Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die im Kopf der Entscheidung angeführten Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Die Einleitung des Verfahrens nach §§ 21, 28 LiegTeilG iVm § 461 Geo obliegt dem Erstgericht.
Text
Begründung
Am 5. 8. 2002 übermittelte das Vermessungsamt V***** dem Erstgericht die Planurkunde GZ 127/93 vom 27. 9. 1993 zur Verbücherung nach §§ 15 ff LiegTeilG. Das Begleitschreiben bezog sich auf "die durch die Herstellung der Anlage H***** herbeigeführten Besitzänderungen"; außerdem wurde darin "gemäß § 16 LiegTeilG nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse bestätigt, dass es sich um eine Straßen-, und Wasserbauanlage handelt".
Mit Beschluss vom 2. 10. 2003 (ON 33) bewilligte das Erstgericht im dritten Rechtsgang die Verbücherung der mitgeteilten Besitzänderungen. Die jetzigen Rechtsmittelwerber sind davon insofern betroffen, als hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ ***** folgende Grundbuchshandlungen angeordnet wurden:
a) die Teilung des Grundstücks 985/5 in dieses und die Grundstücke 985/22 und 985/23;
b) die lastenfreie Abschreibung der Grundstücke 985/22 und 985/23 zur EZ 485 (Eigentümerin Wilhemine H*****
c) die lastenfreie Abschreibung des Teilstücks 2 aus dem Grundstück 985/5 zur EZ 1046 (Marktgemeinde F*****
e) die lastenfreie Abschreibung des Teilstücks 8 aus dem Grundstück 985/5 zur EZ 1045 (Republik Österreich, öffentliche Gewässer).
Die vorangegangenen Rechtsgänge hatten vor allem der Klärung der Frage gedient, ob der Wert der Grundstücke gemäß §§ 17, 18 Abs 3 LiegTeilG eine amtswegige Verbücherung der Änderungen im vereinfachten Verfahren zulässt.
Das von den nunmehrigen Rechtsmittelwerbern angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sah als klärungsbedürftig an, ob auch im Verfahren nach § 15 ff LiegTeilG der Nachweis einer Aufhebung oder Einschränkung der Widmung zum Gemeingebrauch zu fordern ist, wenn im Zuge der Herstellung einer Weg- oder Wasserbauanlage öffentliches Gut den Besitzer gewechselt hat. Im ersten Rechtsgang hatte es diese Frage im Anlassfall verneint, weil lediglich ein Weg verlegt und das öffentliche Wassergut sogar vergrößert wurde, sodass es zu keiner Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs gekommen sei (ON 15).
In der Begründung des angefochtenen Beschlusses beschäftigte sich das Rekursgericht sehr eingehend mit verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Problemen der Grundstücksbewertung. Es kann insoweit auf die Seiten 5 bis 13 der ON 37 verwiesen werden. Ein weiterer Gegenstand der rechtlichen Erörterung war die Frage, ob die vom Vermessungsamt V***** eingereichte Planurkunde den Anforderungen der §§ 34 und 39 VermG entspricht, was vom Rekursgericht bejaht wurde. Auf beide Themen ist hier nicht weiter einzugehen, weil der Verbücherung des Anmeldungsbogens - wie noch auszuführen sein wird - ein Hindernis entgegensteht, das allen übrigen Anfechtungsgründen die Entscheidungsrelevanz nimmt.
