European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123824
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragsteller sind Nutzungsberechtigte von Siedlungshäusern, die die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, als Bauberechtigte errichtet hat. Eigentümerin der Liegenschaft war und ist die Stadt Wien. Nach Auslaufen des befristeten Baurechtsvertrags am 31. 12. 2012 schloss die Antragsgegnerin mit der Stadt Wien einen neuen Baurechtsvertrag. Ab 1. 1. 2013 schrieb die Antragsgegnerin den Antragstellern den erhöhten Bauzins vor. Als „Altmietern“ wurde ihnen eine Reduktion um zwei Drittel eingeräumt.
Das Erstgericht wies die Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit des vorgeschriebenen Nutzungsentgelts ab. Die Antragsgegnerin sei zur Anhebung des Entgeltbestandteils Bauzins nach Auslaufen des Baurechtsvertrags nach § 14 Abs 1 Z 4 WGG berechtigt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 10.000 EUR übersteige und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. § 14 Abs 1 WGG wurde durch die WGG‑Novelle 2016, BGBl I 2015/157, dahin geändert, dass im Falle, dass sich die der Berechnung des Entgelts zugrunde zu legenden Beträge ändern, auch das Entgelt entsprechend ändert, wobei die dafür maßgeblichen Grundlagen– insbesondere die Höhe des jeweiligen Zinssatzes und Änderungen aufgrund angemessener vertraglicher Vereinbarungen mit Darlehens- und Baurechtsgebern – dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten bei der nächsten Entgeltsvorschreibung schriftlich bekanntzugeben sind. Damit ordnete der Gesetzgeber eine Angemessenheitsschranke für den – für die Bauvereinigung bloß eine Durchlaufpost bildenden – Bauzins erstmals gesetzlich an. Eine solche ergab sich – entgegen den Ausführungen in den Materialien (ErläutRV 895 BlgNR XXV. GP ) – in dieser allgemeinen Form aus der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht (idS auch Prader WGG3 [2016], § 14 WGG Anm 6).Die WGG‑Novelle 2016 ist am 1. Jänner 2016 in Kraft getreten (Art IV Abs 1q WGG), auf am 31. Dezember 2015 anhängige Verfahren sind allerdings gemäß Art IV Abs 1r WGG noch die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden. Sämtliche hier zu beurteilende Anträge wurden bereits vor dem 31. Dezember 2015 eingebracht. Das von den Parteien vereinbarte Ruhen des Verfahrens ließ die Gerichts- und Streitanhängigkeit unberührt (vgl RIS‑Justiz RS0081556; Gitschthaler in Rechberger 4 §§ 168–170 ZPO Rz 1), sodass hier noch § 14 Abs 1 WGG in der Fassung vor Inkrafttreten der WGG‑Novelle 2016 maßgeblich ist. Zu dieser – im Hinblick auf die zitierte Übergangsbestimmung wohl nur mehr in Einzelfällen noch anwendbaren – Rechtslage liegt aber bereits ausreichend Judikatur des Fachsenats vor, in deren Rahmen sich die Vorinstanzen gehalten haben.
2. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0052450) ist mit dem in § 14 Abs 1 Z 4 WGG erwähnten Entgeltbestandteil „Bauzins“ der gesetzlich zulässige Bauzins gemeint, sodass eine Vereinbarung, die sich zum Nachteil der Nutzungsberechtigten etwa über § 3 Abs 2 BauRG hinwegsetzt, gemäß § 21 Z 1 WGG rechtsunwirksam und unter diesem Aspekt vom Außerstreitrichter überprüfbar ist. Mehrfach bejahte der Fachsenat in jüngerer Zeit bereits die Berechtigung einer Bauvereinigung, den Bauzins nach Ablauf eines Baurechtsvertrags durch Zeitablauf entsprechend einem neu geschlossenen Baurechtsvertrag gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG als Entgelt weiter zu verrechnen (5 Ob 72/14w = wobl 2014/97 [zust Vonkilch]; 5 Ob 156/14y; 5 Ob 162/14f; 5 Ob 169/14k; 5 Ob 187/14g; 5 Ob 232/14a; 5 Ob 97/15y). Auch zu 5 Ob 81/16x (immolex 2017/19 [Prader]) hielt der erkennende Senat daran fest und sprach – konkret zu dem auch hier in Rede stehenden Baurechtsvertrag – aus, dass die grundsätzliche gerichtliche Überprüfbarkeit des Entgeltbestandteils „Bauzins“ gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung entspricht. Dass es für die Höhe des Bauzinses keine ziffernmäßig exakte gesetzliche Regelung gibt, schließt die Überprüfung nach Sachlichkeitskriterien nicht aus. Anhaltspunkte dafür, dass der in dem von der Antragsgegnerin neu abgeschlossenen Baurechtsvertrag vereinbarte Bauzins gegen § 3 Abs 2 BauRG oder sonst zum Nachteil der Nutzungsberechtigten gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstieße bzw „jenseits von Gut und Böse“ sei (unter Hinweis auf Vonkilch, Fragen der Entgeltbildung bei Abschluss von Kettenbaurechtsverträgen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, wobl 2010, 198 [200]), lagen nicht vor. Die Auffassung der Vorinstanzen, auch hier seien Anhaltspunkte für einen in unsachlicher Höhe vereinbarten Baurechtszins – soweit überhaupt behauptet – nicht nachgewiesen und im Übrigen aus dem Prozessvorbringen der Antragsteller nicht ausreichend ableitbar, ist insbesondere im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit der Auslegung von Prozessvorbringen (RIS‑Justiz RS0042828; RS0113563) jedenfalls vertretbar und im Einzelfall nicht korrekturbedürftig:
3.1. Die Antragsteller behaupteten hier, der zwischen der Antragsgegnerin und der Baurechtsgeberin vereinbarte Bauzins sei „jenseits von Gut und Böse“ und begründeten dies einerseits – ohne nähere Ausführungen – damit, selbst der auf ein Drittel reduzierte weiterverrechnete Bauzins betrage das Fünffache des angemessenen Bauzinses, andererseits mit der Behauptung, der Privatgutachter habe die Belastung der Grundstücke mit kündigungsgeschützten Verträgen und die Unverbaubarkeit der Liegenschaft nicht berücksichtigt. Das Rekursgericht setzte sich mit der Kritik am Sachverständigengutachten detailliert auseinander und billigte die Methode, den Wert der unbebauten Liegenschaft mangels Verfügbarkeit von Gesamtliegenschaften in vergleichbarer Größe aufgrund des Werts einer Durchschnittsparzelle zu ermitteln, auf die Gesamtliegenschaft hochzurechnen und dann einen Abschlag von 25 % wegen der Größe vorzunehmen. Wie letztlich auch die Antragsteller in ihrem Revisionsrekurs zugestehen, sah der Gutachter einen Abschlag von 10 % für die bestehenden nach WGG kündigungsgeschützten Bestandverhältnisse sehr wohl vor. Dass dieser Abschlag nicht marktkonform und willkürlich erfolgt wäre, ist eine im Revisionsrekursverfahren unbeachtliche Neuerung (RIS‑Justiz RS0070485). Aus methodischen Mängeln des Privatgutachtens lässt sich die ins Treffen geführte grobe Äquivalenzstörung des anlässlich der Verlängerung vereinbarten Bauzinses somit nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen nicht ableiten.
