OGH 6Ob149/17f

OGH6Ob149/17f29.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei B***** GmbH (FN *****), *****, vertreten durch Dr. Herbert Partl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Ing. A***** M*****, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen einstweiliger Verfügung (Unterlassung), über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Oktober 2016, GZ 2 R 215/16f‑12, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Mai 2017, GZ 2 R 215/16f‑16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 8. Juli 2016, GZ 16 C 627/16h‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00149.17F.0829.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen des Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 528a, 510 Abs 3 Satz 4 ZPO iVm § 402 Abs 4, § 78 EO).

1. Das Rekursgericht hat nachträglich den Revisionsrekurs zugelassen, weil die Abgrenzung von reinen Werturteilen und Urteilen, die teilweise auf Tatsachenbehauptungen gestützt werden, im Gesamtzusammenhang allenfalls anders gesehen werden könne. Auch wenn die konkrete Interpretation des Rundschreibens des Antragsgegners zunächst eine Frage des Einzelfalls sei, könne der rechtlichen Beurteilung darüber hinaus prinzipielle Bedeutung zukommen.

Damit hat das Rekursgericht keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt: Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist, hat nach ständiger Rechtsprechung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0107768). Die Feststellung des Bedeutungsgehalts einer Äußerung bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0107768 [T2]). Eine der oberstgerichtlichen Rechtsprechung widersprechende auffallende Fehlbeurteilung, die der Oberste Gerichtshof aufgreifen müsste, ist – wie noch auszuführen sein wird – dem Rekursgericht nicht unterlaufen.

2. Auch die Revisionsrekurswerberin hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

2.1. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt angesichts des Berichtigungsbeschlusses des Rekursgerichts vom 19. Mai 2017 nicht vor.

2.2. Auch die gerügte Mangelhaftigkeit (Unterlassung der Behandlung der Mängelrüge im Rekurs betreffend die unterlassene Einvernahme des Geschäftsführers der gefährdeten Partei) liegt nicht vor:

Das Rekursgericht hat das Begehren, dem Gegner der gefährdeten Partei die Behauptung zu verbieten, der Erwerb eines bestimmt bezeichneten Grundstücks durch die gefährdete Partei sei zu 100 % fremdfinanziert erfolgt, abgewiesen.

Der Begründung des Rekursgerichts lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob es schon die Eignung dieser Äußerung zur Kreditschädigung verneint hat. Selbst wenn man diese Äußerung als kreditschädigend ansieht, so ist sie jedenfalls keine Ehrenbeleidigung. Bei Kreditschädigungen, die nicht zugleich auch Ehrenbeleidigungen sind, trifft aber die Beweis-(bzw hier Bescheinigungs-)last (und damit auch die Behauptungslast) für die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung die Antragstellerin (RIS-Justiz RS0031798). Diese ist aber im vorliegenden Fall schon ihrer Behauptungslast nicht nachgekommen; sie hat nur völlig unsubstanziiert behauptet, die Aussage sei falsch. Damit hat sie keine Tatsache behauptet, die einer Bescheinigung oder Feststellung zugänglich wäre. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der gefährdeten Partei sei entbehrlich, ist somit jedenfalls im Ergebnis vertretbar.

Im Revisionsrekurs wird weiter geltend gemacht, die Unterlassung der Einvernahme des Geschäftsführers der Antragstellerin sei auch für die Frage des bisher erfolgreichen Abschlusses ihrer Bauvorhaben, zu der zu erwartenden Bewohneranzahl und der geplanten Bauzeit relevant.

Dem ist zu entgegnen, dass der Erfolg der bisherigen Bauprojekte nicht Gegenstand des Verfahrens ist; hinsichtlich der Bewohneranzahl und der geplanten Bauzeit liegen – wie noch ausgeführt werden wird – von Art 10 EMRK gedeckte Meinungsäußerungen des Antragsgegners vor, sodass eine Einvernahme des Geschäftsführers der Antragstellerin dazu auch nicht entscheidend sein kann.

