European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00091.18W.0718.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ein von den Klägern behaupteter Schadenersatzanspruch in Höhe von je 20.000 EUR gegenüber dem Zweitbeklagten als Treuhänder, den sie damit begründen, dass dieser den von den Käufern ihrer Liegenschaftsanteile treuhändig erlegten Kaufpreis von 240.000 EUR vertragswidrig aufgrund nicht dem UStG entsprechender Rechnungen ausgezahlt habe. Ihnen sei dadurch die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug entgangen.
Das Erstgericht gab der Klage insoweit statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitbeklagten nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Zweitbeklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.1. Es könnte den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen, wenn das Berufungsgericht die Rechtsrüge unzutreffend als – weil nicht von den Feststellungen ausgehend – nicht gesetzesmäßig ausgeführt erachtet und deshalb ihre sachliche Behandlung verweigert (RIS‑Justiz RS0043231 [T9, T12]). Auch ein Verfahrensmangel nach § 503 Z 2 ZPO kann aber nur dann zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts führen, wenn er wesentlich für die Entscheidung war und sich auf diese auswirken konnte (RIS‑Justiz RS0116273). Dies ist hier nicht der Fall.
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Erkennbarkeit des Schadens Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist (RIS‑Justiz RS0034366); die bloße Möglichkeit zur Ermittlung maßgebender Tatsachen ersetzt deren Bekanntsein nicht; nur die Kenntnis von Umständen, aufgrund derer der Geschädigte die einem bestimmten Ersatzpflichtigen zurechenbare Schadensursache ohne nennenswerte Mühe hätte in Erfahrung bringen können, würde ausreichen. Dann gilt die erörterte Kenntnis in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS‑Justiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]).
1.3. Eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende (RIS‑Justiz RS0034524 [T22]) und nicht zu überspannende (RIS‑Justiz RS0034603 [T22]) Erkundigungspflicht des Geschädigten ist hier nicht zu erkennen. Sie ergibt sich nicht schon daraus, dass der Steuerberater der Kläger bei ihnen in den Jahren 2012 bis 2014 immer wieder nachfragte, wo die Rechnungen über die im Haus durchzuführenden Arbeiten seien. Diese Rückfragen allein waren kein Anlass für die Kläger davon auszugehen, der Zweitbeklagte könnte den Treuhanderlag aufgrund unzureichender Rechnungen bereits ohne Zustimmung der Kläger ausbezahlt haben. Dass die Arbeiten am Dachgeschoss bereits 2012 begonnen worden waren, ändert daran nichts, war doch nach der Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag der Dachgeschossausbau allein Sache des Käufers. Nur die in der Zusatzvereinbarung genannten Arbeiten an den allgemeinen Teilen des Hauses waren von den Klägern als Verkäufer im Ausmaß des Kaufpreises mitzufinanzieren. Damit wurde nach den Feststellungen aber erst im Jahr 2014 begonnen, sodass die Kläger vor dem Frühjahr 2015 keinen Anlass hatten anzunehmen, der Zweitbeklagte habe die für die Finanzierung dieser Sanierungsarbeiten vorgesehenen treuhändig erlegten Gelder bereits ohne ihr Wissen ausbezahlt, bevor die Erhaltungsarbeiten an den allgemeinen Teilen des Hauses überhaupt fertiggestellt waren. Dass sich das Berufungsgericht mit der Verletzung der Erkundigungsobliegenheit der Kläger nicht explizit auseinandergesetzt hat, bildet somit keinen relevanten Verfahrensmangel. Der Beginn der Verjährungsfrist ist vielmehr mit dem Zeitpunkt der Kenntnis der Kläger von der Auszahlung der treuhändig erlegten Gelder anzusetzen.
2.1. Ob überschießende Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher zu berücksichtigen sind, ist– abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz – eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0037972 [T15, T16], RS0112213 [T2]). Eine solche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor.
2.2. Die Kläger behaupteten bereits in der Klage, ihnen wären die Rechnungen der die Arbeiten Ausführenden nach Rechnungslegung, aber vor Befriedigung vom Treuhänder zur Stellungnahme und Freigabe vorzulegen gewesen. Diesfalls hätten sie darauf hingewiesen, dass sie nicht § 11 UStG entsprachen und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, und dass die den Rechnungen zugrunde liegenden Leistungen teilweise überhaupt nicht, teilweise mangelhaft erbracht worden seien. Zweck des Punktes 4 lit b des Kaufvertrags sei es gewesen, den Kaufpreis über Rechnungsvorlage seitens der Kläger und nach Einholung der Zustimmung der Käufer für Sanierungsarbeiten gemäß gesonderter Vereinbarung nach Maßgabe der Rechnungssumme freizugeben und die Zahlung zu leisten.
