Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Sachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Text
Begründung
Am 1. 11. 1998 schlossen der Antragsteller mit den Antragsgegnerinnen einen Mietvertrag hinsichtlich der Wohnung top Nr 35 und 36 im Haus 1020 Wien, Ybbsstraße 22 ab. Es wurde ein monatlicher Mietzins von S
3.800 wertgesichert exklusive Betriebskosten und USt vereinbart. Die Nutzfläche der Wohnung beträgt 90 m2.
Zum Mietvertragsabschluss befand sich die elektrische Anlage, die insgesamt nicht den Schutzvorschriften der ÖVE-Önorm E 8001-1 entsprach, in folgendem Zustand:
Die Elektroleitungen bestanden aus stoffummantelten Drähten. Da der Isolationswiderstand dieser Leitungen nicht ausreichend ist, bestand die Gefahr eines Stromschlags, wenn die Wand feucht würde. Der Stromverteiler war nicht gegen Berührung geschützt. Das Zählbrett war aus Holz und nicht aus Isolierstoff. Sämtliche Elektroinstallationen waren ungeerdet, weshalb sich auch der FI-Schalter als nicht funktionsfähig erwies. Die Zuleitungskabel hatten falsche Farben. In welchem Zustand Steckdosen und Schalter waren, konnte nicht festgsetellt werden.
Für die Erneuerung der Installationen musste ein Betrag von S 69.468 aufgewendet.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die Wohnung im Zeitpunkt der Anmietung im Hinblick auf den Zustand der Elektroinstallationen in die Ausstattungskategorie D einzuordnen sei. Er begehrt weiters die Feststellung, dass die Antragsgegnerinnen durch Vorschreibung des vereinbarten Hauptmietzinses das gesetzlich zulässige Zinsausmaß in bestimmter Höhe vom 1. 11. 1998 bis 31. 10. 1999 überschritten haben.
Die Antragsgegnerinnen begehrten die Abweisung des Mietzinsüberprüfungsantrages mit der Begründung, dass die Elektroinstallationen im Zeitpunkt der Anmietung in ordnungsgemäßen Zustand gewesen seien.
Das Erstgericht gab den Anträgen statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass sich die Wohnung auf Grund des Zustandes der Elektroinstallationen in unbrauchbarem Zustand befunden habe.
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses der Antragsgegnerinnen den Sachbeschluss des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass sich im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 120/00h ein Judikaturwechsel angedeutet habe, weshalb davon auszugehen sei, dass den Mieter eine Anzeigeobliegenheit hinsichtlich der Unbrauchbarkeit der elektrischen Anlage treffe. Da der Antragsteller diese Obliegenheit nicht erfüllt habe, scheide die Einordnung der Wohnung in Kategorie D allein infolge Unbrauchbarkeit der elektrischen Anlage aus. Das Erstgericht müsse daher im fortgesetzten Verfahren noch Feststellungen zu den anderen Ausstattungskategoriemerkmalen treffen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil es von der bisherigen Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofes, wonach die Gefährlichkeit einer elektrischen Anlage nicht der Rügeobliegenheit des Mieters unterliege, im Hinblick auf den angedeuteten Judikaturwechsel zu 5 Ob 120/00h abgewichen sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit einem Abänderungsantrag.
Die Antragsgegnerinnen beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung befindet sich eine Wohnung in "brauchbarem Zustand", wenn sie an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweist, insbesondere auch die vorgesehenen oder ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrlos verwendet werden können. Mängel, die jederzeit ohne größere Aufwendungen beseitigt werden können, stehen dabei der Annahme der Brauchbarkeit nicht entgegen (5 Ob 279/98k [WoBl 1999/47], 5 Ob 255/98f [WoBl 2001/28], WoBl 1989/45, immolex 1997/53; EWR I/16/75 ff je mwN uva). Ebenso wird in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass die Gefährlichkeit einer elektrischen Anlage, insbesondere als Folge des Fehlens einer Schutzleiterinstallation, die Brauchbarkeit einer Wohnung hindert und es darauf ankommt, ob dieser Mangel mit relativ einfachen Maßnahmen ohne größere Aufwendungen beseitigt werden kann oder nicht (5 Ob 255/98f, 5 Ob 279/98k, 5Ob 2364/96z [WoBl 1998/89], immolex 1997/53 ua).
Die Brauchbarkeit der Wohnung ist nur für die Ausstattungskategorie D kein Tatbestandserfordernis. Das Gesetz selbst sieht nur für den Fall eine Obliegenheit des Mieters zur Bemängelung vor, dass die in einer Wohnung befindliche Wasserentnahmestelle oder das WC im Inneren einer Wohnung nicht brauchbar sei. In analoger Anwendung hat die Rechtsprechung ganz allgemein eine Bemängelungspflicht des Mieters hinsichtlich der Unbrauchbarkeit der kategoriebestimmenden Merkmale statuiert, dies aber bereits bei Fehlen des entsprechenden Kategoriemerkmals als nicht mehr mit der ratio der gesetzlichen Bestimmung in Einklang erachtet (5 Ob 255/98f, WoBl 1997/6). Ein Sachverhalt, der dem Fehlen einer kategoriebestimmenden Einrichtung nahekommt, lässt keine Anzeigeobliegenheit des Mieters zu, weil die Ausstattung der Wohnung in die Ingerenz des Vermieters fällt und ein insoweit bestehender Mangel für den Mieter nicht ohneweiteres als rügepflichtig erkennbar ist. Ein Informationsbedürfnis des Vermieters hinsichtlich der Grundausstattung des vermieteten Objektes wird grundsätzlich verneint (vgl WoBl 1997/6, 5 Ob 255/98f). Es besteht daher nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine Bemängelungspflicht bei Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich (RdW 1986/109, WoBl 1991/129, WoBl 1992/197, immolex 1997/53; EWR I/15A/1f, 5 Ob 255/98f ua). Der Zweck der Anzeigeobliegenheit kann nur darin gesehen werden, den Vermieter in die Lage zu versetzen, die ihm drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in die Ausstattungskategorie D zu verhindern (RIS-Justiz RS0070124, RS0070145).
