European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00122.22T.0324.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht bestätigte das auf Antrag der Beklagten gegen den zurvorbereitenden Tagsatzung nicht erschienenen Kläger gefällte klagsabweisende Versäumungsurteil.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[3] 1.1. Entscheidungsgrundlage eines Versäumungs-urteils ist das tatsächliche Vorbringen der erschienenen Partei; dieses ist „für wahr zu halten“ (§ 396 Abs 1 und 2 ZPO). Bei einem unsubstantiierten Bestreiten wird von der Schlüssigkeit des Urteilsantrags des Beklagten dahin ausgegangen, dass die Tatsachenbehauptungen des Klägers nicht zutreffen (4 Ob 185/16h [ErwGr 3.3.]; vgl 2 Ob 127/67; RS0040778). Erstattet der Beklagte vor der Erlassung eines negativen Versäumungsurteils jedoch ein inhaltliches Vorbringen, ist dieses der Entscheidung zu Grunde zu legen, wobei das Gericht die Schlüssigkeit der inhaltlichen Ausführungen des Beklagten prüfen muss, weil die Säumnis des Klägers keine Unschlüssigkeiten des Vorbringens der erschienenen Partei deckt (4 Ob 185/16h [ErwGr 3.3.]). Diese Rechtsgrundsätze werden in der Revision auch nicht bezweifelt.
[4] Fragen der Einmaligkeitswirkung eines negativen Versäumungsurteils sind im vorliegenden Fall nicht zu beantworten, sodass eine von der Revision erblickte diesbezügliche Judikaturdivergenz zwischen der Entscheidung 3 Ob 219/11v und der späteren, ausführlich begründeten Entscheidung 4 Ob 185/16h dahinstehen kann.
[5] 1.2. Gemäß § 396 Abs 1 ZPO sind bei Nichterscheinen einer Partei die vom erschienenen Antragsteller behaupteten, beweisdürftigen Tatsachen für wahr zu halten, soweit sie nicht durch vorliegende Beweise widerlegt werden, etwa durch vorgelegte Urkunden. Eine Urkunde kann auf die Schlüssigkeit des Parteienvorbringens nur dann von Einfluss sein, wenn ihr Inhalt damit in unlösbarem Widerspruch steht (RS0017844). Die aus den vorliegenden Beweisen ableitbare bloße Möglichkeit einer Einwendung gibt dem Richter noch nicht die Handhabe, darauf ein gegen den erschienenen Antragsteller ergehendes Versäumungsurteil zu gründen; es muss sich vielmehr aus der Urkunde logisch zwingend die Unrichtigkeit einer anspruchsbegründenden tatsächlichen Behauptung ergeben (9 ObA 39/16z; RS0037677 [T1]).
[6] 1.3. Der Frage, ob ein Vorbringen in dieser Hinsicht schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0037780). Gleiches gilt für die einzelfallbezogene Beurteilung, ob ein Vorbringen durch vorliegende Beweise widerlegt wird.
[7] 2. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte vorgebracht, bei den hier gegenständlichen Verträgen habe es sich um unternehmensbezogene Geschäfte des Klägers gehandelt. Dieser habe als unabhängiger Vertriebsmittler im Rahmen eines Strukturvertriebs der Beklagten neue Kunden für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen bei den jeweiligen Partnerunternehmen (der Beklagten) geworben. Er habe sich ein Vertriebssystem eingerichtet, um regelmäßig Personen anzuwerben, und habe in der Folge von der Mitgliedschaft der von ihm angeworbenen Personen laufend profitiert. Er habe ein bei der Gewerbebehörde erfasstes freies Gewerbe ausgeübt und auf Grundlage der Vereinbarungen mit der Beklagten von dieser Provisionen ausbezahlt erhalten. Dass sich die Unrichtigkeit dieses Tatsachenvorbringens logisch zwingend aus vorgelegten Urkunden ergäbe, wird weder in der Revision behauptet noch ergibt sich dies aus den Akten.
[8] Bei dieser Sachlage ist Entscheidungsgrundlage des Versäumungsurteils, dass der Kläger die klagsgegenständlichen Geschäfte mit der Beklagten als Unternehmer geschlossen hat, wovon bereits das Erstgericht ausgegangen ist.
[9] 3. Damit geht aber die Argumentation der Revision ins Leere, die Verträge seien wegen für den Kläger als Verbraucher missbräuchlicher Klauseln in den aktenkundigen Vertragsformblättern, die insbesondere das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verletzten, nichtig, was die Vorinstanzen aufgrund der Verbrauchereigenschaft des Klägers von Amts wegen zu prüfen gehabt hätten.
[10] 4. Gleiches gilt mangels im vorliegenden Fall zugrunde zu legender Verbrauchereigenschaft für das vom Kläger behauptete „Schneeballsystem“ iSd Anhangs Z 14 zu § 2 UWG. Dessen Vorliegen wurde im Übrigen von der Beklagten bestritten und von dieser gegenteiliges Tatsachenvorbringen zu Finanzierung und Funktion des Strukturvertriebs der Beklagten erstattet; Urkunden, aus denen sich logisch zwingend die Unrichtigkeit dieser und die Richtigkeit der diesbezüglichen Klagsbehauptungen ergäben, führt die Revision nicht an und sind auch nicht aktenkundig.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)