Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR (darin 62,26 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung
Der Antragsteller ist Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 426 GB ***** (Liegenschaftsadressen *****). Die Antragsgegnerin ist die Verwalterin der Liegenschaft.
Bei der Eigentümerversammlung am 21. 2. 2007, bei der Wohnungseigentümer mit zusammen 43,89 % der Anteile anwesend waren, wurde die Möglichkeit eines Aufzugeinbaus diskutiert. Die anwesenden Wohnungseigentümer ersuchten einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin um Überprüfung, ob ein Lifteinbau auf Basis der derzeitigen Baubestimmungen bzw technischen Gegebenheiten möglich sei und gegebenenfalls um Kostenschätzung und Klärung, inwieweit Anspruch auf Fördermittel bestehe. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den Sachverständigen Dipl.‑Ing. F***** D*****, um die technische und baurechtliche Situation hinsichtlich eines Aufzuganbaus zu überprüfen. Der Sachverständige verrechnete für den von ihm erstellten Kostenvoranschlag 1.544 EUR, welchen Betrag die Antragsgegnerin in die Jahresabrechnung als Ausgabe einstellte.
Der Antragsteller begehrte ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren noch entscheidungswesentlich ‑ die Feststellung der Unrichtigkeit der Jahresabrechnung 2007 durch Aufnahme der Kosten dieses Sachverständigengutachtens von 1.544 EUR. Der Einbau eines Lifts sei eine über die Erhaltung hinausgehende Verbesserung, welche eines Mehrheitsbeschlusses bedurft hätte, zu dem es jedoch bei einer folgenden Abstimmung nicht gekommen sei.
Die Antragsgegnerin wandte ein, dass ein Kostenvoranschlag habe eingeholt werden müssen, damit überhaupt erst eine Abstimmung über den Einbau der Aufzugsanlage möglich gewesen sei.
Das Erstgericht sprach aus, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abrechnung 2007 durch Aufnahme der Kosten des Sachverständigengutachtens von 1.544 EUR unrichtig sei und die Richtigstellung ein Guthaben der Reparaturrücklage von 23.758,39 EUR ergebe. Rechtlich erwog das Erstgericht, dass der Anbau eines Lifts zu den nützlichen Verbesserungen zähle, worüber gemäß § 29 Abs 1 WEG 2002 die Mehrheit der Wohnungseigentümer entscheide. Für die Einholung des Sachverständigengutachtens über die technischen Voraussetzungen eines Liftanbaus sei hier aber kein Mehrheitsbeschluss vorgelegen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Antrag, die Unrichtigkeit der Jahresabrechnung 2007 wegen Aufnahme der Ausgabenposition für das Sachverständigengutachten in der Höhe von 1.544 EUR festzustellen, abwies. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die vorbereitende Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung gesetzt werden könne und solle, noch im Rahmen der ordentlichen Verwaltung liegen könne. Dies hänge davon ab, inwieweit ein in Aussicht genommenes Bauprojekt zeitgemäß sei, inwieweit die Kosten des Gutachtens (hier: 1.544 EUR) in einem angemessenen Verhältnis zum Bauvolumen (hier: ca 360.000 EUR) stünden und wie groß die die Gutachtenseinholung begehrende Minderheit (hier: 43,89 % Anteile) sei. Gemäß § 25 Abs 1 WEG 2002 könnten nämlich Wohnungseigentümer mit mindestens einem Viertel der Anteile vom Verwalter schriftlich unter Angabe eines wichtigen Grundes die Einberufung der Eigentümerversammlung verlangen. Dieses Recht mache nur dann Sinn, wenn die Eigentümer in der Versammlung eine Abstimmung über ihre Anliegen verlangen könnten und für die Entscheidung nötigenfalls ein einschlägiges Gutachten vorliege. Da hier die genannten Kriterien für die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgelegen seien, seien dessen Kosten als Ausgaben zur Vorbereitung der Willensbildung solche der ordentlichen Verwaltung und in die Jahresabrechnung aufzunehmen gewesen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil ‑ soweit überblickbar ‑ keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, inwieweit die Kosten der Herbeiführung einer Beschlussfassung der Miteigentümer über eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung noch zur ordentlichen Verwaltung zu rechnen sei.