2.3. Dass es das Berufungsgericht als in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes fallend ansah, dass den Klägern durch die treuwidrige Auszahlung des Kaufpreises die Möglichkeit genommen wurde, einen anderen Professionisten zu beauftragen, der die Arbeiten nicht nur ordnungsgemäß ausgeführt, sondern auch eine § 11 UStG entsprechende Rechnung gelegt hätte, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.
3.1. Fragen des hypothetischen Kausalverlaufs im Fall der Schädigung durch Unterlassung (vgl RIS‑Justiz RS0022700) stellen sich nicht, entstand der Schaden der Kläger hier doch durch aktives Tun des Zweitbeklagten, nämlich die Auszahlung des treuhändig erlegten Kaufpreises entgegen den Bestimmungen der Treuhandabrede.
3.2. Nach der jedenfalls vertretbaren, am Wortlaut des Kaufvertrags samt Zusatzvereinbarung ./A orientierten Auslegung des Berufungsgerichts erklärten die Kläger, sich an der Sanierung und Finanzierung des „hausseitigen Teils“ der Arbeiten mit dem Kaufpreis von brutto 240.000 EUR zu beteiligen, die auf sie entfallenden Arbeiten in diesem Umfang in Auftrag zu geben und auch zu bezahlen. Den Kaufpreis hätte der Zweitbeklagte als Treuhänder gemäß Punkt 4 der Zusatzvereinbarung ./A aber erst über Rechnungsvorlage seitens der verkaufenden Parteien – somit der Kläger – und Einholung der Zustimmung der kaufenden Partei für Sanierungsarbeiten nach Maßgabe der Rechnungssumme freigeben und Zahlung leisten dürfen. Diese Voraussetzungen waren bei Auszahlung des treuhändig erlegten Kaufpreises durch den Zweitbeklagten nicht erfüllt.
3.3. Dass aber durch dieses vertragswidrige aktive Tun den Klägern die Möglichkeit genommen wurde, ihrerseits Professionisten mit den Sanierungsarbeiten zu beauftragen und/oder eine dem § 11 UStG entsprechende Rechnung zwecks Vorsteuerabzug darüber zu erhalten, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Erörterung. Einer besonderen Darstellung des hypothetischen Kausalverlaufs im Vorbringen der Kläger bedurfte es nach der vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts somit nicht.
4.1. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt bei der Abwicklung einer mehrseitigen Treuhandschaft seiner hohen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, hat nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, weil es dabei immer auf die jeweilige konkrete Treuhandvereinbarung ankommt (RIS‑Justiz RS0107573). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen.
4.2. Es mag zwar sein, dass – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – der Zweitbeklagte als Treuhänder nicht verpflichtet war, eine Rechnungsprüfung etwa in Bezug auf Angemessenheit oder Qualität der erbrachten Bauleistungen vorzunehmen. Dies ändert aber nichts daran, dass sich aus der überbundenen Treuhandabrede eindeutig ergab, dass die über die von den Klägern zu tragenden Arbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses– ausgenommen Dachgeschossausbau – in Höhe von 240.000 EUR zu legenden Rechnungen der Geltendmachung der dort enthaltenen Vorsteuer durch die Kläger dienen sollten. Nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts wäre es daher Sache des Zweitbeklagten als mehrseitigen Treuhänders gewesen, den Umstand, dass die vorgelegten Rechnungen nicht § 11 UStG entsprachen, im Interesse der Kläger wahrzunehmen und eine – der Treuhandabrede nicht entsprechende – Zahlung im Zweifel nicht ohne weitere Abklärung mit den Klägern vorzunehmen (vgl RIS‑Justiz RS0010417; RS0038753).
4.3. Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dem Zweitbeklagten hätte es auffallen müssen, dass die Rechnungen der Sanierungsfirma zwar formal an die Kläger ausgestellt waren, aber sichtlich ohne deren Einbeziehung zu Handen der Zweiterwerberin gelegt wurden, dies darüber hinaus ohne weitere Aufschlüsselung exakt in Höhe des insgesamt erlegten Treuhandbetrags und das zu einem Zeitpunkt, als die Arbeiten an den allgemeinen Teilen des Hauses noch nicht einmal begonnen worden waren, bedarf im Hinblick auf die Verpflichtung des mehrseitigen Treuhänders zur bestmöglichen Wahrung der Interessen aller Treugeber (RIS‑Justiz RS0107334) keiner Korrektur im Einzelfall.
5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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