OGH 5Ob2364/96z

OGH5Ob2364/96z14.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der Antragstellerin Dr.Katharina B*****, vertreten durch Dr.Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dr.Robert B*****, wegen § 37 Abs 1 Z 8 und Abs 3 Z 22 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30.April 1996, GZ 41 R 1062/95w, 41 R 1063/95f-24, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 23.Jänner 1995, GZ 5 Msch 93/94m-10, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluß sowie der erstgerichtliche Sachbeschluß im von der rekursgerichtlichen Abänderung betroffenen Umfang werden aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Das gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht sprach die Zuordnung des von der Antragstellerin angemieteten Bestandobjekts ***** zur Ausstattungskategorie B aus und stellte fest, daß der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch die Vorschreibung ziffernmäßig bestimmter monatlicher Nettohauptmietzinse überschritten habe. Gemäß § 37 Abs 4 MRG verpflichtete es den Antragsgegner zur Rückzahlung von S 347.147,70 samt Anhang. Die Anträge der Antragstellerin auf Ersetzung der Zustimmung zur Durchführung von Verbesserungsarbeiten sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurden abgewiesen. Das Erstgericht ging hiebei unter anderem von folgenden Feststellungen aus:

Der Antragsgegner ist der Eigentümer des Hauses*****. Die Antragstellerin hat dort das Objekt Nr. 12 mit Mietvertrag vom 18.6.1990 angemietet. Im Bestandobjekt war vor Übergabe der Wohnung an die Antragstellerin eine Zentralheizung vorhanden, es befindet sich jedoch kein Heizkörper in der Küche und ebenfalls keiner in dem hinter der Küche liegenden Kabinett. Sämtliche Merkmale der Kategorie B sind gegeben, insbesondere liegt ein dem zeitgemäßen Standard entsprechender Baderaum vor. Die elektrischen Leitungen waren zum Zeitpunkt der Übernahme der Wohnung in Ordnung und brauchbar. Im Jahr 1992 ergaben sich einige Kurzschlüsse und dadurch Sicherungsausfälle. Der Antragstellervertreter schaltete die Behörde ein. Es erging mit 27. Juni 1994 ein Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung MA 36, wonach die Antragstellerin als Mieterin der Wohnung verpflichtet wurde, Sicherungselemente im Gangverteiler mit Paßschrauben versehen zu lassen, die beiden obersten Stromkreise im Wohnungsverteiler voneinander trennen zu lassen, zwei Sicherungselemente des obersten Stromkreises mit Abdeckungen zu versehen, die Steckdosen der Wohnung gegen Schutzkontakt-Steckdosen auszutauschen, die Schutzkontaktsteckdose für den Geschirrspüler in der Küche zu erden und offene Klemmstellen im Badezimmer in Abzweigdosen verlegen zu lassen. Die Antragstellerin beauftragte einen Elektriker, welcher ihr ein Anbot über die komplette Neuinstallation der elektrischen Anlage der Wohnung legte. Die elektrische Anlage war durch den Vormieter erneuert worden, wobei zumindestens für einen Teil der Wohnung Erdungen vorgesehen wurden und auch FI-Schalter angebracht waren. Die Antragstellerin begehrte vom Antragsgegner die Zustimmung zur Einreichung eines "Antrages für Wohnungsverbesserung" im Sinne der von ihr begehrten Umbauarbeiten, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits ein "Mieterschutzverfahren" auf Herabsetzung des Mietzinses wegen unbrauchbarer elektrischer Leitungen anhängig war. Der Antragsgegner begehrte zunächst die Übermittlung des Bescheides, welchen er auch erhielt. Er beauftragte dann seinen Elektriker, die elektrische Anlage der Antragstellerin zu besichtigen. Diesen Elektriker ließ die Antragstellerin nicht in die Wohnung. Die Antragstellerin ist mit der Behebung der Mängel, die nach dem Inhalt des Bescheides vorliegen, durch den Antragsgegner nicht einverstanden. Der Antragsgegner bot ausdrücklich die Mängelbehebung an, die notwendig ist, um die Wohnung in einen brauchbaren Zustand zu bringen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht unter anderem, daß die antragsgegenständliche Wohnung deshalb der Ausstattungskategorie B zuzuordnen sei, weil weder die Küche noch das dahinter befindliche Zimmer durch einen Radiator beheizt werde. Da somit die genannten Räume nicht an die Zentralheizung angeschlossen seien, könne von einer die ganze Wohnung beheizenden Zentralheizung nicht gesprochen werden. Damit habe aber der Antragsgegner durch die Vorschreibung eines der Kategorie A entsprechenden Mietzinses das zulässige Zinsausmaß überschritten. Eine die Einordnung in die Kategorie D voraussetzende Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes könne aus dem der Antragstellerin zugegangenen Bescheid der Behörde nicht geschlossen werden, zumal der Antragsgegner jedenfalls die Möglichkeit habe, die festgestellten Mängel zu sanieren. Die von der Antragstellerin erwähnten Kurzschlüsse beim Betrieb von Elektrogeräten, wie Geschirrspüler und Waschmaschine, indizierten nicht die Unbrauchbarkeit des von der Antragstellerin immerhin seit Juni 1990 bewohnten Bestandobjektes. Die Verweigerung der Unterschrift durch den Antragsgegner zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten im Bereich der elektrischen Anlage sei deshalb nicht zu beanstanden, weil der Antragsgegner sich damit der Möglichkeit begebe, durch den Einsatz von Eigenmitteln die Brauchbarkeit der Wohnung zu erzielen oder zu erhalten.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß der Rekurse beider Parteien den erstgerichtlichen Sachbeschluß mit Beschluß insoweit als nichtig auf, als er die Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes zu den Zinsterminen 1.8.1993 bis inklusive September 1994 feststellte, weil diese Zinsperioden von dem an die Schlichtungsstelle gestellten Antrag nicht umfaßt seien. Im übrigen gab es mit Sachbeschluß dem Rekurs des Antragsgegners nicht, dem der Antragstellerin jedoch Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß die von der Antragstellerin angemietete Wohnung der Ausstattungskategorie D zugeordnet, eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch Vorschreibung ziffernmäßig bestimmter monatlicher Nettohauptmietzinse festgestellt und ein Rückzahlungstitel über S 166.152,18 samt Anhang geschaffen wurde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für nicht zulässig. Schließlich wurde mit Beschluß dem Rekurs der Antragstellerin gegen die Abweisung ihres Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht Folge gegeben.

