des Drittklägers, eine in keiner Weise näher bestimmte "Entschädigung" für die Mitteilung belastender Fakten zu zahlen, bedeute auch nichts wesentlich anderes als die inkriminierte Behauptung, für "Aussagen gegen Jörg H*****" sei Geld geboten worden. Gerade die als bescheinigt angenommene beim Drittkläger fehlende Bereitschaft, sich festzulegen, also konkrete Auskünfte über die Art der "Entschädigung" zu geben, lege nahe, dass nicht bloßer "Barauslagenersatz" angeboten worden sei, was aber dem zu Recht vom Erstgericht der inkriminierten Behauptung iSd Unklarheitenregel unterstellten Inhalt entspreche, nämlich die Zahlung von Geldprämien (welcher Art und Höhe auch immer) ohne Rücksicht darauf, ob die belastende Aussage wahr sei oder nicht.
Der einzige wesentliche Unterschied zwischen dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt und der inkriminierten Tatsachenbehauptung des Beklagten sei der, dass diese von mehreren Fällen spreche, in denen Geld angeboten worden sei, während lediglich ein einziger derartiger Fall als bescheinigt angenommen worden sei; der Beklagte habe im Provisorialverfahren auch gar nicht den Versuch unternommen, mehrere derartige Fälle zu bescheinigen. Der Wahrheitsbeweis sei daher in Ansehung des Geldanbotes für belastende Aussagen an sich als erbracht anzusehen, nicht jedoch in Ansehung der vom Beklagten behaupteten mehreren Fällen, was zweifellos einen wesentlich gravierenderen Vorwurf unlauteren Journalismus darstelle als wenn ein derartiges Anbot bloß in einem einzigen Fall gestellt worden sei. Der Sicherungsantrag der Kläger sei in Ansehung der Behauptung eines Geldanbotes für eine belastende Aussage abzuweisen, das einstweilige Unterlassungsgebot in Ansehung der Behauptung mehrerer derartiger Fälle aber zu Gunsten sämtlicher Kläger zu erlassen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, er habe die Wahrheit des Tatsachenkerns bewiesen und demnach hätte der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werden müssen. Dem ist aus folgenden Erwägungen zuzustimmen:
Ist eine Rufschädigung gleichzeitig Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB, so hat die Richtigkeit der Tatsache sowie das Fehlen der objektiven bzw. subjektiven Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung, also den Mangel der Rechtswidrigkeit, der Täter zu beweisen (JBl 1991, 724; 6 Ob 2060/96a, 6 Ob 148/97a u.a.; RIS-Justiz RS0031798). Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (4 Ob 213/99y = MuR 2000, 22 [Korn 82] mwN). Der Tatsachenkern muss somit, um den Beklagten zu exkulpieren, wahr sein; Gegenstand des Wahrheitsbeweises ist nun aber nicht der vollständige Beweis der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung, es genügt vielmehr der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (ÖBl 1990, 18; 6 Ob 173/98d). Eine Äußerung ist noch grundsätzlich als richtig anzusehen, wenn sie nur in unwesentlichen Details nicht der Wahrheit entspricht (6 Ob 173/98d, 6 Ob 208/98a u.a.; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 66 mwN).
Zutreffend erkannte die zweite Instanz, es seien den Tatsachenkern nicht berührende Details, ob die angesprochene Person Leibwächter von Dr. Jörg H***** oder einer Bekannten von ihm gewesen sei, oder ob belastende Fakten gegen Dr. Jörg H***** persönlich oder gegen die FPÖ im Allgemeinen vom Drittkläger nachgefragt worden seien.
Ist der Sinngehalt einer beanstandeten Tatsachenmitteilung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsbetrachters in einer bestimmten Richtung klar, so kann schon aus diesem Grund die Anwendung der sogenannten "Unklarheitenregel" (MR 1994, 111; 6 Ob 7/99v u.v.a.) nicht mehr in Betracht kommen (6 Ob 38/95; RIS-Justiz RS0085169). Im zivilen Kreditschädigungsrecht stellt der objektive Bedeutungsinhalt einer Äußerung regelmäßig eine Rechtsfrage dar. Gleiches hat auch dann zu gelten, wenn erst aus einer bestimmten Äußerung oder einem bestimmten Verhalten des Klägers ein inkriminiertes Verhalten des Beklagten iSd § 1330 ABGB abgeleitet wird. Auch in diesem Fall ist Beurteilungsmaßstab das Verständnis des angesprochenen Publikums, dessen Beurteilung als Rechtsfrage dem Gericht obliegt. Im vorliegenden Fall bedeutet die Erklärung des Drittklägers, für gewisse Mitteilungen eine "Entschädigung" zu bezahlen, ohne anzugeben, ob es sich dabei lediglich um eine Vergütung für entstandene Kosten etc. oder aber eine "sonstige Zahlung" handelt, angesichts der fehlenden Bereitschaft des Drittklägers, sich insoweit festzulegen, dass es sich nicht nur um einen Ersatz von Auslagen handelt, das Anbot von Entgelt für die Lieferung von belastenden Informationen über Politiker der FPÖ ohne Rücksicht darauf, ob diese Informationen wahr sind, um diese Informationen in einem bestimmten Nachrichtenmagazin zu veröffentlichen.
Auch der in der Rechtsmittelbeantwortung der klagenden Parteien eingenommene Standpunkt, das wiederholte Geldanbieten durch den Drittkläger sei nicht bescheinigt, ist nicht zutreffend. Bescheinigt ist, dass der Drittkläger den Leibwächter fragte, ob dieser vielleicht sonst jemanden wisse und meinte sinngemäß, dass an jemanden, der Mitteilungen über derartige Fakten machen könne, eine "Entschädigung" bezahlt würde. Das impliziert, dass an jeden - somit auch mehrere Informanten - bei Lieferung von Dr. Jörg H***** und/oder die FPÖ belastenden Informationen Geldzuwendungen geleistet würden. Der maßgebliche Tatsachenkern ist daher so zu verstehen, dass der Drittkläger dem näher genannten Leibwächter, aber in Zukunft auch jedem anderen, wenngleich noch nicht bekannten Informanten für die gewünschten Informationen ein Entgelt in Aussicht stellte. Dies rechtfertigt als Tatsachenkern die Richtigkeit des nun inkriminierten Vorwurfs, der Drittkläger habe "in mehreren Fällen" Geld angeboten.
Damit hat aber der Beklagte im Provisorialverfahren den ihm obliegenden Wahrheitsbeweis erbracht. Demnach ist das Sicherungsbegehren aller Kläger abzuweisen, ohne dass auf die vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgründe und die vom Rekursgericht als maßgeblich erachteten Teilabweisungsgründe einzugehen wäre.
Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 78, 402 EO iVm §§ 41 und 50
ZPO.
b) Bei dieser Sachlage können die klagenden Parteien mit ihrem außerordentlichen Rechtsmittel nur auf die Erwägungen zum Rechtsmittel des Beklagten verwiesen werden, ohne dass auf die Argumente des Revisionsrekurses, vor allem, ob ein einmaliges Anbieten von Entgelt gegen entsprechende Informationen gegenüber einem mehrmaligen Anbieten ein minus oder ein aliud darstellt, eingegangen werden könnte.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten diente letztlich nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren.
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