OGH 5Ob200/01z

OGH5Ob200/01z27.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Andrea O*****, vertreten durch Dr. Norbert Klatil, öffentlicher Notar in Villach, wegen Einverleibungen auf der EZ ***** KG *****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 31. Mai 2001, AZ 2 R 6113/01, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 16. März 2001, TZ 2465/01, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

Ob der im Alleineigentum des Alois O*****, stehenden Liegenschaft EZ ***** ***** werden aufgrund des notariellen Übergabsvertrags vom 18. November 2000, der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts Klagenfurt vom 15. Jänner 2001, der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde vom 19. Dezember 2000, des Ranganmerkungsbeschlusses vom 22. November 2000, TZ 10428/00, der Geburtsurkunde vom 18. Juni 1970, der Heiratsurkunde vom 27. Oktober 2000, nachstehende Grundbuchseintragungen bewilligt:

Das Eigentumsrecht für Andrea O*****, im Rang der Anmerkung TZ 10428/00

Die Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes gemäß Punkt 4.a und 8 des Übergabsvertrags vom 18. November 2000 für Alois O***** und Kata O***** sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot für Alois O***** und Kata O*****

Der Vollzug dieser Bewilligungen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Hievon werden verständigt:

  1. 1. Andrea O*****
  2. 2. Alois O*****
  3. 3. Kata O*****
  4. 4. Finanzamt Villach
  5. 5. Magistrat Villach
  6. 6. Dr. Norbert Klatil, öffentlicher Notar in Villach mit Originalurkunden

Text

Begründung

Alois O***** ist Alleineigentümer der EZ ***** GB *****. Unter C-LNr 2a ist das Wohnungsrecht gemäß Punkt 2 des Übereinkommens vom 11. 4. 1969 für Herbert O***** und C-LNr 4a das Wohnungsrecht gemäß Punkt 5 desselben Übereinkommens für Paula M***** einverleibt. Nach dem Grundbuchsstand besteht die EZ ***** GB ***** aus folgenden Grundstücken

1220/1 LN im Ausmaß von 72 m²

1225 Wald im Ausmaß von 1.223 m²

1226 LN im Ausmaß von 180 m²

1227/1 Baufläche (Gebäude) und LN im Ausmaß von 2.823 m² mit den darauf befindlichen Baulichkeiten und Anlagen *****K*****. Mit Übergabsvertrag vom 18. 11. 2000 übergab Alois O***** seiner Tochter Andrea O***** diese Liegenschaft in Besitz und Eigentum. Der Übergeber behielt sich für sich und seine Ehegattin auf Lebensdauer die persönliche Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes gemäß §§ 509 ff ABGB vor und ließ sich von Andrea O***** ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einräumen (Punkt 4 des Vertrages). Unter Punkt 8 des Vertrages wurde festgestellt, dass auf der Liegenschaft zugunsten Herbert O*****, dem Bruder des Übergebers und Paula M*****, der Lebensgefährtin des verstorbenen Vaters des Übergebers jeweils die Dienstbarkeit des Wohnrechtes grundbücherlich sichergestellt ist und überdies Herbert O***** das Vorkaufsrecht grundbücherlich eingetragen ist. Vereinbart wurde, dass diese Wohnrechte unverändert bestehen bleiben und von der Tochter (Andrea O*****) zur weiteren Duldung mitübernommen werden.

Dieses Rechtsgeschäft wurde gemäß §§ 9 ff des KGVG von der zuständigen Grundverkehrskommission Villach-Stadt am 19. 12. 2000 genehmigt.

Beide Vorinstanzen wiesen das Eintragungsbegehren der Andrea O***** hinsichtlich der Einverleibung des Eigentumsrechts sowie des Fruchtgenuss- und Vorkaufsrechts ab.

Das Erstgericht beurteilte den oben wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass mit den bereits eingetragenen Wohnungsrechten die nunmehr eingeräumte Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes unvereinbar sei. Einem von der Antragstellerin dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

In Darstellung der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur lehnte das Rekursgericht die begehrten Einverleibungen aus folgenden Gründen ab:

Die Rekurswerberin begehre die Einverleibung des Fruchtgenussrechtes (nur) gemäß Punkt 4 des Übergabsvertrags. In diesem Vertragspunkt sei auf §§ 509 ff ABGB Bezug genommen und ausgeführt, die Fruchtgenussberechtigten seien weiterhin dazu berechtigt, wie Eigentümer das Vertragsobjekt zu nutzen, zu verwalten und auch zu gestalten. Damit sei klargestellt, dass sie die Einräumung eines uneingeschränkten Fruchtgenussrechtes begehrten, also auf die verbücherten Wohnrechte nicht Bedacht nähmen. Die erklärte Einschränkung hinsichtlich der Wohnungsrechte werde in Punkt 8 des Vertrages festgehalten, auf den im Grundbuchsantrag nicht Bezug genommen worden sei.

