European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00124.21K.0712.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
[1] Das Erstgericht bestellte für die Betroffene eine Rechtsanwältin zur gerichtlichen Erwachsenenvertreterin gemäß § 271 ABGB mit dem Wirkungsbereich Vertretung in gerichtlichen Verfahren, Vertretung in Verwaltungsverfahren sowie verwaltungsgerichtlichen Verfahren und Entgegennahme und Verwaltung eines bei Gericht erlegten Betrags von 137.957,89 EUR samt Erfüllung von Verbindlichkeiten der Betroffenen aus den Mitteln dieses zu verwaltenden Vermögens.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betroffenen nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Der gerügte erstinstanzliche Verfahrensmangel wurde bereits vom Rekursgericht verneint und kann daher im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RS0030748 [T15]).
[5] 2. Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls (vgl RS0106166; RS0087091 [T2]). Gleiches gilt für die Frage, in welchem Umfang ein solcher zu bestellen ist (vgl RS0106744).
[6] 3. Nach den Feststellungen ist aufgrund der psychischen Erkrankung der Betroffenen deren Kritikfähigkeit im Hinblick auf anhängige Rechtsstreitigkeiten aufgehoben. Sie geht von der fixierten Rechtsmeinung (insbesondere) dahin aus, dass ein (Gerichts‑)Verfahren einfach nicht abgeschlossen sein könne, wenn ihr persönlicher Rechtsstandpunkt hierin nicht erreicht wurde. In dieser Hinsicht ist die Betroffene nicht korrigierbar; sie geht davon aus, dass sie in jedem Fall Recht zu bekommen habe. Sie sieht sich deshalb dazu berechtigt, sämtliche Anstrengungen in dieser Hinsicht zu unternehmen, wobei finanzielle Kriterien für sie keine Rolle spielen, um ihren persönlichen Rechtsstandpunkt durchzusetzen; es ist deshalb davon auszugehen, dass die Betroffene in finanziellen Bereichen Entscheidungen zu ihrem Nachteil trifft. Da die Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Entgegennahme eines ihr aufgrund einer Liegenschaftsversteigerung zustehenden Betrags von 137.957,89 EUR verweigert und rechtskräftig festgestellte, bereits in Exekution gezogene Forderungen nicht bezahlt, besteht die Gefahr der Einleitung eines Versteigerungsverfahrens betreffend die von ihr bewohnte Liegenschaft. Die Betroffene hat bisher in diesem Zusammenhang auch erhebliche Beträge für Rechtsanwaltskosten aufgewendet.
[7] Die Beurteilung der Vorinstanzen, für die Betroffene sei bei der gegebenen Sachlage die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Entgegennahme und Verwaltung des Erlagsbetrags samt Erfüllung von Verbindlichkeiten daraus erforderlich, ist nicht korrekturbedürftig. Ob die Betroffene zur Entgegennahme des Erlagsbetrags verpflichtet ist, ist für die Beurteilung der Gefahr eines Nachteils an ihrem Vermögen (§ 271 Z 1 ABGB) nicht entscheidend.
[8] 4. Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen (RS0026560). Auch dann, wenn eine Partei für sie nachteilige Weisungen erteilt, hat er nicht auf die Willensbildung einzuwirken, sondern sie lediglich über die nachteiligen Folgen zu belehren (RS0026560 [T1, T5]). Dadurch ist auch in einem Anwaltsprozess die Gefahr nicht auszuschließen, dass sich eine Partei selbst schädigt, indem sie „sinnlose“ Weisungen erteilt, weshalb die Möglichkeit, dass sich eine betroffene Person einer anwaltlichen Vertretung bedienen kann, grundsätzlich nicht ausreicht, einen Erwachsenenvertreter entbehrlich zu machen (vgl 3 Ob 230/14s). Mit dem Hinweis, die Betroffene könne sich durch die Bestellung gewählter Rechtsvertreter vor Nachteilen durch nicht in ihrem Interesse liegende Verfahrensführungen schützen, zeigt der Revisionsrekurs somit keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts auf.
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