OGH 5Ob19/03k

OGH5Ob19/03k29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gabriele P*****, vertreten durch Mag. Birgit Götz ua, Funktionäre der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Steiermark, 8020 Graz, Südtirolerplatz 13, gegen den Antragsgegner Alfons N*****, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 8 und 12 MRG, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. November 2002, GZ 3 R 214/02s-17, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Juni 2002, GZ 8 Msch 46/01h-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Antragsgegner ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG *****, mit einem Mehrfamilienhaus. Die Antragstellerin ist auf Grund des Mietvertrages vom 1. 8. 1999 Mieterin der Wohnung top Nr 3, bestehend aus zwei Zimmern, Bad, WC und Küche, welche sich im "westlichsten, eingeschossigen Zubau des Hauses" befindet. An das bereits bestehende Haus wurde zwischen 1980 bis 1985 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel ein Zubau mit den Grundflächenmaßen 6,75 x 6,80 m errichtet, der an der Südseite eine Verlängerung der Hausfront des Altbestandes bildet. Abgesehen davon, dass die westliche Außenmauer des Altbestandes die östliche Begrenzung dieses Zubaus bildet und bei der Errichtung des Zubaues eine Mauer der zuvor an dieser Stelle stehenden "Streuhütte" insoferne weiterverwendet wurde, als sie überbaut und dadurch verbreitert und erhöht und so zu einem Bestandteil der nördlichen Außenmauer des Zubaus wurde, wurde kein schon bestehender Teil eines Gebäudes verwendet. Strom-, Wärme- und Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung erfolgt über Zuleitungen aus dem Altbestand. Der Zubau wurde aus Betonhohlblockziegeln auf Stampfbetonfundamenten und einer mehrschichtigen Bodenkonstruktion neu errichtet und mit einem Flachdach aus Betonfertigteilen ausgestattet.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung "welcher Kategorie das Mietobjekt unterliegt und in welcher Höhe der Mietzins entsprechend den Bestimmungen der §§ 15 ff MRG angemessen scheint", die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung und die Schaffung eines Rückforderungstitels gemäß § 37 Abs 4 MRG. Das Bestandobjekt unterliege den Mietzinsbestimmungen des MRG, es sei zumindest von der Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 Z 2 MRG auszugehen.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrages im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich das Bestandobjekt in einem "Neubau in Form eines Zubaus" befinde, der ohne Verwendung öffentlicher Förderungsmittel und ohne Inanspruchnahme bestehender Gebäudeteile auf Grund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sei. Es komme der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG zum Tragen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG verwirklicht sei, da hier ein Gebäude ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden sei.

Das Rekursgericht hob den Beschluss infolge Rekurses der Antragstellerin auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG jedenfalls dann nicht zur Anwendung komme, wenn nur ein einzelnes Mietobjekt errichtet worden sei. Würde man ein quaderförmiges Bauwerk mit den Grundflächen 6,75 x 6,8 m, das eine einzige Wohneinheit umfasse, als Gebäude auffassen, bliebe für das Tatbestandsmerkmal "Zubau" im Sinne des § 16 Abs 1 Z 2 MRG kein Anwendungsbereich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, da nicht geklärt sei, ob es bei § 1 Abs 4 Z 1 MRG auf die Größe des Zubaus ankomme.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Sachbeschluss wiederherzustellen, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beteiligt sich am Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch im Sinne des Abänderungsantrags berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass weder die Neuerrichtung eines einzelnen Mietobjektes noch der bloße Umbau eines Gebäudes unter Weiterverwendung bestehen gebliebener vermietbarer Räume zur Teilausnahme vom MRG gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG führt (5 Ob 229/00p, 5 Ob 192/00x, RIS-Justiz RS0068742). Für die Verwirklichung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 4 Z 1 MRG ist die Neuerrichtung des Gebäudes selbst erforderlich. Die Einbeziehung geringfügiger alter Gebäudeteile in ein neues Objekt schadet nicht, wenn es sich um Reste alten Mauerwerks handelt oder auch umschlossene Gebäudeteile, denen unter dem Aspekt der Weitervermietbarkeit jedoch keinerlei selbständige Bedeutung zukommt. Die Weiterverwendung von Mauern an sich schließt nur dann den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht aus, wenn die Baumaßnahme im Ergebnis dennoch als Neuerrichtung des Gebäudes anzusehen sind, was nur durch wertenden Vergleich mit der Neuerrichtung eines Gebäudes ohne Weiterverwendung von Teilen eines schon bestehenden Gebäudes erfolgen kann (5 Ob 229/00p, RIS-Justiz RS0069270, RS0097182; immolex 2001/22; WoBl 1995/6). Der Anbau eines neuen Gebäudes an ein bestehen gebliebenes Gebäude schadet nicht einmal dann, wenn sich Altbau und Neubau auf einem Grundbuchskörper befinden und eine Verbindung etwa durch Zwischentrakte, gemeinsame Abwasserleitungen etc zwischen ihnen besteht (5 Ob 192/00x, 5 Ob 134/99p).

Da beim hier neu errichteten Gebäude lediglich eine Außenmauer des Bestandes und ein unbedeutender Teil einer Mauer eines entfernten Gebäudes verwendet wurden, sonst aber kein Altbestand für das neue Gebäude übernommen wurde, handelt es sich nach den oben dargelegten Grundsätzen um eine Neuerrichtung eines Gebäudes. Die Besonderheit im vorliegenden Fall liegt nun darin, dass in diesem Gebäude nur ein Bestandobjekt gelegen ist. Dies ist jedoch nicht ausnahmeschädlich, da ja hier nicht nur ein neues "Bestandobjekt", sondern ein neues "Gebäude" errichtet wurde. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu einem Reihenhaus, das naturgemäß auch nur ein Bestandobjekt ist, ausgesprochen, dass es sich hiebei bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen um die Neuerrichtung eines Gebäudes handeln kann (5 Ob 65/02y). Die Errichtung eines selbständigen Traktes hinter einem bereits bestehenden Vorgebäude kann ebenfalls die Neuerrichtung eines Gebäudes darstellen (5 Ob 17/00m). Voraussetzung für den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG ist also die Neuerrichtung eines Gebäudes, es kommt aber nicht darauf an, wieviele Bestandobjekte in diesem neuen Gebäude situiert sind. § 16 Abs 1 Z 2 MRG hingegen zielt nur auf die Neuerrichtung oder Neuschaffung eines Mietgegenstandes durch Um-, Ein- oder Zubau als Erweiterung eines schon bestehenden Gebäudes ab.

Da im vorliegenden Fall der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG zum Tragen kommt, musste der Antrag der Antragstellerin, wie vom Erstgericht zutreffend erkannt, mangels gesetzlicher Grundlage abgewiesen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte