European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00060.15G.0619.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung im Verfahren zu AZ 9 MSch 4/11h aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens zu AZ 9 MSch 4/11h des Erstgerichts.
Begründung:
Das Erstgericht trug mit Sachbeschluss vom 28. 8. 2007, GZ 9 MSch 19/05f‑34, den Antragsgegnern (= Vermieter) gemäß § 37 Abs 1 Z 2, § 6 Abs 2 MRG die Vornahme von Erhaltungsarbeiten auf und bewilligte mit Sachbeschluss vom 2. 1. 2013, GZ 9 MSch 19/05f‑87, die Zwangsverwaltung der Liegenschaft zur Durchführung näher bezeichneter Arbeiten.
Die Parteien dieses Verfahrens sind auch die Parteien des vom Erstgericht zu AZ 9 MSch 4/11h ebenfalls gemäß § 37 Abs 1 Z 2, § 6 Abs 2 MRG geführten Verfahrens. Dort trug das Erstgericht den Antragsgegnern mit Sachbeschluss vom 6. 4. 2012, GZ 9 MSch 4/11h‑17, teilweise abgeändert mit Sachbeschluss des Rekursgerichts vom 30. 4. 2013, GZ 40 R 211/12v‑23, weitere Erhaltungsarbeiten auf.
Der Antragsteller (= Mieter) begehrte mit seinem am 7. 4. 2014 zu AZ 9 MSch 19/05f eingebrachten Antrag, das Erstgericht möge „dem (hier bestellten) Zwangsverwalter den Auftrag bzw die Weisung erteilen, auch die in der Entscheidung 9 MSch 4/11h (des Erstgerichts) (40 R 211/12v [des Rekursgerichts]) (den Antragsgegnern) aufgetragenen Erhaltungsarbeiten durchzuführen“.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass ihn der Antragsteller im Verfahren zu AZ 9 MSch 4/11h (des Erstgerichts) hätte stellen müssen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es die Zwangsverwaltung der Liegenschaft (auch) zur Durchführung der im Sachbeschluss des Erstgerichts vom 6. 4. 2012, GZ 9 MSch 4/11h‑17, iVm dem Sachbeschluss des Rekursgerichts vom 30. 4. 2013, GZ 40 R 211/12v‑23, rechtskräftig aufgetragenen Arbeiten bewilligte. Weiters trug es dem bereits im vorliegenden Verfahren bestellten Verwalter auf, die Verwaltung auch hinsichtlich dieser Arbeiten zu führen. Rechtlich war das Rekursgericht ‑ zusammengefasst ‑ der Ansicht, dass sich aus § 100 EO der Grundsatz der Einheit des Verwertungsverfahrens ergebe, wonach betreffend dieselbe Liegenschaft oder denselben Liegenschaftsanteil nur eine Zwangsverwaltung geführt werden solle. Dies müsse auch dann gelten, wenn nicht mehrere Gläubiger einschritten, sondern ‑ wie hier ‑ ein betreibender Gläubiger weitere Ansprüche geltend mache. Der vorliegende Antrag sei als „Beitritt“ zur bereits bewilligten Zwangsverwaltung zu werten und, wie sich dies dem § 6 Abs 2 MRG entnehmen lasse, bei dem die Zwangsverwaltung bereits führenden Gericht zu stellen oder gemäß § 44 JN an dieses zu überweisen. Als Vorfrage sei allerdings zu klären, ob die aufgetragenen Arbeiten bereits durchgeführt worden seien. Die Antragsgegner hätten in ihrer Rekursbeantwortung allerdings ohnehin nur ausgeführt, dass die Arbeiten lediglich zum Teil bereits erfolgt seien. Unabhängig davon, ob ‑ wie von den Antragsgegnern behauptet ‑ der Antragsteller den Abschluss der Arbeiten verhindert habe, müsse der Zwangsverwalter jedenfalls die noch nicht durchgeführten Arbeiten veranlassen, weshalb die Zwangsverwaltung zu bewilligen gewesen sei.
Das Rekursgericht sprach ‑ über Auftrag des erkennenden Senats (5 Ob 221/14g) ‑ aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem diese sinngemäß die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsverwaltung anstreben. Hilfsweise stellen die Antragsgegner auch einen Aufhebungsantrag.