2.3. Auf dem Areal sollen etappenweise 50 Wohnungen in zehn Einzelhäusern errichtet werden. Die Antragstellerin stößt sich daran, dass der Antragsgegner dies als „Großwohnanlage“ bezeichnet hat.

Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (RIS-Justiz RS0031883 [T32]). Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0031883 [T28]).

Wenn das Rekursgericht zum Ergebnis gekommen ist, die Qualifizierung eines Bauprojekts als „Großwohnanlage“ sei keine genaue Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung, ist dies im Sinn der zitierten Rechtsprechung vertretbar, zumal die Wohnanlage nicht etwa in einer Großstadt, sondern in einer Gemeinde mit knapp 6.000 Einwohnern errichtet werden soll.

2.4. Hinsichtlich der weiteren Äußerungen („Bauzeit von fünf bzw mehr Jahren“, „Eingeständnis der totalen Überforderung“, „Bauruine“, „Ewigkeitsbaustelle“) macht der Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, diese müssten im Zusammenhang damit gesehen werden, dass der Antragsgegner eine unrichtige Behauptung über das Eigenkapital der Antragstellerin aufgestellt habe.

Das Rekursgericht hat dem Sicherungsbegehren nur insoweit stattgegeben, als dem Antragsgegner die Verbreitung der Aussage, die Antragstellerin verfüge lediglich über ein Eigenkapital von 35.000 EUR, verboten wurde.

Die Auslegung einer Äußerung hat grundsätzlich im Gesamtzusammenhang zu erfolgen (RIS-Justiz RS0031883 [T1]). Zergliedernde Betrachtungsweise widerspricht dem bestehenden allgemeinen Grundsatz, dass der Inhalt einer Ankündigung stets am Gesamteindruck zu messen ist, den die angesprochenen Verkehrskreise gewinnen (RIS-Justiz RS0031883 [T24]). Die Frage, inwieweit einzelne Behauptungen zerlegt werden können, ist aber eine solche des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0102057 [T5]).

Allein aus dem erwähnten Verbot der Verbreitung der Äußerung über das Eigenkapital der Antragstellerin kann nicht zwingend abgeleitet werden, dass auch alle anderen inkriminierten Äußerungen zu verbieten wären, zumal dem Rundschreiben des Antragsgegners auch nicht das im Revisionsrekurs behauptete Verständnis beigelegt werden kann, wonach das im Firmenbuch eingetragene Stammkapital der Antragstellerin ein „Kernstück“ der Argumentation des Antragsgegners bilde: Dass eine Verbauung in einem Zeitraum der nächsten drei bis fünf Jahre erfolgen soll und Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden können, hat der Geschäftsführer der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 12. 4. 2016 vor dem LVwG Tirol selbst ausgesagt; in der dem entsprechenden Äußerung des Antragsgegners liegt somit weder eine unrichtige Tatsachenbehauptung noch ein exzessives Werturteil.

Auch hinsichtlich des „Eingeständnisses der totalen Überforderung“ und der Äußerungen, es drohten eine „Bauruine“ und eine „Ewigkeitsbaustelle“ ist nach den unter Punkt 2.3. dargestellten Grundsätzen die Beurteilung des Rekursgerichts durchaus vertretbar, es handle sich dabei um Meinungsäußerungen und nicht um Tatsachenbehauptungen.

Angesichts der (hier nicht näher wiederzugebenden) Aussagen des Geschäftsführers der Antragstellerin in der erwähnten mündlichen Verhandlung vor dem LVwG Tirol über den (geringen) Personaleinsatz und die vom Abverkauf der ersten erstellten Wohneinheiten abhängige weitere Finanzierung des Bauvorhabens ist die Beurteilung des Rekursgerichts, es liege diesbezüglich kein Wertungsexzess vor und die Äußerungen seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK gedeckt, vertretbar.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 402 Abs 4, § 78 EO. Der Gegner der gefährdeten Partei hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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