OGH 5Ob96/13y

OGH5Ob96/13y20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** A.S., *****, vertreten durch Mag. Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** K*****, vertreten durch Mag. Thomas Nitsch und Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwälte in Mödling, wegen 6.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 19. März 2013, GZ 18 R 183/12h-35, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 19. Juni 2012, GZ 14 C 423/11z-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Bindung an einen in einer Teppichmanufaktur in der Türkei geschlossenen Kaufvertrag bestehe, bzw unter welchen Voraussetzungen dieser bekämpfbar sei, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; dies ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO - kurz - zu begründen:

1. Dass auf den vorliegenden Sachverhalt türkisches Sachrecht (türkisches Obligationengesetzbuch [tOGB aF]) anzuwenden ist, ist im Revisionsverfahren nicht strittig (vgl dazu 8 Ob 37/09p mwN; 5 Ob 162/11a).

2. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat nicht die Aufgabe, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (6 Ob 239/03w mwN ZfRV-LS 2004/9; 5 Ob 162/11a mwN ecolex 2012/131 = ZfRV-LS 2012/22). Bei Maßgeblichkeit fremden Rechts kann allerdings dann eine erhebliche Rechtsfrage vorliegen, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt wurde (1 Ob 33/01m mwN ZfRV 2001/68 = EFSlg 98.391; RIS-Justiz RS0042948) und/oder hiebei Subsumtionsfehler unterliefen, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtig gestellt werden müssen (3 Ob 32/08i mwN ZfRV-LS 2008/65 [Ofner]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

3. Zu Art 24 Z 3 tOGB aF (Fälle des Irrtums):

Die Feststellungen des Erstgerichts über das „Aushandeln“ des (Ver-)Kauf(s)preises (Herunterlizitieren vom ursprünglich genannten Preis) entspricht geradezu landestypischen Gepflogenheiten. Dass die Beklagte in einem Irrtum über sogenannte wertbildende Faktoren verfangen gewesen sei, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen und die Beklagte behauptet nicht einmal konkret, dass das Berufungsgericht Art 24 Z 3 tOGB aF entgegen herrschender ausländischer höchstgerichtlicher Rechtsprechung und/oder Lehre angewandt habe.

4. Zu Art 21 tOGB aF (Übervorteilung):

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das von Art 21 tOGB aF geforderte „offenbare Missverhältnis“ erst bei einer Wertdifferenz der wechselseitigen Leistungen von mindestens 50 % vorliege. Dass diese Rechtsansicht der ausländischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und/oder Lehre widerspräche, behauptet die Beklagte in ihrer Revision wiederum nicht. Die bezeichnete Wertdifferenz liegt nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts in casu nicht vor; soweit die Beklagte Gegenteiliges unterstellt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Schon aus diesem Grund vermag sich die Beklagte nicht erfolgreich auf Art 21 tOGB aF zu berufen, ohne dass es auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die Anwendung dieser Norm ankäme.

5. Zu Art 26 tOGB aF (fahrlässiger Irrtum):

Zu Art 26 tOGB aF fehlen neuerlich Revisionsausführungen der Beklagten, wonach das Rechtsverständnis dieser Norm durch das Berufungsgericht ausländischer höchstgerichtlicher Rechtsprechung und/oder Lehre widersprechen würde. Dass ein „allgemeines richterliches Mäßigungsrecht des türkischen Obligationenrechts“ der Beklagten zugute kommen könnte, wird nicht einmal substanziell nachvollziehbar behauptet.

6. Zum türkischen Verbraucherschutzrecht:

Diese selbstständige Rechtsgrundlage hat die Beklagte in ihrer Berufung nicht aufgegriffen; darauf ist daher im Revisionsverfahren nicht mehr einzugehen (RIS-Justiz RS0041570 [T8 und T12]).

7.1. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

7.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

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