Der Antragsteller erstattete eine ihm freigestellte Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs der Antragsgegner nicht zuzulassen bzw diesem nicht stattzugeben und den Beschluss des Rekursgerichts vollinhaltlich zu bestätigen.
Der Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls unzulässig (5 Ob 221/14g), sondern zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und in seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltung‑ oder Verbesserungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG ist gemäß § 6 Abs 2 MRG ein Exekutionstitel, der nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen.
2. Betreffend die Bewilligung der Zwangsverwaltung aufgrund eines Auftrags nach § 6 Abs 1 MRG gelten die Regelungen des § 6 Abs 2 MRG und die Vorschriften des AußStrG, nicht aber generell jene der EO. Nur soweit § 6 Abs 2 MRG keine Sonderregelungen vorsieht, sind im Übrigen die §§ 98, 99, 103, 108‑121, 130 und 132 EO sinngemäß anzuwenden (vgl 5 Ob 3/11v wobl 2012/36).
3. Über den Exekutionsantrag nach § 6 Abs 2 MRG entscheidet das im § 37 Abs 1 MRG bestimmte Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen, es sei denn, dass für das Haus bereits eine Zwangsverwaltung nach §§ 97 ff EO anhängig ist.
4. Die Zwangsverwaltung gemäß § 6 Abs 2 MRG ist Fortsetzung des Titelverfahrens (5 Ob 2241/96m). Über die Bewilligung ist daher im Titelverfahren (im Titelakt) zu entscheiden. Dieses Verfahrensverständnis ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil vor der Bewilligung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG die ‑ noch anzusprechende ‑ Prüfung erforderlich ist, ob die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten tatsächlich unterblieben ist (RIS‑Justiz RS0116300), welche Prüfung verfahrensökonomisch sinnvoll im Titelakt und nicht etwa in einem die Durchsetzung anderer Arbeiten betreffenden Verfahrensakt vorzunehmen ist.
5. Die Antragstellung unter dem AZ des vorliegenden Akts und nicht im Titelakt rechtfertigt allerdings die vom Erstgericht vorgenommene Antragsabweisung nicht. Aus den aus § 10 Abs 4 AußstrG und § 44 JN für das wenig formstrenge Außerstreitverfahren ableitbaren Grundgedanken folgt vielmehr, dass der inhaltlich die Zwangsverwaltung zur Durchführung der zu AZ 9 MSch 4/11h aufgetragenen Arbeiten anstrebende Antrag in diesem Titelakt zu erfassen ([erforderlichenfalls] an die Abteilung, die den Titelakt führt, abzutreten) und dort zu entscheiden ist.
6. Vor der Bewilligung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG ist allerdings ‑ wie bereits angesprochen ‑ zu prüfen, ob die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten tatsächlich unterblieben ist (RIS‑Justiz RS0116300). Dem hat das Rekursgericht insofern nicht entsprochen, als es ohne materielle Prüfung die Zwangsverwaltung zur Durchführung ‑ aller ‑ im Verfahren des Erstgerichts zu AZ 9 MSch 4/11h aufgetragenen Arbeiten bewilligte, obwohl die Antragsgegner in ihrer Rekursbeantwortung behauptet hatten, einen Teil der Arbeiten bereits durchgeführt zu haben. Im Revisionsrekurs machen die Antragsgegner überdies ‑ im Einklang mit bereits vorliegender Rechtsprechung ‑ geltend, dass ein Exekutionsantrag auch dann abgewiesen werden könnte, wenn mit der kurzzeitigen Schaffung einer Sachlage zu rechnen ist, bei der eine bewilligte Zwangsverwaltung ohnedies nach § 6 Abs 3 Z 3 MRG bald einzustellen wäre (5 Ob 48/02y; RIS‑Justiz RS0116301). Diese Tatfragen wird das Erstgericht nunmehr im Titelakt zu klären und dort neuerlich ‑ inhaltlich ‑ zu entscheiden haben, ob und gegebenenfalls zur Durchführung welcher Arbeiten die Bewilligung der Zwangsverwaltung zu erfolgen hat.