Das Rekursgericht führte rechtlich (soweit für das drittinstanzliche Verfahren noch bedeutsam) folgendes aus:

Die Ausstattungskategorie richte sich grundsätzlich nach dem Ausstattungszustand der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages. Abgesehen von diesem Regelfall komme es nach der Rechtsprechung auch auf den vom Vermieter herzustellenden und innerhalb angemessener Zeit tatsächlich geschaffenen Zustand an, oder auf die Verpflichtung des Mieters, einen bestimmten Zustand auf Kosten des Vermieters herzustellen. Befinde sich die Wohnung bei ihrer Anmietung nicht in brauchbarem Zustand, komme nur eine Zuordnung zur Ausstattungskategorie D in Betracht (§ 16 Abs 2 MRG idF vor dem 3. WÄG = § 15a Abs 1 MRG idF des 3. WÄG). Die Brauchbarkeit einer Bestandsache richte sich nach dem Vertrag; sie müsse eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich sei und nach der Verkehrssitte erfolge; mangels besonderer Vereinbarung sei eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit anzunehmen. Eine Wohnung sei nur dann in brauchbarem Zustand, wenn sie an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet sei, somit keine gröberen, die Benützung hindernden Mängel aufweise. Fehle es an ortsüblichen Energieanschlüssen oder seien die Anschlüsse so defekt, daß die Inbetriebnahme behördlich untersagt werde, komme nur eine Einordnung der Wohnung in die Kategorie D in Betracht. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die Küche einer Wohnung nicht gefahrfrei verwendet werden könne, weil die Elektroinstallationen in diesem als Naßraum zu beurteilenden Raum über keine Schutzleiterinstallationen einschließlich einwandfreier Erdung verfügten. Werde, wie im vorliegenden Fall, die elektrische Anlage des Bestandobjekts behördlich als gefährlich eingestuft, könne von einem brauchbaren Zustand der Wohnung nicht gesprochen werden. Eine Rügepflicht des Mieters, wie sie etwa bei einer nicht zureichenden Heizleistung angenommen werde, bestehe in diesem Fall nicht, weshalb die bloß mit der Heizleistung argumentierenden Rekursausführungen des Antragsgegners ins Leere gingen. Auf Grund des Inhaltes des Bescheides der MA 36 vom 27.6.1994, dessen wesentlichen Inhalt das Erstgericht in seinen Feststellungen wiedergegeben habe, ergebe sich somit nach der dargestellten Rechtsprechung die Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts. Dem Rekurs der Antragstellerin gegen die Einstufung des Bestandobjekts in die Ausstattungskategorie B sei daher Folge zu geben gewesen, was zu einer Neuberechnung der Überschreitungsbeträge und einer Modifizierung des Rückforderungstitels im Sinne des § 37 Abs 4 MRG führe.

