OGH 5Ob213/18m

OGH5Ob213/18m13.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. M*, 2. F*, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Mag. Stefan Lichtenegger LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Mag. Johannes Bürgler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Mietvertrags, über den (richtig:) Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. August 2018, GZ 38 R 131/18y‑11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 30. März 2018, GZ 4 C 144/17y‑7, und das zugrunde liegende Verfahren teilweise als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E123795

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 551,86 EUR (darin enthalten 91,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger sind aufgrund des Vertrags vom 24. 6. 2016 Mieter einer Wohnung im Haus der Beklagten, einer gemeinnützigen Bauvereinigung in Wien.

Die Kläger erhoben ein Zahlungsbegehren, das nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist, und begehrten, die Beklagte schuldig zu erkennen,

(Punkt 1.) die Beeinträchtigung der Bestandräume der klagenden Partei a) durch Schallimmissionen durch den Betrieb der Personenliftanlage und andererseits b) durch Dröhngeräusche, ausgehend von einem Luftkanal, beides im Haus, soweit diese den Schallpegel von 30 dB überschreiten, durch geeignete Maßnahmen abzustellen und solcherart den ordnungsgemäßen Gebrauch ihres Mietobjekts zu gewährleisten, und

(Punkt 2.) die Beeinträchtigung der Bestandräume der klagenden Parteien an Sonn- gesetzlichen Feiertagen ganztägig sowie an allen Tagen in den Nachtstunden von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr durch die zu 1.a) und b) genannten Schallimissionen, soweit sie jeweils über die Ortsüblichkeit hinausgehen und die klagenden Parteien in ihrer Sonn- und Feiertagsruhe sowie in ihrer nächtlichen Ruhe stören, abzustellen, und solcherart den ordnungsgemäßen Gebrauch ihres Mietobjekts zu gewährleisten.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss aus, dass auf die in Punkt 1. und 2. des Klagebegehrens geltend gemachten Ansprüche das Außerstreitverfahren anzuwenden sei, weil sich die Kläger nicht auf eine besondere vertragliche Zusage der Beklagten berufen, sodass Verfahrensgegenstand die Durchführung von Erhaltungsarbeiten an einem Personenaufzug und an einem Luftkanal sei. Dabei handle es sich um Gemeinschaftsanlagen und allgemeine Teile des Hauses, die der Vermieter nach § 3 Abs 2 Z 1 und 3 MRG zu erhalten habe.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Kläger den Beschluss des Erstgerichts in diesem Umfang ersatzlos auf, erklärte das darauf entfallende Verfahren ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes für nichtig und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Berufe sich ein Mieter auf seinen Mietvertrag, ohne darzulegen, dass darin Vereinbarungen enthalten seien, die inhaltlich über die ohnehin geltenden gesetzlichen Bestimmungen hinausgingen, stütze er seinen Anspruch in Wahrheit nur auf das Gesetz. Die von den Klägern geltend gemachten Mängel, die nach ihrer Darstellung bereits bei Abschluss des Mietvertrags in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß vorgelegen seien, begründeten einen Erhaltungsanspruch, der nach § 37 MRG iVm § 22 WGG im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltend zu machen sei. Eine Überweisung in das Außerstreitverfahren komme nicht in Betracht, weil gemäß § 39 Abs 1 MRG iVm § 22 WGG vor Anrufung des Gerichts die Schlichtungsstelle zu befassen sei, weswegen das bisherige, auf diese Ansprüche entfallende Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen sei.

Dagegen richtet sich der von der Beklagten beantwortete Rekurs der Kläger (die Bezeichnung als Revisionsrekurs schadet nicht).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Kläger ist zulässig, weil die Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und die Zurückweisung der Klage durch das Rekursgericht wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0043774; E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 519 ZPO Rz 16; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 22). Er ist aber nicht berechtigt. Das Rekursverfahren ist zweiseitig (§ 521a Abs 1 ZPO).

1.1 Die Kläger begehren – zusammengefasst – von der beklagten Bauvereinigung als Vermieterin die Durchführung von Arbeiten, um die Geräuschentwicklung durch den Personenaufzug bzw einen Lüftungskanal zu reduzieren, weil diese weit über die Ortsüblichkeit hinausgingen und sie nicht nur in dem bedungenen Gebrauch des Mietobjekts gestört seien, sondern auch ihre Gesundheit gefährdet sei.

1.2 Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist der Wortlaut des Klagebegehrens und der in der Klage behauptete Sachverhalt maßgebend (RIS‑Justiz RS0045584). Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, gehören auf den streitigen Rechtsweg (RIS‑Justiz RS0005948). Die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ist für wohnrechtliche Angelegenheiten gegeben, wenn das Gesetz die betreffende Angelegenheit ausdrücklich (§ 1 Abs 2 AußStrG iVm § 37 Abs 1 MRG bzw § 22 Abs 4 WGG) oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das außerstreitige Verfahren verweist (RIS‑Justiz RS0005948; RS0012214 [T1]).

