European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00086.22S.0719.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile – Vater und Sohn – sind Miteigentümer einer Liegenschaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung, in eventu sei die Miteigentumsgemeinschaft durch Realteilung aufzuheben. Teilungshindernisse lägen nicht vor, auch habe er nie auf sein Recht, Teilung zu begehren, verzichtet.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Haupt‑ und des Eventualbegehrens durch das Erstgericht und ging wie dieses davon aus, dass sich der Kläger zur Fortsetzung der Gemeinschaft verpflichtet und damit auf die Geltendmachung seines Teilungsanspruchs verzichtet habe. Ein wichtiger Grund, der den Kläger zur Auflösung der Fortsetzungsvereinbarung berechtigte, liege nicht vor.
[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen kann. Das ist kurz zu begründen.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1 Die Teilhaber einer Miteigentumsgemeinschaft können verbindlich eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gemeinschaft eingehen (RIS‑Justiz RS0013344 [T4]) und damit auf die Geltendmachung des Teilungsanspruchs verzichten (5 Ob 99/20z; 5 Ob 87/20k mwN). Eine solche Fortsetzungsvereinbarung iSd § 831 ABGB kann nicht nur ausdrücklich getroffen werden, sondern auch stillschweigend durch schlüssige Handlung gemäß § 863 Abs 1 ABGB zustande kommen (5 Ob 99/20z mwN).
[5] 1.2 Die Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft kann wie jedes andere Dauerschuldverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden, wenn die weitere Erfüllung – aus wichtigen, objektiven (die gemeinschaftliche Sache betreffenden) oder aus subjektiven (die Personen einzelner Teilhaber betreffenden) Gründen (dazu RS0013260) – unmöglich oder unzumutbar wird (RS0098749). Die Behauptungs- und Beweislast für derartige wichtige Gründe trifft den auf die Auseinandersetzung dringenden Teilhaber (RS0013369; RS0013260 [T2]). Dieser muss konkrete Umstände behaupten und beweisen, aus denen die Bindung zur Fortsetzung der Gemeinschaft entfällt (5 Ob 99/20z mwN). Ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass der Lösung dieser Frage regelmäßig keine Bedeutung gemäß dem § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0111817).
[6] 2.1 Der Kläger wendet sich in seinem außerordentlichen Rechtsmittel inhaltlich nicht mehr gegen die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Abrede der Streitteile, die Liegenschaft solle bis zum Tod des Klägers – wie bisher – gemeinsam genutzt werden und der Anteil des Klägers dann an den Beklagten fallen, um eine „Aufsplittung“ der Liegenschaft zu vermeiden, als (konkludente) Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft im Sinn des § 831 ABGB zu werten sei. Er meint aber, das Berufungsgericht habe – zusammengefasst – sein Vorbringen im Schriftsatz vom 15. 6. 2021 zu Unrecht nicht beachtet. Darin habe er wichtige Gründe für die vorzeitige Auflösung der Fortsetzungsvereinbarung ins Treffen geführt.
[7] 2.2 Das Berufungsgericht hat seinen Schriftsatz nicht bloß erwähnt, wie er meint, sondern ausführlich dargelegt, inwieweit darin wichtige Gründe zur vorzeitigen Auflösung der Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft geltend gemacht wurden. Dabei unterzog es entgegen der Darstellung des Klägers in seinem außerordentlichen Rechtsmittel den Umstand, dass der Beklagte einzelne Räume im Haus versperrte, einer rechtlichen Beurteilung. Auch sein Vorbringen, der Beklagte hätte ihn in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren als geschäftsunfähig bezeichnet und ein Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters angeregt, hat es entgegen seiner Darstellung nicht als unzulässige Neuerung (gemäß § 482 ZPO) beurteilt, sondern sich damit inhaltlich auseinandergesetzt. Inwieweit seine rechtliche Schlussfolgerung, dass darin vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des Einzelfalls keine die Auflösung der Fortsetzungsvereinbarung rechtfertigenden Gründe zu erblicken seien, einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann der Kläger mit seiner Behauptung, dieses Vorbringen sei unberücksichtigt geblieben und das Berufungsgericht hätte bei dessen Berücksichtigung zum gegenteiligen Ergebnis kommen müssen, daher nicht darlegen. Soweit er in diesem Zusammenhang geltend macht, die Vorinstanzen hätten aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung keine Feststellungen getroffen, welche Räume ihm verblieben seien, zeigt er nicht auf, zu welcher für ihn günstigeren Beurteilung eine solche Feststellung führen hätte sollen. Dass ihm die Benützung der Liegenschaft in dem ihm zustehenden Ausmaß deswegen unmöglich gewesen sei, hat er im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.
[8] 2.3 Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, bildet regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 [T1]). Der Kläger hat sein Vorbringen im Schriftsatz vom 15. 6. 2021 ausdrücklich als „Replik zu den angeblichen Teilungshindernissen“ bezeichnet. Wenn das Berufungsgericht, das sich – wie dargelegt – mit diesen Vorbringen ausführlich auseinandersetzte, in Anbetracht dessen weiteres Vorbringen des Klägers zum Thema seiner Geschäftsfähigkeit nicht mehr der Geltendmachung wichtiger Gründe zuzuordnen vermochte, kann darin keine im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.
[9] 2.4 Der Umstand, dass der Kläger bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die mit der Liegenschaft verbundenen Kosten alleine getragen hat, beruhte nach den Tatsachenfeststellungen auf einer einvernehmlichen Regelung der Streitteile. Inwieweit darin ein wichtiger Grund liegen soll, der ihn zur Auflösung der Fortsetzungsvereinbarung berechtigen könnte, ist damit nicht zu erkennen.
[10] 3. Es mag zutreffen, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 3 Ob 46/20s ausgeführt hat, dass Beleidigungen gegenüber verschiedenen Personen eine Vernachlässigung der Dankespflicht sind, die zum Widerruf der Schenkung einer Immobilie führen könne. Warum diese konkrete, ebenfalls auf den Einzelfall bezogene Wertung zu gesetzlichen Widerrufsgründen einer Schenkung für den vorliegenden Fall von Bedeutung sein soll, in dem das Vorliegen wichtiger Gründe für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses fraglich ist, ist nicht zu erkennen; auch der Kläger versucht in seiner Revision einen solchen Zusammenhang nicht herzustellen.
[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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