Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Am 16. März 2011 ergingen gegen die Gesellschaft und den Geschäftsführer wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2009 Zwangsstrafverfügungen. Dagegen erhoben die Gesellschaft und der Geschäftsführer mit der Begründung Einspruch, dass der Steuerberater die am 7. 7. 2010 unterfertigte Bilanz in der Folge beim Firmenbuchgericht online eingereicht habe. Dabei dürfte es zu Komplikationen infolge eines Server-Wechsels gekommen sein. Eine Fehlermeldung habe der Steuerberater nicht erhalten.
Das Erstgericht verhängte im ordentlichen Verfahren Zwangsstrafen von je 1.000 EUR. Bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses sei auf wirksame Weise zu kontrollieren, ob die Übermittlung tatsächlich zustandegekommen sei. Daher habe der Geschäftsführer nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um seiner Offenlegungspflicht nachzukommen. Da der Geschäftsführer bereits frühere Jahresabschlüsse verspätet offengelegt habe, sei die Zwangsstrafe mit je 1.000 EUR festzusetzen.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidungen dahin ab, dass es die Zwangsstrafen auf jeweils 700 EUR herabsetzte. Bei technischen Übermittlungsproblemen erhalte der Übermittler in jedem Fall eine Rückmeldung. Wenn die Einreichung nicht ganz geringen Mindestanforderungen entspreche, erfolge die Fehlermeldung sofort. Sonst erhalte der Übermittler spätestens am nächsten Tag ein Protokoll in seiner Databox, das darüber Auskunft gebe, ob der Jahresabschluss angenommen wurde oder nicht. Was den im Einspruch erwähnten Server-Wechsel betreffe, so müsse jedenfalls von einem den Rekurswerbern zuzurechnenden Verschulden der mit der Übermittlung des Jahresabschlusses befassten Person ausgegangen werden.
Für die Verhängung von Zwangsstrafen reiche bereits leichte Fahrlässigkeit aus. Der Geschäftsführer müsse, um straffrei zu bleiben, nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten. Das Unterlassen der Kontrolle, ob der Übermittlungsversuch erfolgreich gewesen sei, genüge dieser Anforderung nicht. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bestünden keine Bedenken.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum neuen Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 FBG).
2.1. Gemäß § 277 Abs 1 UGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften die in den §§ 277 bis 279 UGB angeführten Unterlagen spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung einzureichen.
2.2. Nach § 283 Abs 2 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 ist, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgte, mit Strafverfügung eine Zwangsstrafe von je 700 EUR zu verhängen, und zwar über die Geschäftsführer (§ 283 Abs 1 UGB) sowie über die Gesellschaft selbst (§ 283 Abs 7 UGB).
2.3. Gegen die Strafverfügung steht ein begründeter Einspruch offen; nach rechtzeitiger Erhebung eines Einspruchs hat das Firmenbuchgericht im ordentlichen Verfahren über die Verhängung einer Zwangsstrafe zu entscheiden.
3.1. Die Rechtsmittelwerber vertreten die Ansicht, dem Steuerberater sei es mangels Erhalts einer Fehlermeldung nicht möglich gewesen, entsprechend auf den fehlgeschlagenen Übermittlungsversuch zu reagieren. Er habe vielmehr davon ausgehen dürfen, dass schon der erste Übermittlungsversuch erfolgreich gewesen und der Jahresabschluss fristgerecht beim Firmenbuchgericht eingelangt sei.
Dem ist zu erwidern:
3.2. Es ist Sache der Geschäftsführer, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer handelsrechtlichen Offenlegungspflichten zu sorgen (6 Ob 33/09k). Daraus ergibt sich aber, dass bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses auf wirksame Weise zu kontrollieren ist, ob die Übermittlung auch tatsächlich zustandegekommen ist. Dies setzt als Mindesterfordernis die Einsichtnahme in ein entsprechendes Übermittlungsprotokoll voraus. Dass dies erfolgt sei und sich daraus ergab, dass der Jahresabschluss angenommen wurde, haben die Revisionsrekurswerber, die den Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs nicht einmal nannten, nicht vorgebracht. Zudem hätten sich die Revisionsrekurswerber nach der behaupteten Online-Übermittlung noch vergewissern können, dass die Einreichung im Firmenbuch durch Eintragung im Firmenbuch vollzogen wurde. Völlig zutreffend gingen daher die Vorinstanzen vom Vorliegen eines Verschuldens des Geschäftsführers aus.
