OGH 6Ob117/15x

OGH6Ob117/15x1.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 678.946,46 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. April 2015, GZ 4 R 1/15t‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00117.15X.0901.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Die gegenüber der Beklagten gewährleistungspflichtige Unternehmerin, die ihre diesbezüglichen Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat, leistete aufgrund der zwischen den Parteien im Gewährleistungsprozess ergangenen Entscheidung 3 Ob 183/10y an die Beklagte unter anderem 1.015.760,50 EUR an Deckungskapital und 607.376,81 EUR an Zinsen für den Zeitraum 5. 1. 2005 bis 21. 2. 2011 (insgesamt somit 1.623.137,31 EUR zuzüglich Kosten). Die Gesamtzahlungen an die Beklagte betrugen nach den Feststellungen der Vorinstanzen 1.712.542,61 EUR. Tatsächlich wendete die Beklagte für die Sanierung 1.022.203,37 EUR auf. Dazu kamen im Jahr 2013 weitere 77.712,52 EUR an Ingenieurleistungen und Eigenaufwendungen der Beklagten.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Rückzahlung eines Differenzbetrags von 678.946,46 EUR gerichtete und auf Bereicherungsrecht gestützte Klagebegehren ab; hinsichtlich der geleisteten Zinszahlungen sei deren Charakter als (pauschalierter) Schadenersatz mit bereicherungsrechtlichen Ansätzen unvereinbar.

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass (auch) bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (6 Ob 134/08m; 6 Ob 154/09d) der Berechtigte (hier: die Beklagte) nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Mängelbehebung einzusetzen; er hat vielmehr Anspruch auf das Deckungskapital (so auch die im Gewährleistungsprozess ergangene Entscheidung 3 Ob 183/10y). Dieser zu leistende Vorschuss ist zweckgebunden und verrechenbar. Er kann bei Übermaß zurückgefordert werden; verwendet der Berechtigte also den Vorschuss nicht oder nur teilweise zur Durchführung der Sanierung, kann der Unternehmer seine Leistung, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen übersteigt, nach § 1435 ABGB kondizieren (6 Ob 154/09d; 5 Ob 94/13d; vgl auch 2 Ob 117/09h).

2. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch erfasst ‑ schon rein rechnerisch und auch aufgrund der Ausführungen in der außerordentlichen Revision ‑ jene Zinsen, die die Unternehmerin der Beklagten aufgrund des im Gewährleistungsprozess ergangenen Urteils zu bezahlen hatte.

2.1. Die Rechtsgrundlage hiefür fand sich in § 1333 Abs 2 ABGB idF ZinsRÄG 2002 (3 Ob 183/10y); dass das ‑ (auch) dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende ‑ Vertragsverhältnis bereits aus den 90iger‑Jahren des vorigen Jahrhunderts datiert, spielte dabei mangels übergangsrechtlicher Bestimmungen des ZinsRÄG 2002 (vgl 2 Ob 253/06d) keine Rolle.

2.2. § 1333 Abs 2 ABGB galt generell für jede verspätete Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus einem unternehmerischen Geschäft, und zwar unabhängig davon, um welchen Vertragstyp es sich handelte (RIS‑Justiz RS0120608). Bei der Geltendmachung von Deckungskapital zur Mängelbehebung konnte die Verzinsung ab jenem Zeitpunkt gefordert werden, auf dem die Berechnung der Höhe der Behebungskosten beruhte (3 Ob 183/10y).

2.3. Wie sich bereits aus dem Text des § 1333 ABGB ergibt (vgl etwa Reischauer in Rummel , ABGB³ [2004] § 1333 Rz 18; Größ in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.00 [2010] § 1333 Rz 2), ist dessen Normzweck ein schadenersatzrechtlicher (ebenso Dullinger in Jabornegg/Artmann , UGB² [2010] § 352 Rz 5). Die Zinsen sollen den Schaden, den ein Gläubiger durch die Zahlungsverzögerung des Schuldners erlitten hat, pauschal abdecken, ohne dass es eines konkreten Schadensnachweises durch den Gläubiger bedarf ( Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 4 [2014] § 1333 Rz 4 unter Hinweis auf verstSenat 1 Ob 315/97y). Soweit in einzelnen Entscheidungen vertreten wurde, der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 1333 ABGB beruhe auf bereicherungsrechtlichen Gedanken (vgl RIS‑Justiz RS0031994), ist diese Auffassung jedenfalls seit dem ZinsRÄG 2002 überholt ( Reischauer aaO; Größ aaO).

2.4. Mit diesem Grundsatz der Schadenspauschalierung ist ‑ worauf Reischauer (aaO) zutreffend hingewiesen hat ‑ eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, wie sie hier der Klägerin vorschwebt, unvereinbar. Die der Beklagten zugesprochenen Zinsen sollten (pauschal) jenen Schaden abgelten, der ihr aus der verspäteten Zahlung des Deckungskapitals erwachsen war. Die Argumentation der Klägerin würde hingegen darauf hinauslaufen, dass die Beklagte diese Schadenersatzleistungen für die Sanierung des mangelhaften Werkes aufwenden hätte müssen, um welchen Betrag sich dann wieder die die Unternehmerin treffenden Mängelbehebungskosten verringern würden. Der von der Klägerin in der außerordentlichen Revision vertretenen Meinung, „der Zuspruch von Zinsen zu veranschlagten Sanierungskosten berücksichtig[ e ] die Kostensteigerung während der Dauer des Verfahrens beziehungsweise bis zur Durchführung der Sanierungsarbeiten, [ wobei ] nicht eingetretene Kostensteigerungen die Beklagte nicht als ihren Vorteil behalten [ könne ]“, steht die dargestellte Funktion des § 1333 ABGB entgegen, den Nachteil an der verspäteten Zahlung auszugleichen.

3. Die Vorinstanzen haben somit zutreffend das Leistungsbegehren abgewiesen, woran auch nichts zu ändern vermag, dass die Beklagte den von der Unternehmerin überwiesenen Gesamtbetrag buchhalterisch als Prozessgewinn verbuchte.

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