OGH 6Ob103/02v

OGH6Ob103/02v29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse S*****, vertreten durch Dr. Harald Sitta, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei (richtig:) Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Dr. Adolf S*****, vertreten durch die erbserklärten Erben 1. Margarita S*****,

2. Maria Theresia S*****, und 3. Maria Magdalena K*****, alle vertreten durch Winkler, Reich-Rohrwig, Elsner, Illedits Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, sowie 4. Katharina S*****, 5. Anna S***** und 6. Julia E*****, alle vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wegen 68.085,21 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 18. Jänner 2002, GZ 12 R 132/01x-16, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. April 2001, GZ 18 Cg 165/00t-11, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von den Erben Margarita S*****, Maria Theresia S*****, Maria Magdalena K*****, Katharina S*****, Anna S***** und Julia E***** auf die Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Dr. Adolf S*****, vertreten durch die genannten erbserklärten Erben berichtigt.

2. Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die Witwe des am ***** verstorbenen Dr. Adolf S*****. Dieser setzte in seinem Testament vom 15. 12. 1988 seine vier Töchter Margarita S*****, Maria Theresia S*****, Maria Magdalena K***** und Elisabeth E***** zu gleichen Teilen zu seinen Erbinnen ein und die Klägerin auf den Pflichtteil. Katharina S*****, Anna S***** und Julia E***** sind seine Enkelinnen und die Töchter der vorverstorbenen Elisabeth E*****. Die Töchter und Enkelinnen gaben am 18. 11. 1999 jeweils bedingte Erbserklärungen aufgrund des Testamentes zu den entsprechenden Quoten des Nachlasses ab. Die Erbserklärungen wurden vom Verlassenschaftsgericht angenommen. Eine Einantwortung des Nachlasses ist noch nicht erfolgt. Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche von 634.229,06 S einschließlich der von ihr getragenen Begräbniskosten sowie weiters eine von ihr im Verlassenschaftsverfahren angemeldete Forderung für von ihr beglichene Erblasserschulden und von ihr getätigte Aufwendungen auf den Nachlass von insgesamt 302.643,80 S, zusammen 936.872,86 S geltend. In ihrer Klage bezeichnete sie die sechs Erbinnen als Beklagte.

Diese wendeten in ihren Klagebeantwortungen unter anderem die mangelnde Passivlegitimation ein, weil die Klage gegen den Nachlass zu richten gewesen sei.

In ihrer Replik hiezu stellte die Klägerin die Parteibezeichnung dahin richtig, dass die Erben jeweils “als Vertreter des Nachlasses" geklagt würden.

Das Erstgericht schloss die Verhandlung nach dem Vortrag der Parteien und Verlesung des Verlassenschaftsaktes und wies das Klagebegehren mangels Passivlegitimation der Erben ab. Vor Einantwortung hafte ohne Rücksicht auf die Art der Erbserklärung nur der Nachlass. Die Haftung der Erben für Pflichtteilsansprüche, Erblasser- und Erbfallschulden setze die Einantwortung voraus.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es möge zwar sein, dass die Klägerin die Bezeichnung der Parteien dahin verdeutlicht habe, dass sie die Beklagten als Vertreterinnen des Nachlasses nach Dr. Adolf S***** in Anspruch nehmen wolle. Dies ändere aber nichts daran, dass sie ihr Klagebegehren unverändert gelassen habe, wonach sie die Beklagten zur ungeteilten Hand und uneingeschränkt auf Zahlung in Anspruch nehmen wolle und nicht etwa den Nachlass. Die Beklagten hafteten aber nach den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes für die Erblasser- und Erfallschulden mangels Einantwortung weder persönlich noch als Vertreter des Nachlasses. Im Übrigen dürfe die Änderung der Parteienbezeichnung nicht dazu führen, dass der Mangel der Sachlegitimation des als Kläger oder Beklagter bezeichneten Rechtssubjektes saniert werde. Da das Berufungsgericht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei, sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist jedoch zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält inhaltlich insbesondere die Ablehnung der Richtigstellung der Parteibezeichnung. Der Rekurs gegen einen solchen Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem klargestellt werden soll, wer Prozesspartei ist, ist ebenso wie ein Rekurs gegen eine Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren ungeachtet der Bestimmung des § 519 ZPO zulässig (SZ 62/43; 7 Ob 397/97a; 5 Ob 242/99w). Da sich die Revision vor allem dagegen richtet, das die von der Klägerin vorgenommene Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei als nicht zulässig betrachtet wurde, steht die Frage des Prozessrechtsverhältnisses noch nicht bindend fest. Die Klägerin hat zwar keinen förmlichen Berichtigungsantrag gestellt, die Parteibezeichnung tatsächlich aber in ihrem auf die Klagebeantwortung folgenden vorbereitenden Schriftsatz berichtigt. Diesen Schriftsatz ließ das Erstgericht unbeachtet. Es leitete die Klägerin auch nicht zu einer Anpassung des Urteilsbegehrens, das nach wie vor dahin lautete, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung zu verpflichten, an. Sollten die Vorinstanzen Zweifel gehabt haben, gegen wen sich die Klage nun tatsächlich richtet und wer zur Zahlung verpflichtet werden sollte, wäre der Klägerin die Möglichkeit zur Klarstellung zu geben gewesen. Nur für den Fall, dass die Klägerin nach Belehrung und entsprechender Erörterung darauf beharrt hätte, die sechs Erben persönlich in Anspruch nehmen zu wollen, wäre die Berichtigung unbeachtlich gewesen (2 Ob 156/01g). Die Klägerin hat aber den von den präsumtiven Erben erhobenen Einwand, dass vor der Einantwortung der Nachlass und nicht der Erbe zu klagen sei, zum Anlass einer Berichtigung der Parteibezeichnung dahin genommen, dass sie nun die Erben als Vertreter des Nachlass bezeichnete. Allein aus dem Umstand, dass das Klagebegehren in seiner bisherigen Fassung aufrechterhalten wurde, kann noch nicht auf ein Beharren darauf, die erbserklärten Erben persönlich in Anspruch nehmen zu wollen, geschlossen werden.