4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Zwangsstrafenverfahrens nach § 283 UGB keine Bedenken (6 Ob 41/08k; 6 Ob 64/08t; RIS-Justiz RS0113284, RS0113285, RS0113286, RS0113089).
4.2. Daran hat auch die Einführung einer Mindeststrafe von 700 EUR (§ 283 Abs 3 UGB) unter Verhängung von Strafen gegen die Gesellschaft und die Geschäftsführer (§ 283 Abs 7 UGB) durch das Budgetbegleitgesetz 2011 nichts geändert.
4.3. Zutreffend verwies schon das Rekursgericht darauf, dass die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs, in denen dieser Mindestgeldstrafen in einfachen Gesetzen als verfassungswidrig qualifiziert hat, wesentlich anders gelagerte Fälle, etwa Mindeststrafen von 1.000 EUR bzw 5.000 EUR im FremdenpolizeiG (VfGH G 53/10), den Ausschluss des Absehens von der Strafe im ArtenhandelsG 1998 (VfGH G 238/09), eine Mindeststrafe von 20.000 EUR im GüterbeförderungsG (VfGH G 121/02, G 181/01 ua) und im GelVerkG (VfGH G 143/02 ua) sowie unklare und unbestimmte Verwaltungsstrafbestände im Abfallwirtschaftsgesetz (VfGH vom 16. 3. 2000, G 312/97) betrafen. Mit diesen Fällen ist die Bestimmung des § 283 UGB aber nicht vergleichbar.
4.4. Die Mindeststrafe orientiert sich an der bisherigen Spruchpraxis, die vielfach auch bei Erstverstößen Strafen von 700 EUR verhängte (vgl die Nachweise bei G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG § 24 Rz 51). Der Gesetzgeber musste hier dem Umstand Rechnung tragen, dass viele Unternehmen die Bestimmungen über die Bilanzpublizität nicht einhalten. Von der Bundesministerin für Justiz in Beantwortung zweier parlamentarischer Anfragen (24. GP 5233/AB vom 8. 7. 2010 und 24. GP 6226/AB vom 25. 10. 2010) genannte Zahlen (vgl 6 Ob 129/11f) über das Offenlegungsverhalten zeigen ein eklatantes Vollzugsdefizit gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen. Dieses rechtfertigt, dass der Gesetzgeber hier eine Mindeststrafe von 700 EUR vorsieht, wobei die Höhe der Strafe jedenfalls der typischen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Gesellschaften und ihren Organen angemessen Rechnung trägt. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof etwa im AusländerbeschäftigungsG aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen auch eine Mindeststrafe von 2.500 EUR (VfGH G 156/08), bei Verstößen gegen das AbfallwirtschaftsG von 3.630 EUR (VfGH G 197/04) und bei vorsätzlichem Zuwiderhandeln eine Mindeststrafe von 20.000 EUR im Gasöl-SteuerbegünstigungsG als verfassungskonform angesehen (VfGH G 102/96).
4.5. Zudem hatte schon nach bisheriger Rechtsprechung die Strafverhängung typischerweise eher schematisch und aufgrund objektiver Kriterien zu erfolgen, ohne dass es einer näheren Feststellung über die Vermögenslage der Geschäftsführer bedurfte (6 Ob 182/07v; 6 Ob 89/08v ua). Im Übrigen ist dem Revisionsrekurs auch nicht ansatzweise zu entnehmen, weshalb die Verhängung einer Strafe von ohnedies bloß 700 EUR den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Revisionsrekurswerber nicht Rechnung trägt. Dazu kommt, dass - worauf das Erstgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - die Revisionsrekurswerber bereits in der Vergangenheit mehrfach Jahresabschlüsse nicht rechtzeitig eingereicht haben.
5. Dass Strafen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Geschäftsführer verhängt werden können, stellt keine unzulässige Doppelbestrafung dar. Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Offenlegung der Bilanz trifft grundsätzlich die Gesellschaft selbst (4 Ob 229/08t), auch wenn im Hinblick auf die ursprünglich nur gegenüber den Geschäftsführern vorgesehene Möglichkeit der Verhängung von Zwangsstrafen (§ 277 UGB) die diesbezügliche Handlungspflicht den Geschäftsführern auferlegt ist.
6. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
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