7. Das Rekursgericht hat sich bei seiner Entscheidung auf § 100 EO gestützt, aus dem sich der Grundsatz der Einheit des Verwertungsverfahrens ergibt. Dieser bedeutet bei der Zwangsverwaltung, dass auf dieselbe Liegenschaft oder denselben Liegenschaftsanteil nicht mehrere Zwangsverwaltungen getrennt geführt werden dürfen, sondern dass alle bewilligten Zwangsverwaltungen in Einheit zu führen sind (Angst in Angst 2 § 100 EO Rz 1, § 139 EO Rz 1; Frauenberger-Pfeiler/Schwab in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 100 EO Rz 1). Dabei ist freilich zu beachten, dass auch im Fall eines solchen Beitritts ‑ wie vom Rekursgericht an sich richtig erkannt und ausgesprochen ‑ gegebenenfalls nicht die „Bewilligung des Beitritts“ erfolgt, sondern über einen selbständigen Antrag auf Exekutionsbewilligung entschieden wird. Der Beitritt zu einem bereits eingeleiteten Versteigerungsverfahren ist (nur) Folge der Exekutionsbewilligung und ein dahin gehender Ausspruch hat (nur) feststellende Bedeutung (Angst in Angst 2 § 139 EO Rz 1).
8. Der Verweis des § 6 Abs 2 MRG auf bestimmte Regelungen der EO umfasst allerdings nicht auch § 100 EO, weshalb ‑ freilich nur auf den ersten Blick ‑ zweifelhaft sein könnte, ob der Grundsatz der Einheit des Verwertungsverfahrens auch im Rahmen der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG zu gelten hat. Diese Frage ist allerdings zweifelsfrei zu bejahen, folgt dies doch auch den in § 6 Abs 2 Satz 6 und 7 MRG enthaltenen Anordnungen über das Zusammenspiel einer Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG und einer solchen nach §§ 97 ff EO. Demnach entscheidet über den Exekutionsantrag das im § 37 Abs 1 MRG bestimmte Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen, es sei denn, dass für das Haus bereits eine Zwangsverwaltung nach §§ 97 ff EO anhängig ist. Ist für das Haus bereits ein Zwangsverwalter nach §§ 97 ff EO bestellt, so hat das Exekutionsgericht dem bestellten Zwangsverwalter aufzutragen, die aufgetragenen Arbeiten vordringlich durchzuführen, und ihm die vorstehend genannten Ermächtigungen zu erteilen. Damit trifft § 6 Abs 2 MRG selbst für den Fall dieses Zusammentreffens Vorsorge dafür, dass das Verwertungsverfahren einheitlich erfolgt, was dann sinngemäß auch für den vorliegenden Fall gelten muss, in dem zwei vom selben Mieter gegen den Vermieter nach § 6 Abs 1 MRG erlangte Exekutionstitel durchzusetzen sind.
9. Im Ergebnis folgt:
9.1. Die Zwangsverwaltung gemäß § 6 Abs 2 MRG ist Fortsetzung des Titelverfahrens. Über die Bewilligung ist daher im Titelverfahren (im Titelakt) zu entscheiden. Ein unrichtig in einem anderen Verfahrensakt gestellter Antrag gemäß § 6 Abs 2 MRG darf allein aus diesem Grund nicht ab‑ oder zurückgewiesen werden, sondern ist richtig im Titelakt zu erfassen und ([erforderlichenfalls] an die Abteilung, die den Titelakt führt, abzutreten) und dort zu entscheiden.
9.2. Vor der Bewilligung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten tatsächlich unterblieben ist und nur in diesem Umfang ist die Zwangsverwaltung zu bewilligen. Ein Exekutionsantrag ist auch dann abzuweisen, wenn mit der kurzzeitigen Schaffung einer Sachlage zu rechnen ist, bei der eine bewilligte Zwangsverwaltung ohnedies nach § 6 Abs 3 Z 3 MRG bald einzustellen wäre.
9.3. Ist bereits eine Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG betreffend die Liegenschaft des Vermieters bewilligt, dann ist im Fall der Stattgebung eines weiteren, diese Liegenschaft betreffenden Antrags nach § 6 Abs 2 MRG dem bereits bestellten Verwalter aufzutragen, auch die weiteren Arbeiten durchzuführen.
9.4. Dem Revisionsrekurs war zum Zweck der neuerlichen Entscheidung entsprechend den zuvor dargestellten Grundsätzen in seinem Aufhebungsantrag stattzugeben.
9.5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG.
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