Es trifft zwar die Ansicht der Vorinstanzen und der Beklagten zu, dass die Erben vor der Einantwortung für die in der Klage erhobenen Ansprüche nicht persönlich haften. Bis zur Einantwortung sind derartige Ansprüche vielmehr gegen die Verlassenschaft zu richten (2 Ob 281/00p; Welser in Rummel ABGB I3 §§ 820, 821 Rz 1 ff mwN). Den Erben, deren Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist, ist jedoch grundsätzlich die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen (§ 145 Abs 1 AußStrG; § 810 ABGB). Mehreren Miterben ist die Verwaltung gemeinsam zu überlassen. Sie verwalten grundsätzlich zur ungeteilten Hand. Der Inhalt der Verwaltungsbefugnis besteht darin, dass die Erben den Nachlass bei allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten vertreten, wenn sie auch nicht selbst Partei sind und nicht selbst für die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft in Anspruch genommen werden können.

Bei der Auslegung von Prozessbehauptungen, die nach deren objektiven Erklärungswert vorzunehmen ist, kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszweckes und der dem Gericht und dem Gegner bekannten Prozess- und Aktenlage objektiv verstanden werden muss (RIS-Justiz RS0037416). Im Zweifel ist jener Variante der Vorzug zu geben, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen (1 Ob 2054/96g). Das Gericht hat ein versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren richtig zu fassen. Ein - auch amtswegig vorzunehmende Richtigstellungen ausschließendes - “Beharren" wäre nur dann zu bejahen, wenn der Einwand zum Gegenstand einer Erörterung genommen wäre und die Klägerin dennoch ihr Klagebegehren nicht geändert hätte (RIS-Justiz RS0037440). Im Hinblick auf die aufgezeigte Sach- und Rechtslage, die sowohl den in der Klage als Prozessgegner bezeichneten erbserklärten Erben als auch den Vorinstanzen geläufig war, war die Berichtigung der Parteienbezeichnung dahin zu verstehen, dass der Nachlass und nicht die Erben persönlich belangt werden sollten und die beibehaltene Mehrzahl im Urteilsbegehren sowie das Begehren auf Zahlung zur ungeteilten Hand als nunmehr unpassend und überflüssig zu entfallen haben.

Die Berichtigung der Parteibezeichnung selbst stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall keine unzulässige Parteiänderung dar. Erblasser und Erbe sind nach Abgabe der Erbserklärung in Beziehung auf Dritte, also auch in Beziehung auf das Gericht und allfällige Gegenparteien als dieselben Personen zu betrachten (SZ 48/86; 4 Ob 2316/96h). Es kann also kein Mangel der aktiven oder passiven Legitimation angenommen werden, wenn nach Abgabe der Erbserklärung, aber noch vor Einantwortung des Nachlasses, hinsichtlich der den Erblasser betreffenden Ansprüche ein Erbe statt der Verlassenschaft Ansprüche stellt oder belangt wird. Es hat vielmehr eine Berichtigung der Parteienbezeichnung stattzufinden (RIS-Justiz RS0005501). Prozesspartei ist nicht derjenige, der als Kläger auftritt oder als Beklagter bezeichnet wird, sondern derjenige, dessen Parteistellung sich aus dem gesamten Vorbringen ergibt. Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche sowie Forderungen gegen den Erblasser und aus ihrem behaupteten Aufwand für den Nachlass geltend. Es war sowohl den Beklagten als auch dem Gericht von Anfang klar, dass richtiger Weise die Klägerin gegen den Nachlass und nicht gegen die Erben persönlich vorgehen musste. Es liegen daher auch hier die von der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0039446) geforderten Voraussetzungen für eine Berichtigung der Parteibezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO vor.

Dies hat zur Folge, dass die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben sind, weil die in Wahrheit gegen die Verlassenschaft gerichteten Ansprüche der Klägerin von den Vorinstanzen noch keiner Prüfung unterzogen wurden. Mangels jeglicher Feststellungen zu den einzelnen Klageansprüchen ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache in Folge sekundärer Feststellungsmängel nicht möglich. Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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