Gegen diesen Sachbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Begehren auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsgegnerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil bislang keine Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob die Kosten eines Sachverständigengutachtens über die Durchführbarkeit und die Kosten einer Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zur Vorbereitung der Willensbildung der Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft zu tragen sind. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs den Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zwar benennt, aber nicht nachvollziehbar ausführt. In rechtlicher Hinsicht vertritt der Antragsteller den Standpunkt, dass die erstmalige Errichtung eines Aufzugs keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung sei. Gleiches müsse dann aber auch für die Kosten der Vorbereitung einer solchen Maßnahme gelten. Die Gutachtenseinholung sei nicht im Interesse zumindest der Mehrheit der Wohnungseigentümer erfolgt und auch nicht durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft gedeckt gewesen. Die Kosten des Gutachtens seien nicht unerheblich gewesen und dürften nicht ins Verhältnis zum Bauvolumen gesetzt werden, weil sie sonst immer als geringfügig angesehen werden müssten.
Diesen Erwägungen des Antragstellers ist Folgendes zu entgegnen:
1. Im Rahmen der ordentlichen Verwaltung ist der bestellte Verwalter autonom zuständig (5 Ob 186/08a; 5 Ob 50/07z; vgl RIS‑Justiz RS0083447; RS0122841). In den über die ordentliche Verwaltung hinausgehenden Angelegenheiten, wie etwa nützliche Verbesserungen, hat dagegen die Mehrheit der Wohnungseigentümer zu entscheiden; der Verwalter darf unbeschadet seiner unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis (§ 20 Abs 1 WEG) solche Maßnahmen nur aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer durchführen (vgl § 29 Abs 6 WEG 2002; 5 Ob 112/07t SZ 2007/166; 5 Ob 265/04p wobl 2005/138, 376 [ Call ]; RIS‑Justiz RS0083447). Nicht durch einen Eigentümerbeschluss gedeckte Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung sind schon nach § 29 Abs 6 WEG 2002 nicht pflichtgemäß und entsprechen demnach nicht dem durch Gesetz festgelegten Auftrag einer ordentlichen Verwaltung (5 Ob 127/09a wobl 2010/54, 106 [ Vonkilch ]).
2. Bei der Abgrenzung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte eine maßgebliche Rolle (vgl RIS‑Justiz RS0041383). Als Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gelten dabei gemeinhin alle jene Verfügungen, die dem Zweck der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, wie sie sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im Wesentlichen dem Interesse aller Miteigentümer dienen und keine besonderen Kosten erfordern (5 Ob 49/10g; 5 Ob 86/09x; RIS‑Justiz RS0013573).
3. Dem Antragsteller ist zuzustimmen, dass die Rechtsprechung die Neuerrichtung einer Liftanlage als eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung qualifiziert (3 Ob 144/08k mwN; 5 Ob 306/98f; vgl auch Löcker in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht, § 29 WEG Rz 15). Daraus allein folgt aber ‑ entgegen der Meinung des Antragstellers ‑ nicht, dass schlechthin alle Maßnahmen des Verwalters, die der Vorbereitung der Willensbildung der Wohnungseigentümer über die Durchführung einer solchen Baumaßnahme dienen, ebenfalls der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen wären. Die gegenteilige Ansicht des Antragstellers würde zum Ergebnis führen, dass alle mit Kosten verbundenen Erhebungen des Verwalters zum Zweck der Vorbereitung der Willensbildung vorsorglich abgestimmt oder Beschlüsse über eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung auf ungesicherter Faktenlage getroffen werden müssten; dies könnte zur Ablehnung solcher Maßnahmen führen, bevor deren Machbarkeit und voraussichtliche Kosten überhaupt fachkundig überprüft wurden, und den Verwalter würde für ‑ ohne vorsorgliche beschlussmäßige Absicherung eingeholte ‑ Informationen immer das Kostenrisiko treffen.
4. Nun regelt § 25 WEG 2002 die Willensbildung in der Eigentümerversammlung. Soweit nichts anderes vereinbart oder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anteile beschlossen wird, hat der Verwalter gemäß § 25 Abs 1 WEG 2002 alle zwei Jahre eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Darüber hinaus können mindestens drei Wohnungseigentümer, die zusammen mindestens ein Viertel der Anteile haben, vom Verwalter schriftlich unter Angabe eines wichtigen Grundes dafür die Einberufung der Eigentümerversammlung verlangen. Nach § 25 Abs 2 WEG 2002 sind die Einberufung der Eigentümerversammlung und die dabei zur Beschlussfassung anstehenden Gegenstände jedem Wohnungseigentümer mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin schriftlich auf die in § 24 Abs 5 WEG 2002 beschriebene Weise zur Kenntnis zu bringen.
