OGH 5Ob156/12w

OGH5Ob156/12w17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. B***** F*****, vertreten durch Mag. Andreas Pöschko, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Antragsgegner J***** H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke, Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, sowie sämtliche weitere Mieter des Hauses *****, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 Abs 1 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Teilsachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juni 2012, GZ 39 R 7/12m-80, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Nach Einleitung des Verfahrens durch Antrag an die zuständige Schlichtungsstelle am 24. 7. 2006 wurde dem Antragsgegner im nunmehr zweiten Rechtsgang die Durchführung von Erhaltungsarbeiten am Haus ***** aufgetragen. Der Auftrag umfasst die Durchführung von Baumeisterarbeiten zur Sanierung des Kellers, Fassadenarbeiten (schadhafter Verputz und Verblechungen), Dachsanierungsarbeiten, Erneuerung der elektrischen Anlage im Allgemeinbereich, Fliesenarbeiten im Stiegenhaus sowie diverse Nacharbeiten wie Verputzen und Malerarbeiten. Das Gesamtausmaß des Aufwands beträgt - ohne die Kosten der Erneuerung der Hauswasserversorgungsanlage - ca 170.000 EUR (inklusive USt). Nur die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Neuherstellung einer Wasserversorgungsanlage des Hauses hob das Rekursgericht auf und trug dem Erstgericht insofern eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; im Übrigen fasste es einen insoweit das Erstgericht bestätigenden Teilsachbeschluss.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsgegner geltend, sein in der mündlichen Verhandlung vom 26. 7. 2011 erhobener Einwand der mangelnden Kostendeckung sei unberücksichtigt geblieben. Tatsächlich errechne sich eine Mietzinsreserve von nur 67.478,99 EUR, sodass die beauftragten Arbeiten darin keine Deckung fänden.

Abgesehen davon, dass ihm demzufolge die Arbeiten nicht hätten aufgetragen werden dürfen, wäre es erforderlich gewesen, wegen der fehlenden Mietzinsreserve die Arbeiten hinsichtlich ihrer Dringlichkeit zu differenzieren, was nicht geschehen sei.

Die Arbeiten seien auch derart umfangreich, dass die gesetzte Jahresfrist dafür nicht ausreiche. Richtigerweise wäre ihm für die privilegierten Arbeiten eine Frist zu setzen gewesen und für die sonstigen Arbeiten eine ein Jahr übersteigende Frist.

Darüber hinaus rügt der Revisionsrekurswerber, dem Erstgericht sei bei Ermittlung der Höhe der Kosten der Baumeisterarbeiten ein gravierender Rechenfehler unterlaufen, sodass jährlichen Mietzinseinnahmen von ca 20.000 EUR ein Gesamtaufwand von 220.057,20 EUR gegenüberstehe.

Schließlich macht der Antragsgegner geltend, im Umfang des Auftrags zur Durchführung von Elektrikerarbeiten sowie Gas- und Wasserinstallationen seien die Entscheidungen der Vorinstanzen nichtig, weil die Antragstellerin die Durchführung derartiger Arbeiten im Verfahren vor der Schlichtungsstelle nicht begehrt habe. Das stelle einen Verstoß gegen die sukzessive Zuständigkeit des Gerichts dar und habe insoweit die Nichtigkeit des entsprechenden Gerichtsverfahrens und der getroffenen Entscheidungen zur Folge.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen werden keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt:

1. Zunächst trifft es nicht zu, dass die Antragstellerin im Verfahren vor der Schlichtungsstelle die Erneuerung der elektrischen Anlage auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft nicht beantragt hätte. Eine entsprechende Antragsausdehnung erfolgte nämlich in der Verhandlung vom 8. 5. 2007 vor der Schlichtungsstelle. Richtig ist, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle diesen Antragsteil nicht erfasst. § 39 Abs 1 MRG verlangt als zwingende Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren nur, dass die „Sache“ vor Anrufung des Gerichts vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist. Eine Entscheidung über die Sache ist zufolge § 40 Abs 2 MRG hingegen keine Prozessvoraussetzung für die Anrufung des Gerichts.

Ob dieser Einwand betreffend die Neuherstellung von Wasserinstallationen zutreffend ist, kann mangels Anfechtbarkeit der aufhebenden Entscheidung des Rekursgerichts nicht geprüft werden.

2. Während dem Vermieter gegen die beantragte Vornahme privilegierter Arbeiten praktisch keine Einwendungen, auch nicht die der mangelnden Kostendeckung oder der Unwirtschaftlichkeit zustehen (RIS-Justiz RS0069990), kann der Vermieter bei anderen Erhaltungsarbeiten die mangelnde Deckung der Kosten einwenden. Das allerdings nur im Fall eines Widerspruchs der übrigen Mieter und unter der weiteren Voraussetzung, dass die Kosten weder aus dem Saldo der verrechenbaren Mietzinsreserven noch aus den während der Bestandsdauer der Arbeiten zu erwartenden, effektiven und fiktiven Einnahmen im Sinn des § 20 Abs 1 Z 1 MRG gedeckt werden können. Ansonsten hat der Vermieter, will er nicht die Kosten der Erhaltungsarbeiten aus eigenen Mitteln bezahlen oder zumindest vorfinanzieren, einen Antrag auf Mietzinserhöhung nach den §§ 18, 19 MRG zu stellen, der mit dem Antrag auf Durchführung der Arbeiten zu verbinden ist (RIS-Justiz RS0020813; RS0069990; 5 Ob 125/07d MietSlg 59.237). Diesen Voraussetzungen entsprach der vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 26. 7. 2011 erhobene Einwand unter Vorlage einer unzureichenden Hauptmietzinsabrechnung (Beilage 1) nicht.

3. Auf die vom Revisionsrekurswerber angestellten Berechnungen über die tatsächlichen Kosten und die Höhe der Hauptmietzinsreserve kommt es daher nicht entscheidend an. Durchsetzbarer Gegenstand einer Entscheidung nach § 6 Abs 1 MRG sind die dort beschriebenen Erhaltungsarbeiten und nicht der tatsächliche Kostenaufwand.

4. Zufolge § 6 Abs 1 MRG ist die Vornahme der Arbeiten „binnen angemessener, ein Jahr nicht übersteigender Frist“ aufzutragen. Da darunter bereits der Abschluss der Arbeiten zu verstehen ist (5 Ob 146/75 MietSlg 27.491/10), trifft es zu, dass bei Maßnahmen größeren Umfangs die Jahresfrist nicht ausreichen kann. Abhilfe gegen diese starre Frist bietet die Möglichkeit, einem Exekutionsantrag entgegenzuhalten, dass mit der alsbaldigen Schaffung einer Lage zu rechnen ist, bei der die Zwangsverwaltung einzustellen wäre (5 Ob 48/02y wobl 2002/113), also wenn die Arbeiten rechtzeitig begonnen, aber ohne Verschulden des Vermieters noch nicht beendet werden konnten (vgl dazu Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 6 MRG Rz 9). Einer Verlängerung der Frist im Rahmen einer Entscheidung steht der Wortlaut des § 6 Abs 1 MRG entgegen.

Inwieweit es zum Nachteil des Antragsgegners gereicht, dass ihm privilegierte Arbeiten nicht binnen kürzerer Frist aufgetragen wurden, ist nicht nachvollziehbar.

Insgesamt vermag daher der außerordentliche Revisionsrekurs Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht aufzuzeigen. Er war daher zurückzuweisen.

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