Mit dem jetzt vorliegenden Revisionsrekurs streben die Antragsteller primär die Zurück- oder Abweisung des Verbücherungsantrags des Vermessungsamtes V***** an. Hilfsweise haben sie beantragt, das Verfahren zu unterbrechen, bis über ihre Anträge an die Wasserrechtsbehörde und das beim Erstgericht zu 4 Nc 59/00d anhängige Grenzfestsetzungsverfahren entschieden ist; außerdem enthält der Revisionsrekurs noch ein Aufhebungsbegehren.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und iS seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Einen Hinderungsgrund für die vereinfachte Verbücherung der Besitzänderungen, die sich laut Anmeldungsbogen im Zuge der Herstellung der Anlage H***** ergeben haben, sehen die Rechtsmittelwerber ua darin, dass Grundstücksreste, die durch die Anlage vom Stammgrundstück 985/5 abgeschnitten wurden, ohne für die Anlage Verwendung zu finden (es geht um die neuen Grundstücke 985/22 und 985/23), nicht beim ursprünglichen Grundbuchskörper (also im Besitzstand der Rechtsmittelwerber) blieben, sondern der Liegenschaft einer Nachbarin (EZ ***** im Eigentum der Wilhemine H*****) zugeschrieben werden sollen.
Dieser Umstand verhindert tatsächlich die Verbücherung der mitgeteilten Besitzänderungen im vereinfachten Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG.
Aus der vorgelegten Planurkunde ergibt sich, dass es sich bei den neu zu bildenden Grundstücken 985/22 und 985/23 KG ***** um Grundstücksreste iSd § 15 Z 3 LiegTeilG handelt. Derartige Grundstücksreste nehmen bei der Verbücherung von Straßen-, Weg- und Wasserbauanlagen nach §§ 15 ff LiegTeilG eine Sonderstellung ein, weil sie nicht für die Anlage (etwa einen Weg oder Wasserlauf) verwendet worden, sondern von ihr nur mittelbar (durch die Abschneidung vom jeweiligen Stammgrundstück) betroffen sind. Sie unterliegen zwar den genannten Verbücherungsvorschriften, die vorsehen, dass die durch die Anlage herbeigeführten Besitzänderungen unter bestimmten Voraussetzungen sofort, von Amts wegen und - unbeschadet sonstiger Voraussetzungen - ohne Zustimmung der Eigentümer oder Buchgläubiger bücherlich durchzuführen sind (§ 18 Abs 1 LiegTeilG), aber nur dann, wenn für sie keine neue Grundbuchseinlage eröffnet werden muss (§ 18 Abs 1 letzter Satz LiegTeilG). Diese Einschränkung erklärt auch, warum für die vereinfachte Verbücherung der Änderungen, die sich durch die Herstellung einer Weg- oder Wasserbauanlage für Grundstücksreste ergeben, keine Wertgrenze vorgesehen wurde (§ 18 Abs 1 erster Satz LiegTeilG).
Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber offenbar generell verhindern, dass Grundstücksreste, die für die Anlage nicht gebraucht wurden, aber durch sie ihre Verbindung zum Stammgrundstück verloren haben, im vereinfachten Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG vom bisherigen Grundbuchskörper ab- und einem anderen Grundbuchskörper zugeschrieben werden (vgl Twaroch, Die Herstellung der Kataster- und Grundbuchsordnung nach Straßen- und Wasserbaumaßnahmen, NZ 1991, 121 ff, Abschnitt III). Das zielt auf den Schutz jener, die bücherliche Rechte am fraglichen Restgrundstück erworben haben. In ihre Rechte soll ohne unbedingte Notwendigkeit (wie sie sich bei der direkten Verwendung von Grundstücken für die Weg- oder Wasserbauanlage ergibt) nicht eingegriffen werden (vgl 5 Ob 30/84 = JBl 1985, 368 mit Anm von Kurt Böhm). Der OGH ist daher bereits der von der Lehre stets als sehr problematisch angesehenen Praxis einiger Grundbuchsgerichte entgegen getreten, Grundstücksreste mit anderen Liegenschaften des betroffenen Eigentümers zu vereinigen, um das Grundbuch übersichtlicher zu machen (5 Ob 30/84; 5 Ob 52/92 = NZ 1993, 290/283 mit Anm von Hofmeister; siehe auch Hofmeister zu NZ 1992, 79/225 [KG Krems]). Gleiches hat, wenn man den vom Gesetz intendierten Schutz der Buchberechtigten im Auge behält, für die Zuschreibung eines Grundstücksrestes zur Liegenschaft eines anderen Eigentümers zu gelten (vgl Kienast, Die Aufgabe der Vermessungsämter bei den Sonderverfahren nach den §§ 13 und 14 und den §§ 15 bis 22 LiegTeilG, NZ 1996, 1 ff, Abschnitt II). Für eine solche Grundbuchshandlung bieten die Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG keine Rechtsgrundlage.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Bestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG restriktiv auszulegen sind. Nur so ist die Verfassungskonformität der Regelung - insbesondere im Hinblick auf den Eigentumsschutz - zu wahren (vgl 5 Ob 101/01s = AGS 2002/536 mit Anm von Hoyer; 1 Ob 7/01p = RZ 2002/27). Ist nur eine der in §§ 15 ff LiegTeilG normierten Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht erfüllt, kann die Verbücherung der Rechtsänderungen nur nach den strikten Vorgaben des GBG erfolgen (§§ 21, 28 LiegTeilG).