2.1 Nach § 14a Abs 1 erster Satz WGG hat die Bauvereinigung nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Baulichkeit, die vermieteten oder zur Nutzung überlassenen Wohnungen oder Geschäftsräume und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner der Baulichkeit dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden. Die Erhaltung im Sinn des § 14a Abs 1 erster Satz WGG umfasst unter anderem die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Baulichkeit erforderlich sind (§ 14a Abs 2 Z 1 WGG).

2.2 Die Erhaltungspflicht der Bauvereinigung ist in § 14a Abs 1 und 2 WGG – soweit hier von Interesse – im Wesentlichen ident geregelt wie in § 3 Abs 1 und 2 MRG (RIS‑Justiz RS0106158 [T3]; RS0124632). Zum Umfang der Erhaltungspflicht kann daher grundsätzlich auch im Anwendungsbereich des WGG auf die zu § 3 MRG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 ErgBd § 14a WGG Rz 1).

2.3 Der Vermieter schuldet die Erhaltung im jeweils ortsüblichen Standard. Mit diesem Begriff wird eine elastische, sich den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Komfortvorstellungen anpassende Obergrenze der Erhaltung normiert (RIS‑Justiz RS0069944). Zwar ist für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit erforderlich (RIS‑Justiz RS0116998, RS0069944 [T8]), nicht notwendig ist aber entgegen der Ansicht der Kläger, dass sich eine solche Einschränkung auf eine im Laufe der Zeit eingetretene Verschlechterung zurückführen lassen muss. Selbst die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands, also die Beseitigung von Mängeln die bereits bei der Übergabe vorlagen, kann eine Erhaltungsarbeit sein (RIS‑Justiz RS0114109; THausmann/O. Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 3 MRG Rz 9b).

2.4 Die Kläger berufen sich darauf, dass allgemeine Teile des Hauses (der Personenlift und ein Lüftungskanal) nicht dem ortsüblichen Standard entsprechen, und behaupten eine darauf zurückzuführende Gesundheitsgefährdung. Zutreffend haben die Vorinstanzen daher erkannt, dass sie Erhaltungsarbeiten im Sinn des § 14a WGG geltend machen, in dem sie die Beseitigung dieses Zustands fordern.

3. Die Einhaltung vertraglicher Zusagen auf Vornahme von Erhaltungsarbeiten ist im ordentlichen Rechtsweg zu erzwingen (RIS‑Justiz RS0069904; vgl auch RS0117706; TKlicka in Hausmann/Vonkilch aaO § 37 MRG Rz 25; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23§ 37 MRG Rz 5). Eine konkrete Absprache, die die beklagte Bauvereinigung ihnen gegenüber zu den begehrten Erhaltungsarbeiten verpflichten würde, behaupten die Kläger nicht. Der Umstand allein, dass sie sich auf den Mietvertrag stützen, löst noch nicht die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs aus. Ohne eine konkrete Vereinbarung zu behaupten, beruft sich ein Mieter, der auf die Unverletzlichkeit seines Mietrechts pocht, in Wahrheit auf das Gesetz (vgl TKlicka in Hausmann/Vonkilch aaO § 37 MRG Rz 14).

4. Auch noch im Rekursverfahren stützen sich die Kläger auf die Entscheidung zu 8 Ob 610/86, in der aber ausschließlich Pflichten des Bestandgebers nach § 1096 Abs 1 ABGB zu beurteilen waren. Fragen der Zulässigkeit des Rechtswegs waren nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Ausdrücklich wurde darin festgehalten, dass sich die Beklagte auf Einschränkungen durch mietrechtliche Vorschriften nicht berufen hatte. Darüber hinaus ist § 3 MRG (ebenso wie § 14a WGG) nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung eine Spezialnorm, die im Bereich der Erhaltung eine vollständige und andere Regelung trifft als § 1096 ABGB. Im Bereich der Erhaltung verdrängen die Bestimmungen des § 3 MRG bzw § 14a WGG daher § 1096 ABGB, dessen auch bloß subsidiäre Geltung im Anwendungsbereich dieser Bestimmungen für die Erhaltung auszuschließen ist (RIS‑Justiz RS0124632; THausmann/O. Riss aaO § 3 MRG Rz 6e).

5. Eine Behandlung eines Klagebegehrens als Antrag im Verfahren außer Streitsachen (statt der Zurückweisung der Klage) ist dann nicht möglich, wenn eine Gemeindeschlichtungsstelle besteht und daher vor der Anrufung der Schlichtungsstelle das außerstreitige Verfahren vor Gericht unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0105601; vgl auch RS0070782 [T2]). Das ist hier gemäß § 22 Abs 4 WGG iVm § 39 MRG der Fall, sodass das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts zutreffend als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen hat (RIS‑Justiz RS0108772).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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