Der ordentliche Revisionsrekurs gegen den Sachbeschluß sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht, soweit Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen seien, von der gesicherten Rechtsprechung nicht abgewichen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und zu erkennen, daß die gegenständliche Wohnung anläßlich der Anmietung durch die Antragstellerin in brauchbarem Zustand gewesen sei. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Antragstellerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Antragsgegners zurück- bzw abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, das Rekursgericht habe entgegen den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die elektrische Anlage bei Anmietung in Ordnung und brauchbar gewesen sei, angenommen, daß die elektrische Anlage zum Zeitpunkt der Anmietung gefährlich gewesen sei. Störungen seien erst zwei Jahre nach Vertragsabschluß aufgetreten. Das Gutachten der MA 36 datiere vom 27.6.1994 und beziehe sich nicht auf die Zeit der Anmietung 1990. Weiters habe sich die Antragstellerin geweigert, den Antragsgegner die Behebung von Mängeln am Bestandobjekt durchführen zu lassen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Brauchbarkeit der Wohnung bejaht werden müssen.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Einstufung einer Wohnung in eine höhere Ausstattungskategorie ist unter anderem, daß sich die Wohnung in brauchbarem Zustand befindet (Würth in Rummel2 § 16 MRG Rz 19 mwN). Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß dies dann der Fall ist, wenn die Wohnung an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung hindernden Mängel aufweist. Insbesondere müssen die vorgesehenen bzw ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrlos verwendet oder wenigstens ohne größere Aufwendungen jederzeit hergestellt werden können (Würth aaO Rz 19 mwN).

Richtig hat das Rekursgericht auch erkannt, daß für die Beurteilung der Ausstattungskategorie grundsätzlich der Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses - hier 1990 - maßgebend ist (Würth aaO Rz 17 mwN). Es versteht sich von selbst, daß der damalige Zustand - sofern keine sofortige Beweissicherung erfolgt ist - aufgrund nachträglicher Befundaufnahmen ermittelt werden muß. Daß das Rekursgericht ein Gutachten der MA 36 aus 1994 herangezogen hat, ist jedenfalls so lange unbedenklich, als nicht eine Veränderung gegenüber dem ursprünglichen Zustand behauptet wird. Allerdings sind die erstgerichtlichen Feststellungen insofern widersprüchlich, als im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen einerseits die Ordnungsmäßigkeit (und Brauchbarkeit) der elektrischen Leitungen bei Übernahme der Wohnung angenommen, andererseits der Inhalt des an die Antragstellerin - und nicht auch an den am Verwaltungsverfahren unbeteiligten Antragsgegner - ergangenen Bescheides der MA 36 vom 27.6.1994 wiedergegeben wird, demzufolge die elektrische Anlage Mängel aufweist. Es ist unklar, ob es das Erstgericht als erwiesen betrachtet hat, daß dieser Zustand bei Vertragsabschluß tatsächlich gegeben war.

War die elektrische Anlage damals funktionsfähig, fehlte aber eine Erdung, so ist davon auszugehen, daß das Fehlen einer Schutzleiterinstallation bloß in den Naßräumen als gefährlich zu betrachten ist; dieser Mangel hindert die Brauchbarkeit der Wohnung aber nur dann, wenn er nicht ohne größere Aufwendungen beseitigt werden kann (MietSlg 41.261 = WoBl 1989/45; 5 Ob 100/95; Würth aaO Rz 19). Dazu fehlen jedwede Feststellungen. Betroffen wären nach der bisherigen Aktenlage in Küche und Bad offenbar nur die Geschirrspülersteckdose und die Klemmungen.

Da die getroffenen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles nicht ausreichen, waren die vorinstanzlichen Entscheidungen im betreffenden Umfang unter Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht deutliche - wohl nach Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör zu treffende - Feststellungen zum Umfang gefährlicher Elektroinstallationen bei Vertragsabschluß sowie zum diesbezüglichen Behebungsaufwand nachzuholen haben. Sollte sich sodann ergeben, daß sich die Wohnung bei Anmietung in einem unbrauchbaren Zustand befunden hat, so bestand allerdings keine Pflicht der Mieterin zur Bemängelung, damit aber auch - entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers - keine Pflicht der Mieterin, dem Vermieter Gelegenheit zur Behebung zu geben (vgl Würth aaO Rz 19a).

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