OGH 5Ob50/10d

OGH5Ob50/10d25.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Hurch, Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Dr. A*****, vertreten durch Mag. Brigitta Hülle, Mietervereinigung Österreich, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Antragsgegner Werner S*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Dezember 2009, GZ 40 R 186/09p-126, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Antragsgegner zieht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs die Richtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen ausschließlich mit der Begründung in Zweifel, dass gegen die hier unstrittig auf das Mietverhältnis anzuwendenden Bestimmungen über den Richtwertmietzins nach § 16 Abs 2 MRG verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Er beanstandet, dass die tatsächlichen Herstellungskosten bei der Ermittlung des zulässigen Hauptmietzinses nicht berücksichtigt würden; darin sei überdies ein Verstoß gegen Art 14 EMRK und gegen Art 1 1. ZP zur EMRK begründet.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen zeigt der Antragsgegner keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Der Senat hat erst jüngst in der Entscheidung 5 Ob 271/09b unter Hinweis auf die Materialien ausgeführt, dass die Einführung der Richtwertmietzinse dem öffentlichen Interesse an erschwinglichem Wohnraum diente. Weder mit dem Verweis auf den „ungleich höheren Marktwert“, den nach Auffassung des Antragsgegners Altbauwohnungen in luxuriösen Gebäuden im Verhältnis zu geförderten Neubauwohnungen haben sollen, noch mit dem Argument des behaupteten höheren Herstellungsaufwands von Altbauten werde eine Überschreitung des dem einfachen Gesetzgeber offenstehenden Gestaltungsspielraums und eine damit einhergehende unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentums- und Erwerbsfreiheit aufgezeigt. Vielmehr stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insofern zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen frei ist (RIS-Justiz RS0053889 [T1]), sofern keine unsachliche Ungleichbehandlung vorliegt (RIS-Justiz RS0072903 [T1]).

Von einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil auch der Antragsgegner nicht behauptet, dass der Marktwert eines Gebäudes an sich oder die Höhe des Herstellungsaufwands Vorteile darstellen, die dem Mieter zukämen und daher aus Sachlichkeitsgründen zu berücksichtigen wären. Der für den Mieter relevante Erhaltungszustand des Hauses ist aber im Richtwertsystem ohnedies ein Bewertungskriterium (§ 16 Abs 2 Z 5 MRG).

Im Einklang mit der Entscheidung 5 Ob 271/09b findet der Oberste Gerichtshof auch im Anlassfall keinen Grund, den geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Richtwertmietzinse durch Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B-VG näherzutreten.

Aber auch aus den Entscheidungen des EGMR - vom Revisionsrekurswerber, der die Einholung eines „Vorabentscheidungsersuchens“ anregt, fälschlich als „EuGH für Menschenrechte“ bezeichnet - lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen: Der EGMR hat vielmehr bereits im Fall Mellacher ua gegen Österreich (Nr 13/1988/157/211-213 = ÖJZ 1990, 150) festgehalten, dass den Staaten im Bereich der Wohnungspolitik ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist, welcher auch für die von ihnen vorgegebenen Richtwerte für die Bemessung und Herabsenkung des Mietzinses gilt. Mit der Beschwerdesache Hutten-Czapska gegen Polen (Bsw 35014/97), auf die sich der Antragsgegner beruft, ist der Anlassfall nicht vergleichbar: Dort nämlich wurden die festgestellten Mängel in der polnischen Wohnraumgesetzgebung damit begründet, dass die gesetzlichen Mietzinse nicht einmal die Instandhaltungskosten der Wohnung abgelten, geschweige denn die Möglichkeit der Erwirtschaftung eines Mindestgewinns bieten.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG war daher der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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