OGH 5Ob155/23i

OGH5Ob155/23i28.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 136.185 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Juli 2023, GZ 1 R 115/23x‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00155.23I.0928.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Antrag der beklagten Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Malta und bietet über eine von ihr betriebene Webseite Dienstleistungen auf dem Gebiet des Glücksspiels auch in Österreich an. Sie hat keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht. Der Kläger nahm in der Zeit vom 2. 7. 2020 bis 28. 5. 2021 an von der Beklagten angebotenen Online‑Glücksspielen teil und verlor insgesamt den Klagebetrag. Er begehrt den Rückersatz seines Verlusts.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem es die Beklagte zur Zahlung verpflichtete und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen (RIS‑Justiz RS0016325 [T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar (RS0025607 [T1]; 5 Ob 85/23w). Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret gegen § 52 Abs 5 GSpG verstoßen hat, kommt es daher nicht an (1 Ob 25/23t; 10 Ob 10/23b; 5 Ob 85/23w). Gegenteiliges ist den Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht zu entnehmen (10 Ob 10/23b; 2 Ob 23/23f; 5 Ob 85/23w).

[6] 3. Dass deutsche Amts‑ und Landgerichte unter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage (§ 817 Satz 2 BGB) allenfalls eine Rückforderung ausgeschlossen haben, bietet nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 182/22d; 9 Ob 54/22i; 6 Ob 77/23a; 10 Ob 10/23b) keine Grundlage dafür, von der ständigen Rechtsprechung zur österreichischen Rechtslage abzugehen. Mit einer (geänderten) Rechtsprechung deutscher Gerichte auf Grundlage von in Deutschland geltenden Normen kann die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden (RS0126988 [T2]; 10 Ob 10/23b).

[7] 4. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzession einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (zuletzt 5 Ob 85/23w; 2 Ob 23/23f; 10 Ob 10/23b). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung. Die von der Beklagten dagegen ins Treffen geführten Argumente wurden vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach (vgl 1 Ob 25/23t; 10 Ob 10/23b) geprüft und als nicht stichhaltig erkannt. Die Überlegungen der Beklagten bieten keinen Anlass von der gefestigten Rechtsprechung abzugehen.

[8] 5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d sowie die jüngsten Entscheidungen des EuGH zu C‑920/19 , Fluctus ua, und C‑231/20 , Landespolizeidirektion Steiermark ua). Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich aus der Entscheidung des EuGH zu C‑920/19 , Fluctus ua, kein Verbot für ein nationales Gericht ergibt, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte – hier in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs – zu berufen (10 Ob 10/23b; 5 Ob 85/23w; 2 Ob 23/23f). Der EuGH sprach bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfte, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen. Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre und deshalb eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vorliegt, zeigt die Beklagte nicht auf. Die dazu behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

[9] 6. Der Antrag der Beklagten auf neuerliche Befassung des EuGH war – abgesehen davon, dass den Parteien des Verfahrens kein solches Antragsrecht zukommt (RS0058452) – nicht aufzugreifen, weil die unionsrechtlichen Fragen geklärt sind (6 Ob 77/23a mwN).

[10] 7. Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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