Ein "Wohnungsrecht" (Dienstbarkeit der Wohnung) könne gemäß § 521 ABGB entweder ein Wohnungsgebrauchsrecht oder ein Wohnungsfruchtgenussrecht sein. Diese Wohnungsservituten unterschieden sich nur darin, dass das bloße Gebrauchsrecht auf die persönlichen Bedürfnisse des Berechtigten zugeschnitten sei, während das Fruchtgenussrecht ohne diese Einschränkung vollen Genuss der Sache, die nur in ihrer Substanz zu wahren sei, gewähre und dementsprechend sogar die Gebrauchsüberlassung an Dritte ermögliche (5 Ob 2121/96i; 1 Ob 585/87 = SZ 60/86). Sowohl beim Wohnungsgebrauchsrecht als auch beim Wohnungsfruchtgenuss stehe jedenfalls ein Recht auf persönliche Nutzung, auf persönlichen Gebrauch zu (5 Ob 2121/96i; RIS-Justiz RS0011826). Die Fruchtnießung nach § 509 ABGB sei das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkungen zu genießen, sie umfasse daher auch das Recht zum persönlichen Gebrauch.

Wenn also an einer Liegenschaft Wohnungsrechte nach § 521 ABGB eingetragen seien, und die Berechtigten das Recht zum persönlichen Gebrauch der Liegenschaft hätten, dann würde ein späteres, uneingeschränktes Fruchtgenussrecht gemäß § 509 ABGB in diese Rechte unvereinbar eingreifen (dieselben Rechte noch einmal für den Fruchtgenussberechtigten begründen). Nach der Rechtsprechung sei es unzulässig, dass zu einem alle Nutzungen einer Liegenschaft erfassenden Fruchtgenussrecht ein Wohnrecht eingetragen werde, es käme nämlich zu Gebrauchsüberschneidungen, weil der Fruchtgenuss als das umfassendere Recht alle Nutzungen des Wohnrechtes ergreife (NZ 2000/453). Auch im umgekehrten Fall seien die Rechte zur persönlichen Nutzung inhaltlich die gleichen. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob die gesamte oder nur Teile einer Liegenschaft vom Wohnungsrecht umfasst seien, denn der nachfolgende Fruchtgenuss würde auch das Wohnungsrecht an diesen Teilen mitumfassen. Das Rekursgericht lehnte mit diesen Argumenten die in 5 Ob 136/97d = NZ 1998/406 vertretene Rechtsansicht ab, wonach zwar ein bereits eingetragenes Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft der Verbücherung eines weiteren Fruchtgenussrechtes entgegenstehe, nicht jedoch ein für Wohnräume (allenfalls einschließlich Nebenräume und Hausgarten) eingetragenes Wohnrecht der Einverleibung eines Fruchtgenussrechtes auf der gesamten Übergabsliegenschaft entgegenstehe, weil sich das Wohnrecht jedenfalls nicht auf die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke erstrecke.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil das Rekursgericht von der in 5 Ob 136/97d dargestellten Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht die ständige, auch von der Lehre gebilligte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wiedergegeben, dass ein bereits eingetragenes Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft der Verbücherung eines weiteren Fruchtgenussrechtes entgegensteht und dass nachrangig zu einem alle Nutzungen einer Liegenschaft erfassenden Fruchtgenussrecht kein wie immer geartetes Wohnrecht eingetragen werden kann. Es käme nämlich zu Gebrauchsüberschneidungen, weil der Fruchtgenuss als das umfassendere Recht alle Nutzungen des Wohnrechts ergreift (RIS-Justiz RS0016305). Wie in der vom Rekursgericht abgelehnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes NZ 1998/406 steht auch hier in Frage, ob ein begrifflich nur auf Wohnräume (allenfalls Nebenräume und Hausgarten) eingeschränktes Wohnrecht, das vorrangig verbüchert ist, und sich nicht auf die neben den Bauflächen ebenfalls übergebenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke erstreckt, der Verbücherung eines Fruchtgenussrechtes an der ganzen Liegenschaft (Grundbuchskörper) entgegensteht. Nun trifft es zwar zu, dass das Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft den vollen Genuss der Sache gewährt, die nur in ihrer Substanz zu bewahren ist und daher auch das persönliche Wohnrecht am Haus samt Nebenräumen und Hausgarten umfasst, doch darf nicht übersehen werden, dass dem Fruchtgenussberechtigten an der gesamten Liegenschaft ein Mehr eingeräumt wurde, was eine Abweisung hindert. Für diese Konstellation trifft es zu, dass das Wohnungsrecht unberührt bleibt, den Fruchtgenuss - vielleicht nur vorübergehend - einschränkt, dessen Einverleibung aber schon des weiteren Umfangs wegen nicht hindern kann (vgl Hoyer zu NZ 1998, 406). Die entsprechende Beschränkung des vollen Fruchtgenussrechtes ergibt sich aus der vertraglichen Auslegung der Punkte 4 und 8 des Übergabsvertrags.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen besteht also kein Hindernis im Sinn des § 94 Abs 1 Z 1 GBG gegen die begehrte Eintragung. Der Revisionsrekurs war daher berechtigt.

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