3.2. Bei der Preisgestaltung berücksichtigte die Baurechtsgeberin einen weiteren Rabatt von 10 % in Anlehnung an die Preisgestaltung im Gemeindebau, erst daraus ermittelte sie den Bauzins von 8,38 EUR monatlich. Die Antragsgegnerin erachtete diesen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungswerte für angemessen und auch der Revisionsverband stellte die Angemessenheit nicht in Frage. Dessen ungeachtet gelang es der Antragsgegnerin, im Interesse der bestehenden Mieter eine Sonderregelung in Form eines weiteren Rabatts im Ausmaß von zwei Drittel für die sogenannten „Altmieter“ anlässlich der Verlängerung des Baurechtsvertrags auszuverhandeln. Lediglich dieser, den Antragstellern als Altmietern daher nur im Ausmaß von einem Drittel weiterverrechnete Bauzins kann Gegenstand ihres Überprüfungsantrags sein. Aus welchen konkreten Gründen selbst dieser reduziert weiterverrechnete Bauzins den angemessenen um das Fünffache übersteigen soll, ist– abgesehen von der widerlegten Kritik am Privatgutachten – nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen dem Vorbringen der Antragsteller nicht zu entnehmen. Die Beurteilung der (Un‑)Angemessenheit ist Rechtsfrage, die eines Substrats in tatsächlicher Hinsicht (wie etwa des marktüblichen Zinses) bedürfte (vgl RIS‑Justiz RS0111105). Der Untersuchungsgrundsatz gilt im besonderen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht unbeschränkt, sondern nur so weit, wie die Parteien in erster Instanz den Sachverhalt genügend konkretisiert dargelegt haben (RIS‑Justiz RS0070415). Einer Beantwortung der als erheblich angesehenen Rechtsfrage nach den Beurteilungskriterien für die Feststellung eines Bauzinses „jenseits von Gut und Böse“ bedarf es hier daher nicht. Wie zu 5 Ob 81/16x konnten die Vorinstanzen vielmehr auch hier vertretbar davon ausgehen, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt, der in dem von der Antragsgegnerin neu abgeschlossenen Baurechtsvertrag vereinbarte Bauzins widerspreche § 3 Abs 2 BauRG oder sonst zum Nachteil der Nutzungsberechtigten zwingenden gesetzlichen Vorschriften bzw sei „jenseits von Gut und Böse“. Dass das Rekursgericht den wegen des nicht eingeholten Sachverständigengutachtens behaupteten Verfahrensmangel verneinte, beruht somit nicht auf einer unvertretbaren rechtlichen Beurteilung, sodass kein vom Obersten Gerichtshof wahrnehmbarer Mangel des Rekursverfahrens zu erkennen ist (vgl RIS‑Justiz RS0043051).
4. Der Klärung der in höchstgerichtlicher Rechtsprechung tatsächlich noch nicht ausdrücklich beantworteten Frage, ob sich aus § 23 Abs 1 WGG, der anordnet, dass die Geschäftsführung und Verwaltung einer gemeinnützigen Bauvereinigung den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen muss, ein Direktanspruch des einzelnen Nutzungsberechtigten ableiten lässt (im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit des vereinbarten Preises oder Entgelts, idS Rosifka, Neuregelung des Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags sowie Änderungen beim Wiedervermietungsentgelt, wobl 2016/262; ablehnend Pittl/Prader, Zur Verrechnung des Bauzinses im gemeinnützigen Wohnungsbau bei Verlängerung nach Ablauf des Baurechtsvertrags, immolex 2012, 302 [304]) bedarf es hier nicht. Das Erstgericht verneinte einen Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip durch Vorschreibung des um zwei Drittel reduzierten Bauzinses, den die Antragsgegnerin selbst als Baurechtsnehmerin an die Grundstückseigentümerin zahlt, und konnte keinen Verstoß gegen die Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit erkennen. Nur zusätzlich führte es an, dass selbst ein solcher Verstoß nur zu Maßnahmen der Aufsichtsbehörde führen könnte. In der Rechtsrüge ihres Rekurses bezeichneten die Antragsteller diese rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, die nicht weiter begründet sei, als falsch, ohne aber näher darzulegen, aus welchen konkreten Gründen hier ein Verstoß gegen die Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorliegen sollte. Die bloße Behauptung, die Sache sei rechtlich unrichtig beurteilt worden, bildet hinsichtlich dieses – als selbständigen Streitpunkt anzusehenden – behaupteten Verstoßes gegen § 23 Abs 1 WGG keine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge (RIS‑Justiz RS0043605). Dass das Ausverhandeln eines um zwei Drittel reduzierten Bauzinses gegenüber dem nach dem Gutachten eines von der Liegenschaftseigentümerin beigezogenen Sachverständigen unter Zugrundelegung der niedrigsten Werte und eines (insgesamt 20%igen) Abschlags nicht sparsam, wirtschaftlich oder zweckmäßig gewesen wäre, liegt nicht auf der Hand.
Mangels Störung der Äquivalenz stellen sich Fragen der Sittenwidrigkeit nicht mehr.
5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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