Alle Beteiligten haben erkannt, dass nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im vorliegenden Fall infolge Gefährlichkeit der elektrischen Anlage in der gesamten Wohnung und dem größeren Aufwand zur Behebung von einer Unbrauchbarkeit der Wohnung auszugehen ist. Das Rekursgericht und die Antragsgegnerinnen glauben jedoch aus der Entscheidung 5 Ob 120/00h eine sich ankündigende Judikaturänderung zu erkennen. Sie übersehen dabei aber, dass sich der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausdrücklich nicht mit der vor allem von Dirnbacher angebrachten Kritik zur bisherigen Rechtsprechung auseinandergesetzt hat, da es im dort zu behandelnden Rechtsfall nicht um die den Mieter bei Abschluss eines Mietvertrages treffende Obliegenheiten ging. Der Oberste Gerichtshof vertrat im Falle des Eintritts des Mieters nach § 14 MRG in die Rechtsstellung des Vormieters die Rechtsansicht, dass den Eintretenden die Obliegenheit trifft, dem Vermieter Mängel anzuzeigen, die im Laufe des Mietverhältnisses zur Unbrauchbarkeit der Wohnung geführt haben. Dem lag zu Grunde, dass der Mietvertrag mit der Großmutter der Mieterin seit 1943 bestand und die Vermieter nun bei Eintritt der Enkelin in das Mietverhältnis 1997 keine Gelegenheit hatten, sich vor Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter über den Zustand des Mietobjektes zu informieren und die offenbar im Laufe des Mietverhältnisses eingetretene Unbrauchbarkeit der Elektroinstallation zu erkennen. In diesem Fall wurde ausgesprochen, dass den Eintretenden die Obliegenheit trifft, die im Laufe des Mietverhältnisses eingetretene Unbrauchbarkeit der Elektroinstallationen anzuzeigen.
Schon die Begründung des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung 5 Ob 120/00h macht klar, dass die Rügeobliegenheit des Mieters bei Abschluss eines neuen Mietvertrages nicht nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Bei Abschluss eines neuen Mietvertrages hat der Vermieter jede Möglichkeit, vor Übergabe den Zustand der Wohnung einer Überprüfung zu unterziehen und - insbesondere im Hinblick auf seine Mietzinsvorstellungen - notwendige Sanierungsarbeiten durchzuführen. Die Judikatur, dass die Brauchbarkeit der Wohnung auch dann gegeben ist, wenn Mängel vorhanden sind, die keinen größeren Beseitigungsaufwand notwendig machen, geht - auf den vorliegenden Fall angewandt - darauf zurück, dass der an sich sorgfältige Vermieter, der die elektrischen Anlage überprüft hat oder überprüfen ließ, nicht zum Beispiel wegen einer übersehenen defekten Steckdose, deren Reparatur nur einen geringfügigen Aufwand erfordert, sich auf die Dauer des Mietverhältnisses mit der Einstufung in Kategorie D zufrieden geben muss. Diese Erwägungen treffen aber nicht auf Fälle wie hier zu, in denen der Vermieter die elektrische Anlage trotz offenkundiger schwerwiegender Mängel überhaupt nicht einer Überprüfung unterzieht, sondern sozusagen riskiert, dass sie sich allenfalls in einem unbrauchbaren und gefährlichen Zustand befindet, der nur mit größerem Aufwand beseitigt werden kann, und eine allfällige Rüge des einen höheren Mietzins zahlenden Mieters abwartet.
Im vorliegenden Fall bestand bei den stoffummantelten, nicht in Rohren verlegten Stromleitungen die Gefahr des Stromschlags, wenn die Wand feucht würde. Der Stromverteiler war gegen Berührung nicht geschützt, das Zählerbrett nur auf Holz montiert und die Anlage insgesamt ungeerdet, sodass der FI-Schalter unwirksam war. Die Behebung der lebensgefährlichen Fehler der technischen Anlage kostete immerhin rund S 70.000, was zweifellos als größerer Aufwand zu beurteilen ist. Der Zustand der Anlage wäre dem Vermieter bei der geringsten Überprüfung - die aber unterlassen wurde - leicht erkennbar gewesen.
Ausgehend von den dargelegten Erwägungen können die gegen die Rechtsprechung eingewandten Bedenken (vor allem Dirnbacher in WoBl 1999, 315/147 und EWR/I/16/253, Würth in WoBl 2001/40), dass immer strengere Anforderungen an den Sicherheitsstandard gestellt werden und die Erfordernisse für einen Nichtfachmann immer schwerer erkennbar seien, jedenfalls in solchen Fällen wie dem vorliegenden, in denen offenkundige, schwerwiegende Mängel der elektrischen Anlage vorliegen, die lebensgefährlich sein können, und nur mit größerem Aufwand beseitigt werden können, keine Änderung der bisherigen Judikatur bewirken.
Es ist daher von der Unbrauchbarkeit der Wohnung auszugehen. Dies hat das Erstgericht zutreffend erkannt, weshalb der erstinstanzliche Beschluss wiederherzustellen war.
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