Die Unzulässigkeit der vereinfachten Zuschreibung jener Grundstücksreste, die durch die verfahrensgegenständliche Anlage vom Stammgrundstück 985/5 der Rechtsmittelwerber abgeschnitten wurden (985/22 und 985/23), zur Liegenschaft einer Nachbarin (EZ *****) steht auch allen übrigen vom Erstgericht bewilligten Grundbuchseintragungen entgegen. Nach der Judikatur bestehen zwar keine Bedenken gegen die nur teilweise Verbücherung eines Anmeldungsbogens (in Ansehung einzelner Grundbuchskörper), wenn insoweit keine Hinderungsgründe vorliegen (5 Ob 141/98s = NZ 1998, 412/433 mit teils krit Anm von Hoyer), doch ist gerade bei der Behandlung von Grundstücksresten, die sich ja erst aus der Verbücherung der Besitzänderung ergeben können (5 Ob 292/61 = RPflSlgG 413), daran festzuhalten, alle Besitzänderungen in einer Katastralgemeinde, die sich durch den Bau einer Weg- oder Wasserbauanlage ergeben, einer gemeinsamen Erledigung zuzuführen (vgl Twaroch aaO, Abschnitt V). Ein Verbücherung der gegenständlichen Planurkunde (die im Übrigen die Trennstücke 9, 10 und 11 unberücksichtigt ließ, ohne hiefür einen Grund anzuführen) kommt daher wegen des die Restgrundstücke 985/22 und 985/23 betreffenden Hindernisses insgesamt nicht in Frage.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Rechtsmittelwerber vertraglich dazu verpflichtet haben (und auch schon verurteilt wurden: siehe dazu die Entscheidung des Erstgerichts vom 25. 11. 1994, GZ 2 C 212/94a-23), die genannten Restgrundstücke der Wilhemine H***** zu übereignen (die ihrerseits Grundstücke an die Rechtsmittelwerber übertragen soll). Der Zweck der Regelung, die grundbücherliche Zuschreibung von Grundstücksresten, die nicht für die Weg- oder Wasserbauanlage verwendet wurden, zu einem anderen Grundbuchskörper nicht im vereinfachten Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG, sondern nach den Vorschriften des GBG abzuwickeln, greift nämlich auch hier. Die an Grundstücksresten bücherlich Berechtigten sollen nicht Gefahr laufen, durch den für die Verbücherung eines Anmeldungsbogens typischen originären Eigentumserwerb (vgl zuletzt 3 Ob 2406/96m = SZ 70/265) einen Rechtsnachteil zu erleiden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Das Erstgericht wird gemäß §§ 21, 28 LiegTeilG dafür Sorge zu tragen haben, dass die vom Vermessungsamt V***** mitgeteilten Besitzänderungen (die ihrerseits Eigentumsänderungen vermuten lassen) verbüchert werden. Diese im Gesetz vorgesehene Konsequenz bei der Feststellung des Fehlens einer Voraussetzung für die vereinfachte Verbücherung nach §§ 15 ff LiegTeilG erübrigt es, auf die sonst noch im Revisionsrekurs vorgetragenen Argumente einzugehen.
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