OGH 5Ob95/18h

OGH5Ob95/18h12.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P*****, gegen die beklagte Partei Mag. P*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 10.186,27 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.000 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2018, GZ 5 R 204/17g‑32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 27. Oktober 2017, GZ 257 C 90/16f‑27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00095.18H.0612.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger hat die Beklagte im Zusammenhang mit einer einvernehmlichen Scheidung vertreten. In diesem Honorarprozess ist strittig, ob 1. sich die Bemessungsgrundlage (nach dem RATG) um eine (erfolglos) geforderte Bankgarantie über 100.000 Euro zur Sicherstellung von Kindesunterhalt erhöht, und 2. ein Teil des Honoraranspruchs mit einem Nachtzuschlag (iSd AHK) für mehrere Telefonate zu rechtfertigen ist.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich über Antrag des Klägers die Revision zur Klärung der ersten Frage zu, weil dazu keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die – beantwortete – Revision des Klägers ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Der Rechtsanwalt hat seinem Klienten gegenüber in erster Linie Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Besteht keine Vereinbarung, hat er Anspruch auf angemessenes Entgelt. Bei Ansprüchen, für die ein Tarif besteht, ist in der Regel nur der entsprechende Tarifsatz als angemessenes Entgelt anzusehen. Dabei kommt in erster Linie der Rechtsanwaltstarif in Betracht (RIS‑Justiz RS0038356). Die Rangfolge der Rechtsgrundlagen für das Anwaltshonorar lautet: 1. Parteienvereinbarung, 2. RATG, 3. angemessenes Entgelt, wobei jede Rechtsgrundlage die nachfolgende ausschließt (RIS‑Justiz RS0071999; 8 Ob 93/17k).

2. Die Parteien haben keine Honorarvereinbarung geschlossen. Das Honorar bemisst sich daher primär nach dem RATG.

3. Nach § 10 Z 4 lit a RATG ist der Streit‑ bzw der Verfahrensgegenstand in Ehesachen mit 4.360 EUR zu bewerten, wobei der Streitwert der mit dieser Streitigkeit verbundenen vermögensrechtlichen Ansprüchen hinzuzurechnen ist. Ansprüche auf Leistung von Kindesunterhalt sind gemäß § 9 Abs 3 Satz 1 RATG mit dem Einfachen der Jahresleistung zu bewerten.

4. Die Beklagte wollte im Zuge der Ehescheidung eine Bankgarantie über 100.000 EUR zur Sicherung des Kindesunterhalts und diese Regelung in den Scheidungsfolgenvergleich aufnehmen. Beides lehnte der Mann jedoch ab. Wie vom Berufungsgericht zu Recht argumentiert und vom Kläger auch nicht bezweifelt, besteht kein Anspruch eines Kindes auf Sicherung seines Unterhalts durch Erlag einer Bankgarantie. Die Bankgarantie war nicht Streit‑ bzw Verfahrensgegenstand der Ehescheidung oder des im Scheidungsfolgenvergleich geregelten Unterhaltsanspruchs des gemeinsamen minderjährigen Kindes. Das Begehren auf Kindesunterhalt ist ein einheitlicher Verfahrensgegenstand, der nach der ausdrücklichen Regelung des § 9 Abs 3 RATG mit der einfachen Jahresleistung zu bewerten ist, auch wenn neben dem laufenden Unterhalt rückständige Beträge begehrt werden. Der Rückstand ist nicht in die Bemessungsgrundlage einzurechnen (RIS‑Justiz RS0121989).

5. Die in der Revision zitierte Judikatur betrifft Fälle, in denen – anders als hier – die Bankgarantie selbst Entscheidungs‑ oder Verfahrensgegenstand war. Für Klagen auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie (1 Ob 214/00b; RIS‑Justiz RS0114182) oder auf Beibringung einer Bankgarantie (6 Ob 279/07h) bestimmte sich der Streitwert jeweils nach dem zugrundeliegenden Geldbetrag. Zum selben Ergebnis kam der Verwaltungsgerichtshof bei Bemessung der Gerichtsgebühren in einem Verfahren auf Unterlassung des bereits erfolgten Abrufs zweier Bankgarantien (VwGH 26. 2. 2004 2003/16/0125). Nach dieser Rechtsprechung sind Ansprüche im Zusammenhang mit Beibringung oder Abruf von Bankgarantien geldgleiche Ansprüche und deshalb nicht nach § 56 Abs 2 JN zu bewerten. Zu 10 Ob 511/88 setzte sich der Oberste Gerichtshof mit dem Streitwert überhaupt nicht auseinander. Diese Entscheidung spricht daher nicht für den Standpunkt des Klägers.

6. Das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs 3 RATG in Verbindung mit der Rechtsprechung zur einfachen Jahresleistung als Bemessungsgrundlage unabhängig von Unterhaltsrückständen. Eine erhebliche Rechtsfrage ist somit nicht zu beantworten.

7. Das RATG sieht unter TP 8 für Besprechungen aller Art (auch telefonische) ausdrücklich bezifferte Honoraransätze gestaffelt nach Streitwert vor. Diese Tarifsätze sind nach der Rangfolge der Rechtsgrundlage für das Anwaltshonorar (RIS‑Justiz RS0071999) die ausschließlich relevante Anspruchsgrundlage für den Honoraranspruch des Klägers, der mit seiner Mandantin keine Honorarvereinbarung getroffen hat. Den Autonomen Honarar-Kriterien (AHK) – zuvor: Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) – als qualifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen kommt nämlich erst mangels eines entsprechenden Tarifs Bedeutung zu (7 Ob 143/12y; RIS‑Justiz RS0038369; RS0038356 [T5]). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht dem Kläger im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Zuschlags nach § 16 AHK zu Unrecht einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot vorgeworfen hat.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Bei einem Revisionsinteresse von 7.000 EUR beträgt der Ansatz nach TP 3C 325 EUR.

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