5.1. Der Verwalter hat (idR) nicht nur die Einberufung der Eigentümerversammlung vorzunehmen und diese zu leiten, sondern auch die Willensbildung der Wohnungseigentümer vorzubereiten, damit diese ihre gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse sachgerecht ausüben können. Dazu gehört nach bereits vorliegender Rechtsprechung (zu § 13b WEG 1975) bei der Durchführung größerer Bauarbeiten auch „die Angabe der kostenmäßigen Größenordnung des zu erwartenden Aufwandes“ (5 Ob 106/01a wobl 2001/203 [ Call ] = MietSlg 53.517; Würth in Rummel ³, § 25 WEG 2002 Rz 3).
5.2. Die Vorbereitung der Willensbildung der Wohnungseigentümer ist also geradezu typische Aufgabe des Verwalters und als solche keine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung. Daraus resultierende Aufwendungen sind daher im Allgemeinen von der Eigentümergemeinschaft zu tragen. Dies muss ‑ unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die die Abgrenzung der ordentlichen von der außerordentlichen Verwaltung prägen, sowie unter Beachtung von Zweckmäßigkeitserwägungen ‑ auch für die (Kosten der) Vorbereitung einer Entscheidung über eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung gelten, die gerade (auch) der Aufklärung des damit verbundenen finanziellen Aufwands dient (zur Pflicht des Verwalters zur Kostenbewertung durch Einholung von Angeboten s § 20 Abs 4 WEG 2002 [5 Ob 186/08a]).
6.1. Zur Vornahme dieser Abwägung wird der Verwalter zunächst zu prüfen haben, ob tatsächlich ein möglicher Willensbildungsvorgang über eine bestimmte Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zu erwarten ist. Dabei ist dem Rekursgericht durchaus dahin zu folgen, dass eine solche Erwartung des Verwalters jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn das Interesse von Wohnungseigentümern mit Anteilen von 43,89 % dokumentiert ist. Als Untergrenze darf das ernstliche Interesse von Wohnungseigentümern gelten, die zusammen mindestens ein Viertel der Anteile haben, könnten diese doch auch selbst die Einberufung der Eigentümerversammlung verlangen.
6.2. Die mit Kosten verbundene Klärung der technischen Machbarkeit und der finanziellen Sinnhaftigkeit einer der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnenden Baumaßnahme wird, worin dem Rekursgericht ebenfalls zu folgen ist, tendenziell umso eher gerechtfertigt sein, je mehr die Baumaßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Standards des Hauses entspricht.
6.3. Schließlich wird bei den Kosten der Vorbereitung der Willensbildung in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens einerseits deren absolute Höhe und andererseits deren zunächst nur grob abschätzbares Verhältnis zu den näherungsweise erwartbaren Kosten der Maßnahme zu bewerten sein.
6.4. Sprechen alle zuvor genannten Kriterien für die Sinnhaftigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der technischen Machbarkeit und wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der außerordentlichen Maßnahme, dann sind die dafür auflaufenden adäquaten Kosten von der Eigentümergemeinschaft zu tragen. Derartige Kosten dienen dann dem wohlverstandenen Interesse der Wohnungseigentümer an einer zielgerichteten und fundierten Willensbildung.
7. Im Ergebnis folgt zusammengefasst:
7.1. Die sachgerechte Vorbereitung der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung gehört zu den typischen Aufgaben des Verwalters und ist per se nicht als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zu qualifizieren. Dies gilt auch für die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die technische Machbarkeit und den finanziellen Aufwand einer der außerordentlichen Verwaltung zuzuordnenden Baumaßnahme, sofern die Einholung eines solchen Gutachtens nach naheliegenden Kriterien einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwaltung gerechtfertigt erscheint.
7.2. Maßgebliche Kriterien hiefür sind ein präsentes und dokumentiertes Interesse eines beachtlichen Teils der Wohnungseigentümer an der betreffenden Maßnahme, deren Nähe zu einem zeitgemäßen Ausstattungszustand des Hauses sowie die absolute Höhe der Gutachtenskosten und deren Verhältnis zu den überschlägig erwartbaren Mindestkosten der Maßnahme. Sprechen alle diese Umstände für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, dann sind die dafür auflaufenden Kosten von der Eigentümergemeinschaft zu tragen.
7.3. Im vorliegen Fall sprachen alle zuvor genannten Kriterien für die Sinnhaftigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die dafür aufgelaufenen Kosten sind daher auch ohne vorherige Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft von dieser zu tragen. Da somit die Einstellung der Gutachtenskosten in die Jahresabrechnung zu Recht erfolgte, war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002.
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